Einmal jährlich treffen sich Besitzer historischer Citroën-Renn- und Rallyeautos sowie sportlicher Straßenvarianten in Frankreich, um sich ein Wochenende lang auf einer Rennstrecke austoben zu können. Der "Circuit du Bourbonnais" nahe Moulins war im Juli 2014 Schauplatz der neunten Auflage der Veranstaltung "C itroracing Historique" .
Spass haben
„Die Idee entstand vor etwa zehn Jahren. Ich wollte mich einfach mal mit anderen Besitzern von sportlichen Citroën treffen und zusammen auf einer Rennstrecke Spass haben. So entstand 2006 die erste Veranstaltung statt, damals auf der Stecke von Lurcy-Levis“, erzählt Bruno Jammes aus Toulouse. Zusammen mit seiner Familie, nicht zuletzt auch Bruder Vincent, der eine Kfz-Werkstatt betreibt, ist Jammes die treibende Kraft hinter "Citroracing Historique".
“Auch in Montlhéry sind wir schon gefahren, aber der "Circuit du Bourbonnais" hat sich als sehr geeignete Rennstrecke erwiesen. Es gibt relativ grosse Auslaufzonen, das Fahrerlager ist schön kompakt und die Atmosphäre ist gut. Über die Jahre haben wir einen großen Stamm von festen Teilnehmern aufgebaut. Dieses Jahr waren es über 60, wir hatten auch schon mal fast 80“, berichtet er. „Es ist wie eine große Citroën-Sportfamilie.“
Madame Rennsport
Das bestätigt auch eine ältere Dame, die im kleinen Fahrerlager des "Circuit du Bourbonnais" herumläuft, sich mit grossem Interesse die Fahrzeuge anschaut und sich begeistert mit den Anwesenden unterhält. Es ist Marlène Wolgensinger, die 1971 nach dem Tod ihres Ehemannes René Cotton dessen Position als Sportdirektor bei Citroën übernahm und so die erste Frau weltweit in einer solchen Funktion wurde.
Sie war für den erfolgreichen Ausbau der „Formule Bleue“-Rennserie mit den MEP-Formelautos verantwortlich und initiierte auch die ersten Rallye-Einsätze mit dem CX, der vor allem bei Langstreckenrallyes in Afrika Erfolge feierte. „Toll, dass sich auch heute noch viele Menschen so engagiert um den Erhalt der Autos von damals kümmern und sie auch auf der Rennstrecke einsetzen“, sagt sie begeistert.
MEP-Formelautos
Die MEP-Formelautos, Mitte der sechziger Jahre vom rennsportbegeisterten Citroën-Händler Maurice Emile Pezous aus Albi entwickelt, waren im französischen Rennsport ein großer Erfolg. Die frühe Version X2 mit Panhard-Motor und das Nachfolgemodell X27 mit Citroën-GS-Antrieb eröffneten vielen ambitionierten Fahrern einen relativ kostengünstigen Einstieg in den Motorsport. Citroën und Michelin sowie zunächst BP und später Total unterstützten das Projekt mit Preisgeld, Werbung und PR-Massnahmen.
Insgesamt wurden zwischen 1968 und 1975 über 100 Autos gebaut, von denen auch heute noch viele fahren. Bei "Citroracing Historique" sind viele im Einsatz. „Wir freuen uns immer über diese Gelegenheit“, erklärt Stefan Vermeyns aus dem belgischen Leuven, der zwei MEP X27 besitzt und einsetzt. „Ansonsten fahren wir bei historischen Rennveranstaltungen schon mal mit alten Formel Ford zusammen, aber die sind in der Regel schneller. Hier fahren wir alle ungefähr gleich schnell, so dass es viel sicherer ist, und dadurch auch viel mehr Spass macht.“
Bunt gemischtes Fahrzeugfeld
Die Formelautos fahren auf dem "Circuit du Bourbonnais" mit älteren DB-Fahrzeugen zusammen, die ebenfalls über Panhard- oder Citroën-Antrieb verfügen. Andere Fahrzeuggruppen der Zweitagesveranstaltung sind für sportliche Pkw aus den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahre augerichtet (Visa, GS und BX, aber auch ältere Panhard) sowie für modernere sportliche Citroën (AX, Saxo und Xsara).
„Wir versuchen, den Teilnehmern soviel Fahrzeit wie möglich zur Verfügung zu stellen“, so Veranstalter Bruno Jammes. „Wir fangen morgens früh an und fahren in Sessions von 20 Minuten bis in den späten Nachmittag. Natürlich lässt der eine oder andere auch mal eine Session aus.“
Das ist vor allem am Sonntag Nachmittag der Fall, wenn einsetzender Regen die meisten Teilnehmer dazu veranlasst, etwas vorzeitig die Rennautos auf die Anhänger zu verladen und die Heimfahrt anzutreten. Bis dahin aber nützen die Citroën-Liebhaber die Gelegenheit, viele Runden auf der Strecke zu drehen.
„Sehr französisch hier“
Die Teilnehmer kommen teilweise von weit her. Der Niederländer Kees de Waard Wagner etwa nahm mit seiner Frau eine über 1000 Kilometer lange Anreise in die Mitte Frankreichs in Angriff: „Ich bin zum dritten Mal mit dabei“, sagt der Besitzer eines 115 PS starken Citroën Visa GTI, welchen er speziell für den Einsatz auf der Rundstrecke angepasst hat. „Ich fahre das Auto nur bei sogenannten "Track Days", wie eben dieser Veranstaltung“, sagt er.
De Waard Wagner ist zusammen mit einem niederländischen Landsmann mit einem Panhard sowie einigen belgischen Teilnehmern mit MEP-Formelautos einer der wenigen Nicht-Franzosen bei der Veranstaltung. „Ansonsten ist das alles schon sehr französisch hier, aber im Laufe der Jahre haben sich auch viele Bekanntschaften ergeben. Irgendwie kann man sich immer verständigen. Wir kommen immer gerne hierher“
Savoir vivre
Am Samstag Abend gibt es im Gebäude des neben der Rennstrecke gelegenen Sportflughafens ein Viergänge-Menü für alle Teilnehmer. Auch das hat die Familie Jammes organisiert, inklusive dem selbst mitgebrachten Wein.
Nach dem Essen werden einige historische Citroën-Sportfilme gezeigt, darunter ein Dokumentarfilm über die legendäre "Trophée Visa Féminin", in der im Jahr 1984 nicht weniger als 30 Damen mit identischen Citroën Visa in der französischen Rallyemeisterschaft an den Start gingen.
Mit Sylvie Seignobeaux, Christine Bellim und Muriel Gervais sind drei Teilnehmerinnen von damals vor Ort. Seignobeaux hat sogar den allradgetriebenen Visa Mille Pistes mitgebracht, mit dem sie 1985 in der französischen Meisterschaft fuhr. „Eine tolle Zeit war das damals, Citroën hat uns sehr viel ermöglicht“, erklärt sie rückblickend.
Ex-Werksfahrer zu Besuch
Der ehemalige Citroën-Werksfahrer Patrick Lapie, der 1981 mit einem CX die "Rallye Mille Pistes" gewann, besucht am Sonntag die Veranstaltung. „Ich war vor drei Jahren schon mal hier. Toll, wie diese Menschen die Sporthistorie der Marke lebendig halten. Ich selbst habe grossartige Erinnerungen an meine Zeit mit Citroën. Ich kam über den 2CV-Cross in den Motorsport und bestritt dann Rallyes mit einem GS. Daraufhin hat mich Citroën zu einigen Werkseinsätzen verpflichtet, aber die Aufträge kamen immer von Rallye zu Rallye, ein festes Saisonprogramm gab es nicht. So wurde ich dann auch kein Berufsfahrer, ich lebte von meiner Tätigkeit als Ingenieur und freute mich, dass ich mal die Gelegenheit zum Fahren bekam.“
Den Sieg bei der stark besetzten "Mille Pistes" 1981 schätzt Lapie als seinen grössten Erfolg. Ein Talent für schnelles Autofahren hat der Franzose noch immer. Das zeigt er, nachdem ihm Veranstalter Bruno Jammes für einige Runden auf der Rennstrecke seinen Visa Chrono zur Verfügung gestellt hat. Mit einem breiten Grinsen steigt Lapie wieder aus. „Sowas verlernt man halt nicht“, so Lapie.
Nach seinem Einsatz scheint er auf den Geschmack gekommen zu sein. „Vielleicht soll ich auch mal nach einem klassischen Citroën-Rallyeauto Ausschau halten“, sagt er. „Womöglich fahren ich dann im kommenden Jahr selbst mit.“ Wo die zehnte Auflage der "Citroracing Historique" 2015 stattfindet, ist noch offen. „Es kann sein, dass es eine große Überraschung gibt“, kündigt Veranstalter Bruno Jammes an „Ansonsten sind wir hier auf dem "Circuit du Bourbonnais" recht gut aufgehoben.“