Vor den Eröffnungsreden am 1. Februar 2013 heizten zwei Schweizer - Dieter Meier und Boris Blank - dem Publikum ein. Aus den Lautsprechern in Halle 5 der Messe Bremen tönte „The Race“ von Yello. Thema des Songs und Baujahr 1988 passten perfekt mit dem Motto der Veranstaltung zusammen: „Rennen und Rallye: die wilden Jahre!“
Je eine Sonderausstellung für Autos und Motorräder widmete sich den Rennmobilen den Siebziger- und Achtzigerjahre. Als Redner für die Eröffnung hatten die Veranstalter Prominenz dieser Jahre geladen. Der Rennfahrer Hans-Joachim Stuck und Herbert Schnitzer, Chef des BMW Team Schnitzer in der DTM sprachen über alte Zeiten. Und anzuschauen gab es Klassiker vom BMW E9 Coupé bis zum Lancia 037.
Bereits die elfte Austragung
Zum elften Mal bereits begann in Bremen die Oldtimersaison für den deutschsprachigen Raum und Nordeuropa. Zwischen 30.000 und 40.000 Gäste besuchen inzwischen jedes Jahr an drei Tagen anfangs Februar die 600 Aussteller der Bremen Classic Motorshow.
Jedes Jahr steht die Messe unter einem anderen Motto, das sich nicht nur in den Sonderschauen widerspiegelt, sondern vor allem in den liebevoll gestalteten Ständen der Markenclubs. Oft stellen sie mit ihren Autos wahre Bühnenbilder zusammen und kostümieren sich selbst im Stil des Themas oder der Epoche. So stellte wohl die Szene des Isetta Clubs in diesem Jahr klar, dass Rennen und Wildheit im Strassenverkehr nichts zu suchen haben: Hinter einem Isetta-Peterwagen der Hannoveraner Polizei wurden zu schnell rasende Messebesucher geblitzt und von einer Schaufensterpuppe in zeitgemäßer Polizeiuniform gestoppt.
Rückwärtsrennen im Oma-Auto
Der DAF-Club gab sich an seinem Stand eher sportlich. „DAF racing team“ prangte stolz auf den Sweatshirts der Aussteller. Auch der ausgestellte Rallyewagen mit den vielen Pokalen auf der Hutablage ließ keinen Zweifel an der Renntauglichkeit des niederländischen Kleinwagens aufkommen.
Dennoch weckte das zweite Ausstellungsstück mehr Interesse. Da stand zwar „Volvo“ dran, aber nur, weil die Schweden 1975 die Produktion übernommen hatten. Hier hatten die Aussteller die Karosserie des Autos aufgebockt und Fahrgestell mit Motor und Getriebe zur besseren Anschaulichkeit auf dem Boden gelassen. Zwei Keilriemen treiben je ein Hinterrad an. Sie laufen über konische Riemenscheiben und bilden so ein stufenloses Automatikgetriebe, bei DAF „Variomatic“ genannt. Solch ein Getriebe war das dritte Ausstellungsstück an dem Stand, das die Besucher selbst in Bewegung setzen konnten. Der Schaltknüppel im DAF 66 hatte nur zwei mögliche Positionen: vorwärts und rückwärts. In beide Richtungen konnte das Auto theoretisch gleich schnell fahren.
„Rückwärtsrennen fahren wir nicht. Wir wissen, dass es geht, das genügt“, kommentierte Christian Wiarda die Frage nach Spektakelrennen eines niederländischen Fernsehsenders. Markus Lux besitzt zwölf Fahrzeuge des holländischen Herstellers. Darunter seltene Exemplare: ein rechtsgelenktes aus England, eines mit Schiebedach, eines von zwei noch existierenden „Havas“-Cabrios (das andere steht im DAF-Museum in Eindhoven) und ein schwedischer Postauto-Umbau namens „Kalmar“. Der deutsche Club hat etwa 120 Mitglieder, wie viele der Autos noch existieren, ist unbekannt.
Um ein Verkaufsschlager zu werden war das Auto in Deutschland zu teuer. Ein VW Golf kostete in den Siebzigern etwa 7.000 DM, für den DAF 66 musste man noch einen Tausender drauflegen. Außerdem hatte das Modell ein Oma- und Tanten-Image, nichts für junge Leute.
Als Oldtimer zieht der DAF wegen seines günstigen Unterhalts und des geringen Anschaffungspreises nun auch jüngere Selbstschrauber an. Das Modell war sehr robust verarbeitet, Verschleißteile sind gut zu bekommen und es gibt offenbar hunderte scheintote DAFs in Scheunen und Garagen. Vor denen warnte Lux allerdings: „Wenn das Getriebe nicht bewegt wird, korrodiert die Chromscheibe, der Riemen greift nicht mehr richtig und wird schnell zerstört. Meine zwölf Autos schiebe ich in der Halle regelmäßig einen Meter vor und zurück.“
Handwerkskunst für Wohlhabende
Um eine andere Preisklasse kümmert sich der Restaurator Jürgen Swoboda in seiner Werkstatt nahe Flensburg, ganz im Norden Deutschlands. Sein Betrieb beschäftigt inzwischen 14 Angestellte, einer davon ist Michael Kiß: „Wir bedienen eher die wohlhabende Kundschaft, vor allem aus Hamburg oder dem Speckgürtel der Stadt.“
Etwa 40 historische Fahrzeuge, meist Mercedes, stehen momentan in Swobodas Halle und den Werkstatträumen, rund 20 können fertig restauriert verkauft werden. Der Inhaber legt grossen Wert auf originalgetreue Restauration der alten Schätze. Für Vorkriegsfahrzeuge betreibt er eine eigene Stellmacherei. Auch die gesamte Fahrzeugtechnik und die Sattlerei besorgt er unter einem Dach. Nur lackiert wird extern. Die Firma restauriert, verkauft und sucht auf dem Markt nach dem Traumauto für eine wachsende zahlungskräftige Klientel.
Shopping, auch wenn es zieht
Für Geldbeutel jeder Größe bot das Parkhaus hunderte Angebote an Old- und Youngtimern von privat oder vom Händler. Die Eigentümer waren zwar in den zugigen Parkhausetagen fast nie zu sehen, aber jeder hatte seine Mobilnummer auf das Verkaufsschild geschrieben.
Dem schönsten Auto dort hatte sein Besitzer einen exponierten Platz vor dem Treppenhaus gesichert. Hier zog nun das Lancia Fulvia Coupé von 1968 die Blicke auf sich. Der Preis von 14.800 Euro schien auf den ersten Anschein angemessen.
Ein ganzes Stück weniger glänzend zeigten sich drei VW T1. Offenbar frisch aus Kalifornien importiert („verzollt, fährt, bremst“), stand eines von ihnen für sagenhafte 16.000 Euro zum Verkauf. Motorräder fehlten im Parkhaus völlig.
Auch in den Hallen waren Zweiräder weniger präsent als in den Vorjahren. „Renn- und Rekordmaschinen“ hieß die Sonderausstellung, die die Besucher diesmal bestaunen konnten. Rund 30 Motorräder von Baujahr 1907 bis in die Siebziger veranschaulichten mit teils skurrilen Modellen wie der Victoria FM38, auf der der Fahrer liegend mit dem Gesicht nach unten 1951 den Geschwindigkeitsrekord für Maschinen bis 50 Kubikzentimeter aufstellte: 79 km/h.
Mit Erfahrung vorn
Herbert Schnitzer ist bedeutend schneller. Seine Mannschaft, das BMW Team Schnitzer, gewann 2012 die DTM. In Bremen besuchte er seinen BMW 2002 Turbo von 1977.
Als sich Schnitzer fürs Foto lässig ans Dach des Rennwagens lehnte, bat ihn eine Messehostess, die Ausstellungsstücke nicht zu berühren. „Das ist Herr Schnitzer, der hat das Auto gebaut, der darf das.“ „Oh, Entschuldigung! Die meisten Autos hier sind älter als ich, das wusste ich nicht.“
Das Unternehmen Schnitzer Motorsport besteht seit 50 Jahren, die erste Rennsaison fuhren die Brüder Herbert und Josef 1964/65. Die Kombination mit BMW ergab eine äußerst erfolgreiche Verbindung. 1966 wurde Josef Schnitzer Deutscher Rundstreckenmeister. Insgesamt hat das BMW Team Schnitzer mit BMW 17 Meisterschaften gewonnen: die Tourenwagen-Weltmeisterschaft 1987, die DTM 1989 und 2012, drei Tourenwagen-Europameisterschaften und die 24 Stunden von le Mans 1999.
Nach der Frage, was sich in den 50 Jahren im Rennsport am meisten verändert hat, kommt Herbert Schnitzer ins Erzählen: „Die Fahrer sind gläsern geworden. Die Messmethoden sind so präzise, wir sehen sofort, ob ein Fahrer eine Hundertstelsekunde zu früh oder zu spät gebremst hat.“ Und die Autos?: „In der DTM haben heute alle das gleiche Material. Stoßdämpfer, Getriebe, Bremsen sind bei allen Teams identisch. Da kann man nur mit Erfahrung vorne mitfahren.“
Darüber, was der größte Moment in seiner Renngeschichte war, blieb Schnitzer unentschlossen: „Hockenheim in der DTM 2012 ist als Highlight nicht zu toppen. Aber Le Mans war ein Weltwunder.“
Am Samstag und Sonntag besuchten die Rennfahrer Jochen Mass und Klaus-Joachim Kleint die Bremen Classic Motorshow und gaben Autogramme. Nun dürfen wir auf das Motto für 2014 gespannt sein.