Der 41. Genfer Autosalon von 1971 stand im Zeichen von extravaganten und futuristischen Studien und Supersportwagen, im “normalen” Fahrzeugsegment waren weniger Neuerungen zu verzeichnen als in anderen Jahren, wohl auch getrieben durch Streiks in den Produktionswerken.
Vierzig Jahre ist es her, 1971 war als internationales Jahr zur Bekämpfung des Rassismus und der Rassendiskriminierung gestartet. Das erste McDonald-Fastfood-Restaurant wurde in München eröffnet. Texas Instruments brachte den ersten Taschenrechner auf den Markt und die Floppy-Disk (8 Zoll, also 20 cm gross) erblickte das Licht der Welt. Einen Fernseher gab es inzwischen fast in jedem Wohnzimmer, oft auch in Farbe und mit Bildschirmdiagonale um die 50-60 cm. Es lief “Dalli Dalli” mit Hans Rosenthal, die amerikanische Fernsehserie “Hawai 5:0” oder “Arsène Lupin, der Meisterdieb”. Der Fernseh-Mehrteiler “Das Messer” nach einem Drehbuch von Francis Durbridge fegte damals die Strassen leer. Im Kino jage Sean Connery im neuen Bond-Film “Diamantenfieber” den Schurken nach, Romy Schneider flirtete in “Das Mädchen und der Kommissar” mit Michel Piccoli und Clint Eastwood mimte den harten Mann in “Dirty Harry”.
Aus den Autoradios und Transistorempfängern zuhause ertönte “A song of Joy” (Miguel Rios), die Rolling Stones machten “Sticky Fingers” und Juliane Werding sang “Am Tag als Conny Kramer starb”, während James Last bereits “Non Stop Dancing 11” und “12” herausbrachte. Muhammed Ali stand 1971 im Boxring Joe Frazier gegenüber und trug seine erste grosse offizielle Niederlage davon. Jacky Stewart wurde auf dem Tyrrell Weltmeister in der Formel 1. Eddy Merckx gewann zum dritten Mal hintereinander die Tour de France. Neugeborene Kinder wurden Nicole, Sabine, Kerstin, Michael, Sven oder Matthias getauft. 1 kg Brot kostete 1.44 DM. Benzin war immer noch ungefähr gleich teuer wie 1951. Die USA verboten die Zigarettenwerbung im Rundfunk und im Fernsehen, was die Jugend nicht daran hinderte, weiterzurauchen und gewonnene Freiheiten auszuleben.
Japaner mit vielen Neuheiten und Markteinführungen
Waren japanische Wagen in den 60-er-Jahren noch belächelt worden, stieg der Marktanteil trotzdem stetig und verdoppelte sich sogar im Jahre 1970. In der Schweiz waren die Japaner damit Nummer 5 und hatten bereits die USA und Schweden abgehängt. Die Fahrzeuge wurden gleichzeitig für europäische Käufer immer attraktiver und auch formal hatte man sich der Konkurrenz aus Deutschland, Frankreich, England oder Italien angepasst.
Mazda zeigte in Genf den neuen 1600, der als RX-2 Coupé auch mit Wankelmotor erhältlich war. Der Nissan 2000 GT leistete als sportliche Limousine mit Sechszylinder 120 SAE-PS, was ihn zu 175 km/h befähigte und als Konkurrent von Alfa Romeo und BMW positionierte. Toyota präsentierte einen neuen Crown, Datsun zeigte mit dem 240 Z ein Sportcoupé, das gut auch aus England hätte kommen können. Toyota konterte hier mit der Celica, die in verschiedenen Leistungsstufen bestellt werden konnte.
Wenig neues aus Europa in den unteren Preiskategorien
In den unteren Preiskategorien waren weniger neue Fahrzeuge Gesprächsthema, als Marketing-Variationen bestehender Modelle. Da wurden Autos mit “GL”, “GT”, “Deluxe” oder “Super” aufgewertet, was typischerweise mit einem Mehrpreis einherging. Der einfache, spartanisch ausgestattete Kleinwagen schien auszusterben. Zwar gab es den VW Käfer als 1200er-Basismodell für 6’995.- Franken noch, aber die 1300, 1302 und 1302 S Modelle versprachen mehr Komfort, Leistung und Ausstattung.
Ähnliches gab es bei Citroën mit dem 2CV, wo eine “4” oder “6” den Ausstattungsstand andeutete. Immerhin war zu sagen, dass im Jahre 1971 Fahrleistungen und Komfort der unteren Preisklassen bereits auf dem Niveau waren, das früher der Mittelklasse vorbehalten war.
Der Trend zum Kombi
“Der Zug zur Karosserie mit Hintertüre oder Heckklappe wird immer deutlicher”, schrieb die AR 12/1971. Der Range Rover, erstmals in der Schweiz gezeigt, war hierfür ein gutes Beispiel.
Die französischen Marken erwiesen sich in der Kombiwagenproduktion als die Eifrigsten, aber auch die deutschen Hersteller, z.B. mit dem BMW 2000 Touring oder dem Opel Ascona, zogen schnell mit. Auch die Engländer standen nicht abseits, noch war man aber weit entfernt vom Kombi-Boom, der dann in den 90-er-Jahren erst so richtig einsetzte.
Populäre Coupés, aber wenig Neues
Bei den Coupés konnte man 1971 zwei verschiedene Lager unterscheiden: Die “reinen” Coupés, die (karosserie-technisch) keinerlei Beziehungen zu anderen Baureihen desselben Herstellers hatten und die “abgeleiteten” Coupés, die neben der Mechanik auch Karosserieteile und Interieur mit anderen Modellreihen teilten. Opel Manta und Ford Capri gehörten zur ersten Gruppe der reinen Coupés, während der Mazda RX-2 und das Peugeot 304 Coupé zur zweiten Gruppe zu zählen waren.
Priorität bei den Coupés war generell die Leistungssteigerung, was sich in der immer stärkeren Verbreitung obenliegender Nockenwellen und V-förmig angeordneter Ventile äusserte. Dem Zweck entsprechend waren die meisten dieser Coupés mit Handschaltung ausgerüstet. Neuheiten im Bereich der preiswerten Coupés waren der Opel GT/J, der Saab Sonett III, die Toyota Celica und der Ford Capri 2600 RS. Richtig grosse Premieren waren aber nicht zu sichten.
Premierenrausch im Segment der teuren Sportwagen
Ganz anders als bei den günstigen Coupés und Sportwagen fand im Segment der hochpreisigen Coupés ein richtiger Premierenrausch statt.
Ferrari präsentierte den 365 GTC/4, Fiat das 130 Coupé, BMW zeigte den 3.0 CS, Maserati den Mittelmotorsportwagen Bora. Ford zeigte den GT 70, der aber nie wirklich in Produktion ging, Renault den Alpine-Renault A 310, der durch eine verglaste Lampenfront auffiel. Lamborghini stellte den Urraco mit quergestelltem Mittelmotor vor.
Als spezielles Highlight durfte der Prototyp des Lamborghini Countach LP 500 von Bertone gewertet werden, der in vielen Punkten den späteren Produktionssportwagen gleichen Namens vorwegnahm.
Angebote für Frischluftanhänger
Im Vergleich zu heute war das Cabriolet-Angebot von 1971 recht dünn, Peugeot trat aber immerhin mit zwei Fahrzeugen (304 und 504) an. BMW-Baur und Triumph mit dem Stag boten Sicherheits-Cabriolet mit Überrollbügel an.
Eine Weltpremiere war das bildhübsche Intermeccanica Indra Cabrio auf einem verkürzten Opel-Diplomat-Unterbau.
Die Qual der Wahl für den Salon-Besucher
Noch nie zuvor war die Auswahl an relevanten Fahrzeugen für einen potentiellen Käufer so gross gewesen. Da konnte einem schon schwindlig werden. Nicht nur galt es verschiedene Fabrikate und Baureihen auseinander zu halten, mehr und mehr gab es auch noch unterschiedliche Modelle und Austattungsvarianten innerhalb einer Baureihe. Der Interessent für eine familientaugliche und bezahlbare Limousine begann also bei Austin, schaute sich den Maxi 1500 MK II an, zog dann zu Morris weiter, um den 1100 Mk II zu begutachten, spazierte dann zum MG-Stand, um den MG 1300 Mk II probezusitzen.
Weiter gings dann bei Triumph, wo der neue Toledo 1500 TC lockte und dann zu Ford, wo mit dem Escort 1100 ein weiterer ernsthafter Kandidat wartete. Auch bei Vauxhall oder Sunbeam konnte man eventuell fündig werden.
Und jetzt hatte man erst die Engländer abgeklappert, dabei gab es auch bei den japanischen Herstellern Datsun, Toyota, Mazda und Honda preisgünstige Familienlimousinen und natürlich durfte man auch die arrivierten Platzhirsche von Audi, BMW, Opel, VW, Peugeot, Citroën, Renault, Fiat oder Lancia nicht vergessen.
So war schnell ein Tag um, die Taschen mit den Prospekten wogen schwer und die Erinnerungen an einzelne Fahrzeuge verblassten. Gut, dass es da noch die Fachzeitschriften gab, die einem halfen, das Erlebte aufzufrischen.
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