»Du bist ein Oasch!«, hörte ich, blickte rechts, aber da war niemand ... der Mitfahrer war in den Fußraum geflüchtet. Er wollte nicht sehenden Auges in die Katastrophe. Was war geschehen? Ein LKW-Zug hatte vor mir wie ein störriges Pferd ausgeschlagen. Soll in den besten Familien vorkommen.
Der »Koffer« hatte mich übersehen ... mich im riesigen Shelby-Mustang mit Siebenliter-Vau-Acht. Was genau unter der Motorhaube brummte, hatte mich noch nie interessiert, Hauptsache das Ding schob erbarmungslos an. Dieses tat der US-Donnerbolzen ausreichend ... vielleicht zweihundert, dreihundert Pferde.
Das geile Kraftwerk hatte für damalige Verhältnisse ordentlich »Schmalz« (Kraft) verpackt. Zum Vergleich: Der »Neinöfa-Pörschl« (Wiener Dialekt für Porsche 911) hatte gerade mal einhundertsechzig Pferde und galt auf der schnellen Meile zwischen Grinzing und »dem Ersten« (Erster Bezirk, Wiener Innenstadt) als das »closest thing to a racecar«.
Zur Sache - Ort der Handlung: Westautobahn, ab Strengberge das berühmte Bergabstück in Fahrtrichtung Linz, während der sechziger Jahre das schnellste Stück der Zweiten Republik. Die Amis hatten den Salzsee in Bonneville, Österreich den Strengberge-Downhill auf der »West«.
Der größte Ford-Händler Österreichs, Ford-Hinteregger - am Dach eine protzige Weltkugel, nach der Pleite war sie weg ... also der Wiener Ford-Händler hatte meinem Co, damals bereits ein berühmter Formel-1-Rennfahrer ... ja, erraten, es war Karl Jochen Rindt ... der mit der eingedrückten Nase einen riesigen in hellblau lackierten Shelby-Ford-Mustang geborgt.
Jochen war gerade per Flieger von England gekommen und bis nachmittags sollten wir am »Salzburgring« sein. Zehn brandneue Formel-Lotus-Ford warteten auf einen »Shake-Down«.
Ein Steirer
Der, der da erzählt, heisst Erich Glavitza, genauer gesagt Dr. Erich Glavitza. Woher er den Doktor hatte, wird im Buch “Vollgas oder Nix - meine wilden 60er mit Rindt, McQueen, James Bond” nicht erörtert. Aber dass er da auf dem Einband steht, der Doktortitel, erinnert einen daran, dass der Glavitza ein Österreicher ist, ein Steirer, um genau zu sein. Als wäre dies nicht sowieso klar, wenn man die erste Seite gelesen hat (siehe oben).
Jedenfalls, den Glavitza kennt heute kaum noch jemand, obwohl man ihn vermutlich schon oft gesehen, wenn auch nicht erkannt hat. Denn er fuhr immer da mit, wo “Action” geboten wurde, etwa im James-Bond-Streifen “On Her Majesty’s Secret Service” oder im Rennfilm “Le Mans”.
Glavitza ist ein Mann mit Benzin im Blut, und zwar richtig hochoktanigem. Er hat das Autofahren von der Pike auf gelernt und zwar nicht auf der Kartpiste, sondern den kurvigen Strassen der Steiermark. Allerdings versteht er nicht nur gekonnt am Lenkrad zu drehen, er kann’s auch herrlich beschreiben und zwar so, als hörte man ihm beim Reden zu, wenn man seine Zeilen liest. Super, oder “supa”, wie er selber wohl sagen würde.
Von Filmen …
Vermutlich hätte Glavitza viel mehr zu erzählen, aber auf den rund 280 Seiten im bei McKlein erschienen Buch konzentriert er sich auf einige wenige Jahre und in denen wirkte er u.a. bei den zwei erwähnten Kinofilmen mit. Da erfährt man dann aus einer gänzlich anderen Perspektive, wie diese “Blockbusters” entstanden sind, hört Glavitza zu, wie er den Ford-Boss dazu überredete, eine ganze Horde Ford Escort für einen Zweiminuten-Szene im James-Bond-Film zur Verfügung zu stellen.
Natürlich findet man auch manche kaum bekannte Anekdote aus dem Leben der Schauspieler und Produzenten zwischen den beiden Buchdeckeln.
… und Rennfahrern
Glavitza war aber nicht nur bei Dreharbeiten zuhause, sondern auch im Motorrennsport. Er und Jochen Rindt waren gute Freunde und so spielte der Steirer auch im Motorsport eine Rolle, wenn auch oft eine beobachtende und beschreibende. Wobei, er fuhr auch selber mit und oftmals ganz an der Spitze. Natürlich erfährt man auch hier manches “Schmankerl”, auch wenn nicht alles immer so lustig war, wie’s jetzt klingen mag. Ein gewisser Fokus auf Österreich ist natürlich da, aber nicht nur.
Schliesslich kommen auch die Frauen nicht zu kurz, wenn auch aus einer ziemlich männlichen Perspektive heraus.
Packende Erzählkunst
Obwohl es im Buch viele vermutlich noch kaum je gezeigte Bilder hat, ist der Band primär ein Lesebuch. Die Bilder sind eher Garnitur und daher nur selten grösser als eine Viertelseite (Ausnahmen bestätigen die Regel). Aber das macht Sinn, denn es geht ja um die Erzählungen, um die kleinen Einschübe, um Anekdoten und Erinnerungen. Und da zieht Glavitza vom Leder, dass es nur so kracht. Humor ist da garantiert, nicht ganz jugendfreie Bemerkungen genauso. Das Resultat ist so unterhaltend, dass man das Buch fast nicht mehr weglegen kann. Daher die Empfehlung: Nicht aufs Nachttischchen legen, sonst setzt es am nächsten Tag Müdigkeit bis zum Umfallen.
Ach ja, der Preis: EUR 34.90 ist natürlich schon eine Menge Geld, in Schilling wären der Betrag damals sogar fast schon vierstellig geworden. Aber wer sich für Film und Rennsport, am besten in Kombination, interessiert, der sollte zugreifen. Er wird es nicht bereuen.
Bibliografische Angaben
- Titel: Vollgas oder nix - Meine wilden 60-er mit Rindt, McQueen und Bond
- Autor: Dr. Erich Glavitza
- Sprache: Deutsch
- Verlag: McKlein Publishing
- Auflage: 1. Auflage 2018
- Format: Gebunden, 17 x 24 cm
- Umfang: 288 Seiten, 140 Schwarzweiss- und 25 Farbfotos
- ISBN: 978-3947156115
- Preis: EUR 34.90
- Kaufen/bestellen: Online beim amazon.de , online im RallyeWebShop von McKlein oder im einschlägigen Buchhandel
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