„In Bremen startet die Oldie-Saison“: Dieser Spruch ist mittlerweile eine Art geflügeltes Wort unter deutschen Liebhabern der zwei- und vierrädrigen Veteranen. Kein Wunder: Seit der Erstauflage im Jahr 2003 hat sich die Altblech-Börse und -Messe in der norddeutschen Metropole fest im Kalender etabliert – am letzten Januar- oder ersten Februar-Wochenende eines jeden Jahres und damit praktisch als Startschuss in die jeweils folgende Klassiker-Saison.
Stimmungsbarometer
Damit gilt die BCM, wie sie längst im Jargon heißt, nach dem Winterschlaf der Szene vor allem als erstes wichtiges Stimmungsbarometer für Nachfrage, Umschlag und Preisgefüge angejahrter Fahrzeuge für die kommenden Monate. Wie werden sich heuer die Angebote, Preise, Interessenlagen entwickeln?, lauten alljährlich die spannenden Fragen, die sich in Bremen recht zuverlässig beantworten lassen – und zwar mittels eines Live-Erlebnisses und ohne zweifelhafte Sehhilfen wie geputzte Kristallkugeln und trügerische Auguren.
Meist gut erreichbar
Verkehrstechnisch ist der winterliche Termin nur selten ein Problem: Dank der Nähe zur Nordsee und den dortigen milden Ausläufern des Golfstroms wird die historisch bedeutende Seefahrerstadt an der Weser nur relativ selten von Eis und Schnee heimgesucht.
Anreisende Aussteller und Besucher können sich mithin allenfalls über Sturm und entsprechend quer peitschenden Regen ärgern; mal abgesehen von den verstopften Zufahrtswegen in Richtung Messegelände, zumindest während der heftigen Stoßzeiten am Freitag- und Samstagvormittag.
Vice versa gilt: Wer gemütlich durch die acht großen Messehallen schlendern will, ohne sich vom langsam quellenden Menschenstrom hilflos durch die Gänge spülen zu lassen, kommt am besten am Samstagnachmittag. Oder gleich am Sonntag. Dann herrscht Ebbe, wie man an Deutschlands Küstenstrich sagt – dummerweise aber auch an manchem Autoteile- und Auto-Verkaufsstand, der freitags zuvor noch ein volles Warensortiment präsentieren konnte. Selbiges gilt für den Fachbereich klassische Motorräder; in dieser Disziplin übrigens gilt die BCM als größte Messe Europas.
- Veranstalter (ohne Reisen)
An der Kapazitätsgrenze
Um zur Quintessenz zurückzukehren: Wie war sie denn nun, 16. Bremen Classic Motorshow vom 2. bis 4. Februar 2018? Oder – Stichwort Stimmungsbarometer – anders und konkreter gefragt: Mit welchen Entwicklungen des Mikrokosmos rund um halb und ganz alte Fahrzeuge können wir anno 2018 rechnen?
Nun, mit 661 Ausstellern aus zehn Länder (die meisten kamen aus Dänemark, Schweden, Großbritannien und vor allem den Niederlanden und natürlich Deutschland) sowie rund 100 präsentierten Clubs bekamen die Bremer Messemacher ihre 47.000 Quadratmeter in acht Hallen einmal mehr bis an den Rand aller Kapazitäten.
Leichter Besucherrückgang
Aber es hätten mehr Besucher sein können: Der Durchschnitt der vergangenen Jahre, nämlich 42’000 bis 45’000, wurde leicht verfehlt – etwa 41’000 zahlende Gäste gingen diesmal durchs Zählwerk. Inwieweit daraus ein allgemeiner Interessenschwund abzulesen ist, müssen jetzt genaue Analysen klären.
Fakt ist, dass der gleichsam etablierte Bremer Samba-Karneval heuer am selben Wochenende stattfand, wodurch wichtige Zuflussadern zur Messe stundenlang blockiert waren. Wovon auch der Radio-Verkehrsfunk kündete.
Solider Verkaufsergebnisse
Die Fahrzeugverkäufe der ausstellenden Händler sollen stabil bis positiv gewesen sein, ohne jedoch die bisweilen euphorische Goldrauschstimmung der letzten beiden Jahre zu reflektieren. Dazu passt, dass nach mehreren Saisons unüberschaubarer Porsche-911-Massen diesmal nur wenige Exemplare des deutschen Sportwagen-Klassikers offeriert wurden. Möglich, dass mit der Saison 2018 eine gewisse Marktberuhigung eintritt.
Eine Marktschwäche lässt sich anhand der Bremer Erfahrungen zumindest nicht bemäkeln: Noch immer gehen Brot-und-Butter-Klassiker für stattliche Summen in Besitzerhände derer, die nach langer, intensiver und kompetenter Suche die fällige Abschlussfreude zeigen. Und selbst in höheren Preissegmenten waren nur wenige Standuhren zu bedauern.
Sympathiehoch
Unabhängig von den Verkaufsergebnissen bleibt festzustellen, dass die Bremen Classic Motorshow in der Gunst der Aussteller und Besucher ganz oben rangiert – wohl keine andere deutsche Oldtimer-Messe erfreut sich einer derart positiven Reputation und ähnlich beständiger Sympathiewerte. Was verschiedene Ursachen hat.
Die Händler loben das sachliche Interesse ihrer Kaufkandidaten; laut gängigem Klischee „schnackt“ der trockene Norddeutsche nicht viel, es gibt also nur geringe wichtigtuerische Schaumbildung.
Engagement und echte Erlebnisse
Jenes Publikum indes lobt die BCM vor allem für die ungewöhnlich große Mühe, die sich die städtische Messegesellschaft alljährlich gibt, um die Menschen beständig zu begeistern. Tatsächlich engagieren sich die Bremer erheblich mehr als die meisten ihrer Konkurrenten, den Besuchern echte Erlebnisse zu bieten, sei es durch den privaten Oldtimer-Automarkt im leider sehr zugigen, unangenehm kalten Parkhaus, wo sich einmal mehr gut 250 Klassiker ein Stelldichein gaben.
Oder mit der Sonderschau, die traditionell Johannes Hübner, die Stimme des Oldtimer-Grand Prix am Nürburgring, mehrmals täglich moderiert.
Vom Keil zum Granturismo
Vorletztes Jahr stand diese Sonderschau etwa unterm Motto „Die 70er – einfach Keil“, wobei Exponate wie der BMW-Turbo-Flügeltürer von 1972 oder der Mercedes-Benz C-111 Begeisterungsstürme entfachten.
2017 waren es die unbekannten und vergessenen Schätze des Karossiers Karmann, der im nahen Osnabrück ansässig war – jene teils spektakulären Schaustücke, überwiegend Einzelstücke, reichten vom 1909er Dürkopp 10/24 PS Doppelphaeton bis zum Opel Manta Cabriolet von 1971.
Anno 2018 ging es thematisch um die Hochkultur der Schnellreise-Mobile aus der Ära, als Tempo 200 noch ein feste Währung war und exponierter Wohlstand automobilen Stil artikulierte.
„Gran Turismo 2+2 – Jet-Set für die Straße“ hieß diese Sonderschau, und sie hatte es einmal mehr in sich: Zwölf hoch- und höchstkarätige Hochgeschwindigkeitsklassiker mit mehr oder weniger engen Notsitzen in Reihe zwei ließen die Besucher schwelgen, mancher „Best-Ager“ freute sich wie ein Drittklässler, die Autoquartett-Traumautos seiner Jugend erstmals live, in farbe und im direkten Vergleich bestaunen zu dürfen.
Schnittige Formen, kräftige Motoren
Als Ikone dieser Ausstellung fuhren die Bremer einen Monteverdi High Speed 375 L aus der Schweiz auf – das Modell mit dem rekordverdächtigen Hubraum von 7,2 Litern, das der gemeine Norddeutsche bestenfalls aus den Kartenspielen kennt, die damals auf dem Pausenhof zirkulierten. Ehrensache, dass der Monteverdi auch die Plakatierung der BCM 2018 schmückte.
Weitere High-Speed-Highlights: der „Queen-Mary-Ferrari“ 365 GT 2+2, ein sehr früher Lamborghini Espada, ein Glas/BMW 3000 V8, einer von nur 99 gebauten Gordon-Keeble GK 1 – und der Citroën SM, mit dem KPdSU-Chef Leonid Breschnew stets seiner Wolga-motorisierten Leibgarde entkommen sein soll.
Lieber zufriedene Besucher als übervolle Kassen
Während sich der Besucher über solcherlei Höhepunkte freut, weiß der Aussteller genau, woher die Bremer Rührigkeit rührt: Es ist das Team um den BCM-Projektleiter Frank Ruge, einen Mann der ersten Stunde, der sich seit 2003 praktisch um alle Exponate und jeden Exponenten so persönlich wie aufopfernd kümmert. Auch wenn es leicht “sossig” klingt: „Mister BCM“ Ruge und seine fleißigen Mitarbeiter präferieren die Zufriedenheit des zahlenden Volkes – auf Aussteller- wie auf Besucherseite – vor dem Füllstand der eigenen Kasse, wie es scheint. Hört sich pathetisch an, ist aber logisch: Nur wenn die Zahlmeister zufrieden sind, erfreut sich der Kapitän ruhigen Fahrwassers. Ein sehr norddeutscher Grundsatz, den manch anderer Veranstalter großer deutscher Oldtimer-Messen mal in einer ruhigen Stunde verinnerlichen sollte...
Und so steht es für die meisten Menschen, die die BCM 2018 vorm und hinterm Teiletresen erlebten, schon jetzt fest, dass sie 2019 wieder an die Weser kommen – auch wenn es diesmal keine Umsatzrekorde regnete. Denn hier, in der Hansestadt Bremen, weiß man, was man hat: bodenständiges Publikum, das die breite Szene-Basis abbildet, anstatt Myriaden klebriger Luxus-Investoren, erdige Gebrauchtteile-Wühltische anstatt High-End-Messestände selbsternannter Premium-Häuser. Vor allem, wie der Pressetext sinngemäß, aber ohne jede Übertreibung verkündet, nicht nur den Auftakt zur neuen Oldtimer-Saison. Sondern auch deren ersten echten Höhepunkt.
Auf einen virtuellen Rundgang lädt die umfangreiche Bildergalerie ein ...
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Danke an Hernn Blaube für die schönen Fotos. Nur noch ein Hinweis zu Bild (73/88): Der Messerschmitt-Club zeigte nicht seine Restaurierungsarbeiten, das sollte ein Fließband der Herstellung zeigen.