Oldtimer-Messen sind beliebt, um sich auf die neue Saison vorzubereiten, vor allem natürlich diejenigen, die zum Frühlingsanfang stattfinden. Die Stuttgarter Retro Classics ist da datumsmässig bestens platziert, da sie jeweils vor der Osterzeit einlädt. Und sie ist auch in ihrer 17. Austragung wiederum kräftig gewachsen.
130’000 Quadratmeter, rund 1600 Aussteller und über 3000 Autos sind Indikatoren, die beeindrucken. Hier wird gross angerichtet. Er wolle “Fahrkultur in allen Ligen, vom Schrauber bis zum Anleger” anbieten, erklärte Karl Ulrich Herrmann in seiner Eröffnungsansprache.
Die Branche wächst
Generell kann die Oldtimer-Branche optimistisch in die Zukunft schauen. Sie wächst. 388’000 Fahrzeuge mit H-Kennzeichen werden inzwischen gezählt, die Messen melden steigende Zuschauerzahlen. Bei der Retro Classics Stuttgart 2017 wurden über 90'000 Eintritte registriert.
Allerdings ist die Szene auch kontinuierlichen Änderungen unterworfen. Es rutschen neue Besucherschichten nach, die auch neue Interessen zeigen. Die gezeigten Fahrzeuge verjüngen sich rapide. Stammten an der Retro Classics im Jahr 2001 noch rund 50% der Fahrzeuge aus der Vorkriegszeit, sind es 2017 gerade noch etwa 5%.
Auch bei den britischen Fahrzeuge sind starke Rückgänge zu vermelden, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass man auf der Insel in den Siebziger- und Achtzigerjahren einfach nicht mehr so aktiv war wie in den Jahrzehnten zuvor. Dafür sind heute die italienischen Autos präsenter.
Passione Italiana - Italien mit eigener Halle
Das Flächenwachstum im Jahr 2017 war der zusätzlichen Halle C2 geschuldet, die man ausschliesslich der italienischen Fahr- und Lebenskultur widmete. Dort stellten italienische Autohändler, Clubs, Veranstalter und diverse andere Aussteller ihre Waren und Fähigkeiten zur Schau.
Tatsächlich kam in der kleinen Halle eine typisch südländische Stimmung auf, was vielleicht auch am angebotenen Risotto und anderen kulinarischen Spezialitäten lag. Aber wie sagte schon Enzo Ferrari?“Wenn Du davon träumst, dann kannst Du es auch tun!”
Panini und Stanguellini
Bereits beim Eingang Ost im Atrium fielen die italienischen Automobile auf. Im Rahmen einer Sonderschau zeigten die Collezione Umerto Panini und das Stanguellini Museum Raritäten, die man nicht jeden Tag sieht, so etwa der Stanguellini 1100 Sport von 1947 oder einen modifizierten Lotus Eleven Stanguellini.
Diverse Maserati-Modelle wie der Tipo 63 von 1961 wurden begleitet von strassengängigen Sportwagen wie dem Maserati Bora oder dem 3500 GT.
Sicherlich hätte der Platz auch noch für weitere Preziosen aus der Panini-Sammlung gereicht, aber so konnten sie wenigsten aus der Nähe gut bewundert werden.
Zurückhaltung bei den Herstellern
Weniger prominent als in vergangenen Jahren traten die Hersteller in Stuttgart auf. Volkswagen glänzte durch offizielle Abwesenheit, ausländische Fahrzeughersteller wie Jaguar, Fiat oder Peugeot traten ebenfalls nicht ins Rampenlicht.
So stellten Mercedes-Benz und Porsche die einzigen Werkspräsentationen auf die Räder, auf überschaubarer Fläche und mit deutlich weniger ausgestellten Fahrzeugen als in anderen Jahren oder beispielsweise in Paris.
Immerhin aber zeigte Mercedes-Benz mit dem Mercedes-Simplex ein frühes Automobil, das man nicht jeden Tag sieht, und Porsche präsentierte mit zwei Rallye-Autos, dass man auch abseits der Rennstrecke für Lorbeeren gut war.
Mercedes-Benz verteilt
Anders als in anderen Jahren waren die Mercedes-Benz-Classic-Partner in Halle 3 zu finden, während der Werksstand und die Clubs sich in Halle 7 präsentierten. Generell fanden sich natürlich fast in jeder Halle Fahrzeuge mit dem Stern, auch bei den Privatanbietern und Händlern gab es viele Mercedes zu kaufen, vom 190 SL etwa konnte man fast jede Farbe haben, die einst verspritzt wurde.
Auch die Pagoden waren gut vertreten, das Preisniveau generell in luftiger Höhe und durchaus auch jenseits der Zweihundertausendergrenze angesiedelt.
Mehr Lifestyle
Was sich schon bei anderen Messen immer stärker zeigt, war auch in Stuttgart zu spüren: Betonung von Lifestyle. Herrmann erklärte dies unter anderem mit dem wachsenden Frauenanteil. 18% der Besucher seien in Stuttgart weiblichen Geschlechts und denen müsse man halt auch Alternativen zu aufgereihten Automobilen bieten.
Mit Kleiderboutiquen, kulinarischen Angeboten, Accessoires und Kunst wurde hier einiges geboten.
James Bond Autos
39’1000 der 130’000 Quadratmeter stellte die Retro Classics den Clubs zur Verfügung. Und die nutzten die Fläche einmal mehr, um Alternativen zu den omnipräsenten Neunelfern und Sternträger zu bieten.
So gab es auf dem grosszügigen Stand des Lotus-Clubs etwas zwei Lotus Esprit aus den James Bond Filmen “For Your Eyes Only” und “The Spy Who Loved Me” zu sehen, notabene korrekt mit Skiern für den Einsatz in Cortina d’Ampezzo, respektive Raketen für die Hubschrauber-Abwehr ausgerüstet.
Auf den Ständen der Opel-, Fiat-, BMW- und Ford-Clubs gab es neben glänzenden Vorzeigeklassikern auch unrestaurierte Scheunen- und Gartenfunde zu besichtigen. Dies führte zu manch interessantem Gespräch und sicherlich vielen Aha-Effekten.
Wenn man weiss, was Komplett-Restaurierungen kosten, kann man um die Arbeiten der Clubmitglieder, die auch Brot-und-Butter-Autos von einst wieder zu jugendlicher Frische zurückverwandeln, nur froh sein.
Roland Aschs Rennwagen
Schon bei der Pressekonferenz sorgte Roland Asch für gute Laune, als er im Rahmen seiner einführenden Worte zu den ausgestellten Rennfahrzeugen seiner Karriere sagte, dass er am liebsten zwischen seinen ehemaligen Autos übernachtet hätte. Es seien ihm fast die Tränen gekommen, als er die Fahrzeuge aus seiner Vergangenheit so aufgereiht gesehen habe.
Man glaubte es ihm, dem sympathischen Schwaben. Und mit umso mehr Interesse betrachtete man auch die Mercedes- und Porsche-Renntourenwagen.
Das Highlight allerdings war der Ford Capri RS 2600, mit dem Asch nicht nur seine Rennkarriere begann, sondern den er auch auf seine Hochzeitsreise nutzte und Jahrzehnte später für eine Urlaubsfahrt nach Sizilien über 5000 km. “Ich könnte Bücher schreiben über dieses Auto”, lächelte Asch.
Raritäten, die man nicht jeden Tag sieht
Nicht alle Besucher waren über das ausgestellte Fahrzeugangebot glücklich, zuviele Porsche und Mercedes standen da zu eng geparkt. Doch wer genauer hinschaute, konnte zwischen den 911ern und den Wagen mit Stern auch Raritäten entdecken, die man nicht jeden Tag zu Gesicht kriegt.
Da stand beispielsweise ein VW Derby aus der Nullserie, gebaut noch im Jahr 1976 und mit diversen Differenzen zu den Serienexemplaren, die dann aber 1977 gebaut wurden. Noch unrestauriert stand der Wagen da und warb für das Volkswagen-Ersatzteilgeschäft.
Oder der AWS Shopper, der mit Glas-Goggomobil-Technik 1970 den Automobilbau revolutionieren wollte. Der Karosseriebau erinnert an Möbeltechnik und mit günstigem Preis und tiefen Unterhaltskosten erwartete man nichts weniger als einen Verkaufserfolg, der dann aber aus verschiedenen Gründen ausblieb.
Papst Johannes XXIII fuhr noch keinen Mercedes-Benz-Geländewagen und auch keinen 600-er, nein, er wurde ab 1959 im Fiat 2100 Allestimento “Speciale” chauffiert. Und genau diesen Wagen gab es in Stuttgart zu kaufen, mit dem päpstlichen Segen inklusive.
Von Vignale stammten zwei Coupé-Raritäten, die es in Stuttgart zu bewundern und auch zu erwerben gab, nämlich ein Fiat 1300 S Coupé und einen 125 Samantha.
Wer noch mehr Wert auf Einmaligkeit legte, der konnte auf dem Triumph-Club-Stand einen SUV-Vorgänger auf Spitfire-Mark-IV-Basis finden, mehr oder weniger chic eingekleidet in Holz und Aluminiumblech.
Auch Motorräder und Traktoren
Wie immer kamen in Stuttgart auch Motorräder, Nutzfahrzeuge und Schlepper zum Zug. Eindrücklich war sicherlich die Sonderschau mit britischen Zweirädern, denn die Produkte von Rudge, Vincent oder Norton sieht man halt heute nicht mehr jeden Tag.
Die Italiener sorgten mit einigen Motorrädern eigener Prägung für Alternativen. Und in der Halle 8 kamen auch die Traktoren- und Nutzfahrzeugfreunde auf ihre Rechnung.
Trouvaillen in der Verkaufsbörse
Der grössere Teil der ausgestellten Fahrzeuge in und um die Hallen stand zum Verkauf und offenbar wurde auch einiges umgesetzt. Lorinser etwa vermeldete, dass bereits am zweiten Tag die Hälfte der ausgestellten Autos verkauft waren. Andere Händler freuten sich vor allem über die guten Kontakte. Wer sich die Zeit nahm, das Angebot im Detail zu inspizieren, konnte sicherlich interessante Fahrzeuge entdecken, die allerdings auch zu selbstbewussten Preisen angepriesen wurden.
Ein VW Beetle RSI von 2002 stand für EUR 57’500 in der Halle 6, ein Ford Escort RS Cosworth Executive von 1993 für EUR 57’800. Das Gros der Porsche 911 tummelte sich im sechsstelligen Gebiet, edle Sportwagen waren des öfteren mit Preisen über einer Million angeschrieben.
Doch zwischen dem Edelklassikern fand sich auch manche Trouvaille, etwa einen VW mit Colani-Karosserie, einen unrestaurierten Fiat 1100 Lusso von 1959 oder einen Sbarro AC Spider von 1966.
Das grosse Stechen im Jahr 2018
Und nächstes Jahr? Da werden die Retro Classics Stuttgart und die Techno Classica Essen wieder am selben Wochenende stattfinden und zwar am 22. bis 25. März 2018. Herrmann wird dann die neue Halle 10 mit zusätzlichen 14’000 Quadratmetern beziehen können, die er als Tor zum Süden positionieren will. Man darf gespannt sein.

















































































































































































































































































































































































































































































































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