Ab den späten Fünfzigerjahren wurde Kunststoff als Basis für Karosserien (und mehr) vor allem für kleine Hersteller populär, da die Investitionen auch bei kleinsten Serien tief waren. So entstanden, abseits der bekannteren Marken wie etwa Lotus oder Alpine, eine Vielzahl verschiedener Fahrzeuge, die heute vielfach vergessen sind.

Mit dem Treffen “Fantastic Plastic” soll diesen Kunststoffautos eine Bühne gegeben werden, die Epochen, Länder und Baukonzepte verbindet und als gemeinsamen Nenner die Verwendung von Plastik beim Karosseriebau hat.

Am 30. Mai 2015 war es zum dritten Mal soweit. Im Verkehrshaus Luzern versammelten sich annähernd hundert Sportwagen und Limousinen aus Amerika, England, Spanien, Frankreich, Italien, Israel, Deutschland und der Schweiz, um gemeinsam einen erlebnisreichen und wettermässig begünstigten Tag zu verbringen.
Drei Programmpunkte
Während im Verkehrshaus die Coolness zählte, und das interessanteste Fahrzeug vom Publikum und den Teilnehmern gewählt wurde, ging es am Nachmittag um Navigationskünste, denn es galt zuerst die Oldtimermesse “Swiss Classic World” in Luzern zu finden. Dort wurden alle teilnehmenden Autos vor den Hallen aufgestellt, sehr zur Freude der Besucher der Messe. Danach galt es, das Aussenlager des Verkehrshauses in Rain anzusteuern, eine Übung, die bei einigen Teilnehmern zu Mehrkilometern führte.

Dort galt es dann noch einen Geschicklichkeits-Slalom zu absolvieren und zwar gleich zweimal mit möglichst tiefer und möglichst identischer Durchfahrtszeit.
Ehrenmarke Matra
2015 wurde die Marke Matra besonders geehrt. Obschon der französische Hersteller, der ursprünglich aus der Rüstungsindustrie kam, über viele Jahrzehnte Kunststoffautos baute, ist er heute weniger bekannt als mancher damaliger Konkurrent. Dies liegt daran, dass die späten und millionenfach hergestellten Fahrzeuge nicht unter dem Namen Matra sondern unter Renault (Espace, Avantime) verkauft wurden, obwohl die Entwicklung und die Produktion bei Matra erfolgten. Bekanntester Sportwagen der Marke ist der Bagheera, der mit seinem Maserati-Styling und den drei Frontsitzen eine Ausnahmestellung hatte, wegen seiner rostempfindlichen Struktur aber nur in kleinen Zahlen überlebt hat.
Besser gebaut war der eng verwandte Nachfolger Murena, von dem es auch heute noch eine grössere Zahl gibt.
Der erste Matra aber hiess Jet oder Djet und war im Prinzip das Erbe der übernommenen Kleinserienschmiede René Bonnet, weshalb die Autos anfänglich auch Matra-Bonnet hiessen. Der Jet/Djet war der erste in grösserer Serie gebaute Strassen-Mittelmotorsportwagen.
Auf ihn folgte der 530, der wiederum einen Mittelmotor, aber nun vier Sitze aufwies. Parallel zum Murena baute Matra auch noch den Geländewagen Rancho, der mit Kunststoffkarosserie und reinem Vorderradantrieb eine gar nicht schlecht verkaufte Ausnahmeerscheinung blieb.
Bezeichnenderweise war von jeder der Baureihen mindestens ein Fahrzeug vor Ort, nur ein Bagheera fehlte.
Der Showstar Sterling GT
Als Überraschungsgast trudelte im Verkehrshaus ein klassisches Showcar der Siebzigerjahre ein. Sie hiessen damals Nova GT oder eben Sterling GT und sie waren konsequent keilförmig gestaltet. Das Besondere aber war die Kuppel über Fahrer und Beifahrer, die sich von Hand oder elektrisch hochheben liess und beim Aussteigen der Besatzung für Beifall sorgt.
Dass unter der spektakulären Hülle einfache Volkswagen-Technik des Käfers steckt, nimmt man erst wahr, wenn der Motor gestartet wird.
Fast komplettes Marcos-Programm
Eines der grössten Markenkontingente stellte Marcos auf den Platz. Vom GT der Sechzigerjahre waren fast alle Bauvarianten vor Ort, dazu kamen einer der seltenen Marcos Mantis mit 2+2-Konfiguration, zwei Mini-Marcos und ein Mantula.

Marcos stellte auch den einzigen Wagentyp mit Holzchassis, während Rochdale den einzigen komplett, was Fahrgestell und Karosserie angeht, aus Kunststoff hergestellten Sportwagen bot.
Vergessene Marken
Unter den über 30 vertretenen Marken fand sich manche, die nur noch wenigen Autointeressierten geläufig ist. Bond, Ginetta, Ogle, Reliant, Sabra, Tornado, usw. Ihnen gemeinsam ist, dass sie (fast) alle (mehr oder weniger) aus England stammen.
Doch auch Deutschland baute Kunststoffautos in grosser Zahl, Trabant hiess das einfachste Auto und es war die Volksmotorisierung der DDR. In Luzern kam ein P50 mit angehängtem Wohnwagen, natürlich aus Kunststoff.
Seltener Panhard CD
Kein Auto am Treffen 2015 war langweilig oder wie Tausende andere, ganz besonders traf dies aber für den Panhard CD aus dem Jahr 1964 zu. Der 14. von weniger als 200 produzierten CDs zog die Aufmerksamkeit nicht nur wegen seiner Formgebung auf sich. Auch der Klang des luftgekühlten Zweizylinder-Boxers erinnerte mehr an 2 CV als an einen Sportwagen. Doch der CD sollte nicht unterschätzt werden, in Le Mans siegte der Wagen in seiner Klasse, gewann den Performance-Index, erreichte auf der Hunaudières 204,8 km/h und dies mit 701 cm3 Hubraum.
Die Serienversion lief dann rund 180 km/h und wenn Tuner Hampe den Motor noch etwas mehr auf Touren brachte, wie beim in Luzern anwesenden Exemplar, dann lief der knapp über 600 kg schwere Sportwagen noch schneller.
Besitzer Mettler hat den Wagen im Griff, dies bezeugte auch sein Sieg im Geschicklichkeits-Slalom, den er zweimal mit 12 Hundertstel Differenz durchfuhr und dies in der viertschnellsten Zeit, gegen Konkurrenten wie Lotus Elise, Alpine A110 und Ginetta G4.
Und ein Enzmann
Kunststoff war auch das Material, das Dr. Emil Enzmann nutzte, als er in den Fünfzigerjahre seinen Sportwagen auf VW-Basis entwickelte. Diese Wagen wiesen keine Türen auf, man stieg einfach über die Flanke. Die Volkswagen-Plattform wurde weitgehend unverändert übernommen, eine elegant geformte GFK-Karosserie mit vielen interessanten Ideen sorgte für mehr Geschwindigkeit.
Die Teilnehmer jedenfalls entschieden sich im Concours of Coolness für den roten Enzmann 506.
Bei der Publikumswahl wurde der gelbe Lotus Europa Special von 1973 als Coolster ausgezeichnet.
Achillesferse Elektrik
Kunststoff leitet keinen Strom, entsprechend werden gerade diese Fahrzeuge häufiger als andere von Elektrikpannen heimgesucht, da statt der leitenden Karosserie Kabelverbindungen für Plus- und Minuspol zu den Verbrauchern geführt werden müssen. So erstaunt es denn nicht, dass mehrere Teilnehmer auf der Anfahrt die Hilfe des Pannendienstes in Anspruch nehmen mussten, allerdings häufiger wegen defekter Stromerzeugung als fehlender Leitfähigkeit. Nicht alle konnten die Fahrt bis Luzern fortsetzen, so blieben einige spannende Autos dem Treffen schliesslich fern. Aber vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal, denn auch 2016 soll es wieder ein Fantastic Plastic geben.
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