“Werbung tut not.“ Darüber war man sich bei der in Ingolstadt neugegründeten Auto Union bewusst. Entscheidenden Einfluss auf den Aufbau und die Einrichtung der Werbeabteilung hatte der Marketingspezialist Carl Hahn, der insbesondere in den frühen Fünfzigerjahren prägend auf die die Absatzstrategien von DKW einwirkte.
Mit dem Buch „Auto Union DKW – Im Spiegel der Werbung von 1949 bis 1966“, nimmt sich DKW-Nachkriegskenner und Audi Tradition-Historiker Ralf Friese der bilderreichen und kunstvollen Werbung der Auto Union aus den ersten zwei Jahrzehnten an.
Prospekte sammeln
Wie sich die Zeiten ändern. Noch billiger als Briefmarkensammeln ist das Prospekte sammeln. Aber es bald wird es wohl der Vergangenheit angehören. Bestenfalls digital sind die konzeptionell und gestalterisch prägenden Vermarktungsunterlagen vielleicht noch als Download zu bekommen. Wie anders war das noch im vergangenen Jahrhundert? Autohäuser, Händler, Werkstätten, sie schmückten die kargen Ausstellungsräume und Verkaufstresen mit den bunten Prospekten, Foldern, Preislisten und Kundenwerbemassnahmen. Der Kaufvertrag wurde oft genug im Abgleich mit der Kombination Prospekt/Preisliste am Schreibtisch des Verkäufers um die Budgetgrenzen ausgelotet.
Heute dagegen, gibt es den Konfigurator, da sieht man gleich am Bildschirm, was man gerne für sein Geld bekommt. Online steht man der Marke seiner Wahl genauso nah wie dem Chat mit den eigenen Kindern. Bei den Pressemappen hat das gedruckte Exemplar längst ausgesorgt. Dabei sind Prospekte als Ausdruck des Zeitgeistes und Selbstverständnisses einer Marke und seiner Produkte Kulturgüter des Alltags und des Konsums.
Feuerwerk
Der Autor Ralf Friese zeigt in seinem gut 150-seitigem Bildband, wie die Auto Union seit 1949 bis 1966 für seine Zweitaktprodukte, die unter dem Markennamen DKW verkauft wurden, geworben hat. Dabei hat er fast ausschliesslich auf seine eigene Prospektsammlung zum Thema DKW Automobile zurück gegriffen. Motorräder kommen bestenfalls in Kombination mit den Vierrad-Fahrzeugen vor.
Das Buch gliedert sich in die Kategorien der Modellpalette der Auto Union: Personenwagen, Geländewagen und Lieferwagen und ist jeweils chronologisch sortiert. Wobei die Personenwagen ca. 2/3 des Umfangs ausmachen.
Meistens beschränkt sich die Darstellung eines einzelnen Prospekts auf die Abbildung des Covers, selten werden Folgeseiten gezeigt. Jedem Kommunikationsmittel ist ein begleitender kurzer, beschreibender Text zugeordnet. Spannend wird es immer dann, wenn Friese mit seinem Fachwissen ausholt und den Leser auf die Besonderheiten des Prospekts aufmerksam macht. Das reicht von einfachen Hinweisen auf grafische Unterschiede, bis zur Typengeschichte, die die Aufmachung des entsprechenden Prospektes aus einer anderen Perspektive plausibel macht. So blättert und liest man sich nicht nur durch das DKW Produktportfolio, sondern auch durch die Unternehmensgeschichte und Ausflüge in so manche Hintergrundinformation.
Aufmerksamkeit trotz Sparsamkeit
Die Auto Union begann nach dem Krieg mit leeren Hosentaschen. Vom sächsischen Erbe waren nur die Ideen des grossen DKW und des Motorrades für den kleinen Mann geblieben. Beide stellte die Auto Union unter barmherzigen Bedingungen in Ingolstadt und Düsseldorf auf die Räder. Nicht ohne dabei mit dem Schnellaster die erste echte Neukonstruktion in Deutschland nach dem verlorenen Krieg zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen der westdeutschen Realität messen liess.
Knappe Kasse und entsprechende Zukunftsaussichten zwangen die Auto Union, die unter einer kostenintensiven Fertigung litt, sparsam mit Marketing- und Vertriebskosten umzugehen. Das spiegelt sich in den Werbebroschüren wieder. Kleinformate, Seitenumfang und Illustrationen spiegeln die Bedingungen der Auto Union auf der einen Seite und die zu weckenden Bedürfnisse auf der Kundenseite wieder.
Interessant wird diese Reise in die Zeitgeschichte, wenn man sie vergleichend betrachtet und sein Augenmerk auf die Absichten der Auto Union Marketing-Abteilung richtet. Frühe Prospekte prägt noch der Duktus und der Stil aus der dunklen Vergangenheit, während es im Wirtschaftswundersog dann bunter und lebensfreudiger zugeht.
Personenwagen sind repräsentativ, Geländewagen immer einsatzbereit und die Lieferwagen immer praktisch. Der Flair orientiert sich an den Massstäben der Zeit. America was great und damit das Vorbild bei der Aufmachung. Beim 1000 Sp sogar bis zum Produktdesign.
Die Auto Union und der Zweitakter
Vor dem Krieg bot die Auto Union eine Produktpalette vom einfachen Zweitakter bis zum luxuriösen 8-Zylinder an. Bei der Wiedergeburt der Auto Union war Bescheidenheit das Gebot der Stunde. Die Auto Union setzte auf Zweitaktpragmatismus und Frontantriebstechnik, weil sie glaubte, der bestehenden Kundschaft nichts anderes verkaufen zu können, selbst wenn modernere Konstruktionen in Entwicklung den Weg zur Serienreife anstrebten.
Ein Festhalten, dass der Marke DKW den Hals brach. Der Fortbestand des Unternehmens war ja nur dem konsequenten Eingreifen einiger weniger leitenden Mitarbeiter, die mit viel Geld aus den Kassen von Mercedes und später von VW noch das Ruder rumwarfen und aus dem DKW F 102 den Audi F 103 mit Viertakter machten. Umso erstaunlicher, wie man bei DKW das Mantra des frontangetriebenen Zweitakters bis zum Schluss runter betete. Wohl auch aus Verzweiflung vor der übermächtigen Konkurrenz - allen voran die des Käfers.
Werbung im Rückspiegel
Wer sich für die Geschichte von DKW und der Automobilwerbung interessiert, ist mit Frieses Werk bestens bedient. Die strenge, zurück genommene Aufarbeitung des Themas behandelt alle vorgestellten Werbemassnahmen weitgehend neutral und gleichberechtigt und führt zum oben genannten Abriss der Kulturgeschichte. Eine gewisse Nähe zur Unternehmensgeschichte der Auto Union als Hintergrund schadet in diesem Fall keineswegs.
Und auch wenn der Begriff der Kultur- oder Alltagsgeschichte hier mehrmals fällt, dem Autor geht es nicht darum. Er zeigt die Fülle an Prospekten hier in seiner ganzen Breite und Fülle, ohne allerdings in eine kommentierende oder gar analysierende Tiefe zu verfallen. Was angesichts des Umfangs auch nicht verwundern kann, aber bedauert werden darf: Wer Ralf Friese und seine Eloquenz kennt, weiss, worauf man hier verzichten muss. Trotzdem erhält der Leser für € 29,90 eine sehr gut gemachte Aufarbeitung eines Kapitels aus der Automobilgeschichte, die sonst eher stiefmütterlich behandelt wird. Und das mit einer dokumentarischen Ausgewogenheit, die zumindest in den Texten wieder ein wenig Subjektivität aufblitzen lässt. Friese ist schliesslich ein DKW-Mann. Mit Leib und Seele und mit der Zunge.
Bibliografische Angaben
- Titel: Auto Union DKW Im Spiegel der Werbung von 1949 bis 1966
- Autor: Ralf Friese
- Verlag: Delius Klasing Verlag
- Auflage: 1. Auflage 2017
- Format: 238 x 272 mm, gebunden mit Schutzumschlag
- Umfang: 160 Seiten, 339 Farbabbildungen
- ISBN: 978-3-667-10913-2
- Preis: € 29,90
- Bestellen/kaufen: Online bei amazon.de , online beim Delius Klasing Verlag oder in der gut assortierten Buchhandlung