Die Strassen des Engadins, gelegen im Osten der Schweiz, bieten Oldtimer-Veranstaltungen das ideale Umfeld für unvergessliche Ausfahrten. Rund um St. Moritz finden sich einige der schönsten Alpenpässe oder wie es Jeremy Clarkson einst beschrieb “the best driving roads”.
Vom 18. bis 20. August 2017 gastierte die Passione Engadina einmal mehr in diesem schönen Flecken Erde.
Passione, die Sechste
2012 fand die Passione Engadina zum ersten Mal statt. Von Anfang an standen das “Gentleman Driving” und das gepflegte Zusammensein im Zentrum.
Paolo Spalluto wollte keine Marathon-Veranstaltung aufziehen, sondern gut situierten Fahrzeugbesitzern die Gelegenheit bieten, sich untereinander zu treffen und besondere Erlebnisse miteinander zu teilen. Da passt St. Moritz als Zentrum der Veranstaltung natürlich gut dazu.
Spürbare Leidenschaft
Wer nun vermutet, die Passione Engadina sei die mobile Version des Country Club, der hat Paolo Spalluto nicht verstanden. Der Organisator der Passione-Veranstaltungen ist in Wahrheit ein unglaublich enthusiastischer Autofan. Dies spürte man spätestens am Abend des ersten Tages, als ein Film über Ferrari präsentiert wurde, ein Film, der von Pathos und Leidenschaft nur so vibrierte.
Der Aufwand, den das Team um Paolo Spalluto jedes Jahr betreibt, ist immens und das Jahr 2017 setzte noch eins oben drauf, denn zwei Wochen nach der klassischen Passione Engadina findet noch ein zweiter Anlass mit ausschliesslich Ferrari-Fahrzeugen statt, verbunden durch die Sonderschau neben dem Kulm Hotel.
70 Jahre Ferrari und die Sonderschau
Das Ferrari-Jubiläum ist 2017 omnipräsent, auch an der Passione Engadina war es nicht zu übersehen, obschon die Veranstaltung natürlich auch anderen italienischen Fabrikaten offenstand. Trotzdem fehlten etwa die Sportwagen von Lamborghini komplett.
Dafür aber wurden in einer Sonderausstellung Autos gezeigt, die man sonst kaum je zu Gesicht kriegt, weil sie zu privaten Sammlungen gehören oder zum Bestand von Museen gehören.
Zu sehen gab es unter anderem den Ferrari 156 F1 von 1961, sowie zwei modernere Ferrari-Monoposti mit sechs und zwölf Zylindern aus den Jahren 1985 (mit Turbo) und 1989 (ohne Turbo).
Für viele Besucher gab es ein erstes Treffen mit dem Ferrari 206 Sport Prototyp von 1966, ein 270 km/h schneller offener Zweisitzer aus dem Jahr 1966. Und nur wenige dürften den Ferrari P5 von Pininfarina aus dem Jahr 1968 je im Original gesehen haben.
Ergänzt wurden die Ferrari-Exponate durch einen Alfa Romeo GP 16C Bimotore von 1935, ein zweimotoriges Ungetüm, das einst für Grand-Prix-Siege sorgen sollte, auf den Rennstrecken aber sehr schwer zu fahren war. Der Lancia LC2 war die Gruppe-C-Antwort auf den Porsche 956, in seiner Martini-Lackierung sicher einer der attraktivsten Sportwagen der Achtzigerjahre.
Attraktives Startfeld
Die Teilnehmerzahl war wie immer auf achtzig Fahrzeuge limitiert, Gewähr für eine persönliche Atmosphäre und überschaubare Verzögerungen beim Start oder bei Sonderprüfungen. Gerade einmal zwei Vorkriegsfahrzeuge waren gemeldet, dafür aber war der Anteil der Autos aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren gross.
Vorwiegend waren Fahrzeuge zu sehen, die sich gut auch für das Zurücklegen längerer Wegstrecken eignen und bei schlechter Witterung auch über ein Dach verfügen, zwei Ausnahmen bestätigten diese Regel.
Ermini, Zagato und Co
Wer die rund sechs Dutzend Autos an sich vorbeiziehen sah anlässlich der 200-km-Ausfahrt am Samstag, dem fiel sicherlich der zierliche Ermini 1100 Sport von 1952 auf. Es handelte sich dabei um eine Barchetta mit Karosserie von Motto.
Diese offenen Zweisitzer bestritten im Jahr 1952 die Mille Miglia und die Targa Florio, mit durchaus ansehnlichen Ergebnissen. Im Bug sorgte ein wohltönender Vierzylinder für Vortrieb und für Musik. Als Rennsportwagen gebaut, musste die Besatzung natürlich auf ein Dach verzichten, jenes wäre kaum zu befestigen gewesen und hätte zusätzliches Gewicht mitgebracht.
Auf wenig Gewicht ausgelegt war auch der Lancia Appia mit Zagato-Karosserie. Das aerodynamisch vorteilhaft ausgebildete Coupé musste sich mit rund 60 PS Motorleistung begnügen.
Komplett anders war dagegen ein weiterer Zagato-Entwurf konzipiert, der als Startnummer 49 bei der Passione startete. Es handelte sich dabei um einen von zwei Aster-Konzeptfahrzeugen, das auf Basis des Fiat 132 entstand und unter anderem auf dem Turiner Salon von 1972 ausgestellt war. Mit seiner Rundumverglasung (inkl. Dachbereich) heizt sich der Wagen bei Sonneneinstrahlung wie ein Treibhaus auf, was der Besatzung am warmen ersten Tag das Leben schwer machte.
Drei Wettbewerbe
Die Passione Engadina 2017 beinhaltete drei Disziplinen, den Kessel Challenge Cup, die Julius Baer Rally am Freitag und den Concours d’Elégance am Sonntag. Der Kessel Challenge Cup wurde mit Schlauchprüfungen in zwei Teilen am Freitag und Sonntag Morgen gefahren.
Es siegten Ottaviano/Matteo Cheecchi auf einem Maserati Indy von 1970.
Zweite wurden Giustino De Santis und Claudio Moribducci in einem Lancia Aurelia B24 S Spider von 1955, Dritte der bekannte Rallye-Fahrer Miki Biasion mit Beifahrerin Paola Ramella Paia im eigenen Fiat 124 Abarth von 1973. Sie Sieger dürfen den Wanderpokal für ein Jahr behalten und dann kostenlos zur Revanche an die nächste Passione Engadina zurückkehren.
Für den wettfesten Herrenfahrer
Die Julius Bär Rally führte am 19. August 2017 über eine Strecke von rund 200 Kilometern über sieben Alpenpässe, darunter der Ofenpass, der Umbail, das Stilser Joch und der Bernina. Die Fahrt über die teilweise steilen und engen Passstrassen forderten manchen Fahrer und mehrere Autos heraus, da wurde es dem einen oder anderen Motor durchaus etwas warm. Eingeschaltete Schlauchprüfungen sorgten für Wettbewerbs-Feeling, das teilweise doch recht kühle und nasse Wetter für fahrerische Herausforderungen. Einige Teams wurden sogar verhagelt, wenn auch Blechschäden ausblieben.
Bei der Siegerehrung sah man bekannte Gesichter, Gesamtsieger wurden Ottaviano/Matteo Cheecchi im Maserati Indy, Platz 2 ging an Filippo Sole mit Francesca Sole Rettagliata auf dem Beifahrersitz des Lancia Aprilia von 1938 (Klassensieger) und auf Platz 3 fuhren Giustino De Santis und Claudio Moribducci imLancia Aurelia B24 S Spider von 1955 ein, die ebenfalls ihre Klasse gewannen.
Bei den neueren Fahrzeugen schwangen Roberto und Federica Ricciardello im Alfa Romeo 2000 GTV von 1971 oben aus.
Genuss im Zentrum
Bei der Passione Engadina sind die Fahrprüfungen zwar omnipräsent, es geht aber um den Genuss. Dafür steht auch der sonntägliche Concours d’Elégance, bei dem die Zuschauer und Besucher die Jury sind.
Vor dem neuen Kulm Country Club gaben die Teilnehmerfahrzeuge eine attraktive Kulisse ab und die Touristen und Einheimischen von St. Moritz erkundeten die anwesenden Wagen genau und wählten schliesslich ihre Favoriten.
Der Vorkriegs-Alfa Romeo 6C 2500 SS von 1939 hatte es ihnen angetan, sehr zur Freude des Besitzerehepaares Aenny und Alexander Vonow. Mit den Plätzen 2 und 3 wurden der rechtsgelenkte Lancia Aurelia B24 America Spider von 1955 und der Ferrari 275 GTB/4 von 1966 in Gelb geehrt.
Für die Teilnehmer gab es derweil wenig anderes zu tun, als sich ein Glas Champagner zu gönnen, sich am Buffet zu laben und die Kameradschaft zu pflegen.
Für die Meisten, die Jahr für Jahr an die Passione Engadina zurückkehren, steht das Gewinnen sowieso nicht an oberster Stelle, es geht ihnen mehr um die genussvollen Stunden abseits der sonstigen Verpflichtungen. Und wenn man in Wartezeiten noch schnell einen aktuellen Ferrari, einen der attraktiven Alfa Romeo Giulia oder 4C, sowie moderne Abarth-Fahrezeuge probefahren kann, dann kann man sich ja auch kaum beklagen.
In der zusätzlichen Bildergalerie zu diesem Artikel sind über 300 Bilder zu den einzelnen Teilnehmerfahrzeugen zu finden.
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