Die Teilnahme am 24 h Rennen 2015 in Le Mans nahm Porsche zum Anlaß, begeisterten Motorsportfans ein abwechslungsreichen Wochenende in und um das Museum in Zuffenhausen anzubieten. Und sie kamen in großer Zahl, kurz vor Rennende musste der Zutritt wegen Überfüllung gesperrt werden.
Geschichte und Gegenwart vereint
Informationen über den aktuellen Rennverlauf boten Liveübertragungen auf zahlreichen Videoleinwänden. Im Freien stellte währenddessen der österreichische Motorsportjournalist Walter Zipser ausgesuchte Siegerfahrzeuge des Hauses aus vergangenen Zeiten vor. Und damit das ganze eine runde Sache wurde durften die anwesenden Porsche-Rennfahrer anschließend die Boliden über einen extra dafür aufgebauten Parcours bewegen, eindrücklicher kann Motorsport nicht zelebriert werden.
Erster Gesamtsieg mit dem Porsche 917
Seit 1951 ist Porsche in Le Mans mit dabei, 16 Gesamtsiege gingen seitdem auf das Konto der Stuttgarter Autoschmiede. Den ersten Gesamtsieg erzielten 1970 Hans Herrmann und Richard Attwood mit einem 917, das Langstreckenrennen fand damals wie heute am 13./14. Juni statt, wenn das kein gutes Zeichen war ... Beginnen wir also mit dem Porsche 917, hier in der Kurzheckausführung mit der Startnummer 23, einem der erfolgreichsten Rennsportwagen der 70er Jahre überhaupt.
Der Wagen, von einem luftgekühlten 12 Zylinder Mittelmotor angetrieben, leistete zu Beginn seiner Laufbahn schon beachtliche 520 PS. Die Leistung ließ sich aber wenige Jahre später mit dem Einsatz von 2 Turboladern standhaft verdoppeln, bei einem Leergewicht unter 900 kg die Grundlage für unglaubliche Fahrleistungen.
Um den Kurs gefahren wurde der Rennwagen von Kurt Ahrens, der bis zum Erwerb seines Führerscheines eigentlich Radrennfahrer hatte werden wollen. Nachdem ihm sein Vater bei einem Rennen in Leipzig kurzerhand den zweiten Porsche gab, eilig Helm und Schuhe besorgte und für den Filius bei der Rennleitung bürgte, fuhr er sein erstes Rennen.
Am Ende stand die Verwunderung darüber, dass viele andere in den Strohballen landeten, er aber auf Platz 1. Und der Lorbeerkranz tat ihm nicht nur gut, er machte auch Appetit auf mehr.
Trotz interessanter Angebote, auch von Jochen Neerpasch (Ford Köln) und Jack Brabham (Formel 1), beendete er nach 13 Jahren seine Karriere. Der Beruf des Rennfahrers war damals extrem gefährlich, er verlor in seiner aktiven Zeit 14 Kollegen, teils gute Freunde, was maßgeblich zu dem Entschluss, sich mehr der Familie zu widmen, beigetragen hatte.
Das Alubüchsle
Doch zurück zu den Anfängen. Die erste Teilnahme von Porsche an den 24 Stunden von Le Mans war im Jahr 1951 mit einem Porsche 356/4 SL Coupe, „SL“ steht für super-leicht. Der 356 SL war einer der 52 in Gmünd gefertigten 356 mit Aluminiumkarosserie, entworfen von Erwin Kommenda. Der Karosseriewerkstoff brachte dem Wagen nicht nur die interne Bezeichnung „das Alubüchsle“ ein, er ermöglichte auch ein Leergewicht von nur knapp über 600 kg.
Das direkt am Zeichenbrett entworfene Design von Franco Scaglione vermag noch heute Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen in Verzückung zu versetzen. Der Einsatz endete mit dem ersten Klassensieg für die Stuttgarter mit einem Wagen, der lediglich über 46 PS verfügt, damit aber beachtliche 160 km/h schafft. Unglaublich, dass damit in Le Mans eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 118 km/h über 24 Stunden hinweg erzielt werden konnte.
In Stuttgart durfte der 22 jährige Connor de Phillippi aus Kalifornien den Wagen vorführen, ein Werksfahrer aus dem offiziellen Porsche Juniorenprogramm. „It's so much history in this company“ brachte er seine Begeisterung zum Ausdruck, schon als Kind verfolgte er die Le Mans Siege der Zuffenhausener am Bildschirm. Wie man mit einer „so schwergängigen Lenkung“ ohne jede Servounterstützung und mit „den damaligen Bremsen“ ein 24 Stunden Rennen bestreiten kann, das rang ihm höchsten Respekt vor den damaligen Fahrern Auguste Veuillet und Edmond Mouche ab.
Der Flachmann
In zeitlich korrektem Ablauf kam der 550 Spyder aus 1956 an die Reihe, ein Mittelmotorwagen, der jedem Technikfreak das Wasser in die Augen treibt. Vier obenliegende Nockenwellen werden über Königswellen angetrieben, 2 getrennte Zündverteiler mit jeweils einer Zündspule und 2 Doppelfallstromvergaser befeuern das Aggregat, das seine Kraft von 135 PS aus 1550 ccm über eine 4-fach gelagerte Kurbelwelle an das Getriebe weitergibt. Dieser erstmals speziell für den Rennsport konstruierte Wagen hatte einen Flachrohrrahmen, der dann beim 550 A von einem Gitterrohrrahmen abgelöst wurde.
Neben dem Klassensieg bei der fünften und letzten Carrera Panamericana und dem hervorragenden dritten Platz im Gesamtklassement bleibt zu diesem Wagen ein spektakulärer Vorfall in Erinnerung. Hans Herrmann und Herbert Linge fuhren bei der Mille Miglia eilig mit eingezogenen Köpfen unter den geschlossenen Bahnschranken durch, knapp vor einem heranbrausenden Schnellzug, aber so war Rennsport damals.
Und während das Aggregat des Autos, die Krönung der damaligen Vierzylindermotorentwicklung in Zuffenhausen, das Publikum mit seinem tollen Motorklang begeisterte, genoss es Kurti, den Wagen bei bestem Wetter zum Leben zu erwecken.
Die Grossmutter
Der 718 W-RS Spyder von 1961, intern auch "die Großmutter" genannt, war eines der wenigen Fahrzeuge außerhalb der Formel 1,
das mit dem der 240 PS starke 8 Zylinder Boxermotor des Typs 771 ausgestattet war. Die Kraftmaschine kam speziell auch in Bergrennwagen zu Einsatz, unter anderem im 904/8 "Känguruh", im 906/8 "Ollon Villars" Bergspyder, im 910/8 Bergspyder und im 909 Bergspyder. Bei nur 2 Liter Hubraum erreichte der Motor sehr gute Leistungswerte dank Verwendung obenliegender Nockenwellen mit Königswellenantrieb. Im 718 W-RS trafen die 240 PS auf ein Leergewicht von 680 kg, als Höchstgeschwindigkeit waren 260 km/h möglich.
Mit dem Wagen gelang es, mehrmals die Targa Florio zu gewinnen. Ebenso gehen zahllose Siege bei Bergrennen auf sein Konto.
Herbert Linge, einer der ersten Lehrlinge bei Porsche im Jahr 1943, ist nach wie vor ein Rennsportfan. Er konnte in der Nacht von Samstag auf Sonntag vor lauter Spannung nicht richtig schlafen, da er wie bei den 24h Rennen als Fahrer im Zwei-Stunden-Rhythmus aufwachte. 23 Le Mans Starts hinterlassen eben ihre Spuren. Bei den Dreharbeiten für den Film „Le Mans“ nahm Herbert Linge mit einem Porsche 908/2, der Steve McQueen gehörte, am echten Rennen teil. Das mit drei Kameras ausgestattete Fahrzeug musste 70 vorgegebene Rennszenen filmen und da die Filmkassetten immer wieder gewechselt werden mussten, ergab das gut 15 Stops mehr als bei den anderen Teams, dennoch lag der Kamerawagen am Ende auf Platz 8 im Gesamtklassement!
Der Stress dabei war groß, nicht nur bei den vorgegebenen Überholmanövern. Für eine Aufnahme in der aufgehenden Sonne im Contibogen stand nur ein Zeitfenster von 2 Minuten zur Verfügung - aber auch das ging gut. Steve McQueen erwies sich bei den späteren Aufnahmen zu dem Film als guter Fahrer, er konnte bei Tempi von deutlich über 350 km/h gut mithalten und es wurde einfach so oft gefilmt bis jede Szene perfekt stimmte.
Später war Linge, der sich immer für die Sicherheit im Motorsport einsetzte, maßgeblich am Aufbau der ONS-Sicherheitsstaffel beteiligt.
Fest steht: Gasgeben kann er noch wie in jungen Jahren, und das hat nicht nur ihm, sondern auch den anwesenden Motorsportfans Spaß gemacht.
Die legendären Neunelfer - nicht nur in Le Mans
Die nächsten Modelle waren den Besuchern gut bekannt, haben doch die F und G-Modelle des 911ers das Erscheinungsbild von Porsche maßgeblich geprägt. Mit dem silberfarbenen 911 Martini RST erzielten Herbert Müller und Gijs van Lennep 1973 den Sieg bei der letzten Ausführung des Langstreckenrennens Targa Florio in Sizilien, die Benzinkrise im Folgejahr bedeutete das Aus für das traditionelle Rennen.
Man muß sich einmal vorstellen, mit einem 3 Liter Sechszylinder im Heck, der mit 330 PS bis zu 280 km/h ermöglicht, durch die kleinen sizilianischen Dörfer mit ihren engen Gassen zu brausen. Die Strecke mit gut 150 Kurven führte von dem 150m hohen Caltavuturo ins Tal, auf und über 600m hoch gelegene Bergpassagen, dann hinab nach Campofelice di Roccella am Meer entlang auf die Bounfornello-Gerade, die 6 km länger ist als die Hunaudieres-Gerade in Le Mans, und auf der wurde wirklich Vollgas gefahren.
Das waren schon wilde Zeiten damals - der kernige Sound des Wagens begeistert noch heute. Van Lennep durfte hier seinen Siegerwagen nochmals bewegen und sich lachend an die Zeiten auf „Mafia Island“ erinnern, wo man wissen sollte, wie man mit der Polizei umzugehen hat, sonst kann das Überfahren eines Karnickels das ganze Training aus dem Konzept bringen.
Drei Buchstaben für die Ewigkeit: RSR
Weiter ging es mit dem sympathischen Rennfahrer Manfred Schurti, der in Le Mans insgesamt 9 mal für Porsche am Start war und 1976 mit Rolf Stommelen den vierten Platz in der Gesamtwertung erreichte. Er war seinerzeit als fairer Sportsmann bekannt und erinnert sich gerne an die schöne Zeit. Die Porsche Philosophie „Du musst nicht in der ersten Runde schnell sein, Du musst nur am Ende des Rennens vorne liegen“ kam ihm durchaus entgegen.
Den orangefarbene 911 Carrera RSR 3.0, einem erfolgreichen Rennwagen aus Zuffenhausen in Kundenhand, fand großen Anklang. Das Auto musste dem Publikum nicht im Detail vorgestellt werden, dieses Fahrzeug ist jedem Rennfan ein Begriff und man sah Manfred Schurti an, dass es ihm Spaß macht, den Wagen mit seinem typischen Sound um den Kurs zu bewegen.
Bremsscheiben von 1970
Und während er dies tat, ging Walter Zisper nochmals kurz auf den ersten Le Mans Gesamtsieg ein, indem er die Zuschauer aufforderte, sich die Bremsscheiben des damaligen Siegerautos anzusehen. Sie sind noch in dem Zustand wie damals nach dem Rennsieg, die Risse in den Scheiben zeugen von der hohen Beanspruchung bei dem anspruchsvollen Langstreckenrennen.
Um die Geschichte rund zu machen: wir wissen nicht wie die Bremsscheiben der beiden 2015er Siegerautos aussehen, aber wenn der 13. und 14. Juni eines Jahres auf Samstag und Sonntag fallen, dann scheinen das Glückstage für die Zuffenhausener Sportwagenschmiede zu sein.