Wer kennt sie nicht? Die Studien, die Concept Cars, die auf Automobilmessen als Highlights einer Marke im Mittelpunkt stehen und sich meist auf Drehtellern mit hübschen Ladies dekoriert im Scheinwerferlicht den Blicken der Besucher preisgeben. Einigen dieser Unikate der Automobilwelt hat Jürgen Pander ein Buch gewidmet. „Einmalig!“ versucht die Gattung der skurrilsten Concept Cars der Welt unter einem Buchdeckel zu vereinen. Ob ihm dies wohl gelungen ist?
Eine komplexe Thematik
Vorausschickend muss man feststellen: Wer sich schon mal mit der Geschichte von Concept Cars, oder Studien wie sie früher hiessen, beschäftigt hat, der weiss, welche komplexe Geschichte sich dahinter befindet. Das hat etwas mit der grundsätzlichen Geschichte des Auomobildesigns zu tun und wer dafür verantwortlich war. In aller Kürze: Die professionelle Gestaltung hielt in den Dreissigerjahren parallel zur Serienfertigung (Fliessband) Einzug in den Automobilbau, in den USA sogar schon ein wenig früher.
Diese Entwicklung setzte sich dann in den Fünfziger- und Sechzigerjahren beständig fort, und wurde – ebenfalls zunächst in den USA – zu einem wichtigen Differenzierungsmerkmal der Hersteller und ihrer Produkte.
In Europa war es besonders Italien, wo Designertalente einen besonderen Stellenwert genossen und bis heute besitzen. Im Gegensatz zu den USA, wo man eigenständige Stylingabteilungen etablierte, waren in Italien oft unabhängige Designbüros wie Bertone, Ghia, Pininfarina, Zagato oder Italdesign die Taktgeber des Geschmacks.
In den Sechziger- und Siebzigerjahren änderten sich diese Vorzeichen drastisch. Während beispielsweise deutsche Hersteller – ähnlich wie bei den Tochtergesellschaften von Ford und Opel in Köln und Rüsselsheim - ebenfalls begannen, eigene Designabteilungen zuetablierten, die weniger mit der Karosseriekonstruktion zu tun haben als eben vielmehr mit dem Design, verschwanden in Italien die unabhängigen Karosseriers. Entweder wurden sie von Automobilherstellern aufgekauft, so kam Ghia bereits in den Sechzigerjahren zu Ford oder sie fristeten mit mehr oder weniger Glück noch ein Nischendasein wie Frua oder Michelotti als unabhängige Designbüros. Bis in die Gegenwart konnte sich in dieser Nische Bertone halten. wo man auch als Entwicklungsteam und Produktionsstätte von Kleinserien noch länger für die Automobilindustrie attrakliv war.
Während also die unabhängigen Designstudios mehr oder weniger in den letzten 50 Jahren verschwanden, haben die Designabteilungen der Automobilhersteller das Gestalten selbst in die Hand genommen. Waren Concept Cars früher Machbarkeitsstudien der Designbüros, die man als Kleinserien an die Hersteller verkaufen wollte, so sind Concepts Carts heute in der Regel Vorgriffe auf das, was den Kunden im besten Fall in den nächsten drei bis fünf Jahren erwarten wird. Oder aber skurrile Fingerübungen, mit denen zum Beispiel die Japaner ab den Achtzigerjahren auftrumpften.
Wieviel Ambition steckt hinter dem Buchrücken
Diese kurze historische Abriss kann nur andeuten, welche Vielfalt sich hinter knapp 90 Jahren Geschichte der Concept Cars verbergen mögen. Und diese scheint Jürgen Panders Titel zumindest durch die Einschränkung „die skurilsten Concept Cars der Welt“ schon im Untertitel erstmal wieder einfangen zu wollen. Ehrlich gesagt, bei nur 190 Seiten scheint selbst diese Einschränkung noch nicht weit genug gegriffen zu sein.
Der Autor unterteilt sein Buch in vier Kapitel mit so programmatischen Titeln wie „die Zukunft ist ein Klassiker – Autos mit berühmten Ahnen“, das sich mit Retro Concepts Cars beschäftigt. Dabei erhält jedes vorgestellte Fahrzeug konsequent zwei Doppelseiten. Die erste Doppelseite mit einem Aufmacherbild, die zweite Doppelseite dann mit der Text/Bildkombination zur Erläuterung des jeweiligen "Concepts".
Im Umfang ergibt das 43 Fahrzeuge aus den letzten 85 Jahren. Zu den Auswahlkriterien zählt weder die Designepoche noch das Designbüro oder gar der verantwortliche Designer, Pander setzt auf aufsehenerregende Modelle sein, die möglichst skurril und ungewöhnlich daherkommen. Puuh, allein unter diesem Aspekt fällt mir pro Sekunde ein weiteres Fahrzeug zu den vorgestellten Dreiundvierzig ein.
Pander scheint auch eher auf die Neuzeit zu fokussieren, rund die Hälfte der Autos stammen aus den letzten 20 Jahren, dabei waren gerade die Fünfziger- bis Siebzigerjahre sehr reich an interessanten Showcars. Die Amerikaner schliesslich sind nur marginal vertreten, was sicherlich nicht deren wichtigen Rolle in der Geschichte der Konzeptfahrzeuge entspricht.
Klar und deutlich
Pander stellt die Fahrzeuge in den vier Kapiteln jeweils chronologisch vor. Der Informationsgehalt auf der jeweils zweiten Doppelseite ist mit Bildern und Bildunterschriften sowie dem Text eher knapp, aber es reicht für eine Übersicht. So ordnet der Autor das Fahrzeug meist in seine Zeit ein und versucht den aussergewöhnlichen Anspruch herauszuarbeiten.
Oft gelingt es noch, die Bedeutung des Fahrzeugs in den automobilgeschichtlichen Kontext anzudeuten. Manchmal schlägt er aber über die Stränge, beispielsweise beim VW Chico von 1991. Pander, der u.a. das Auto Ressort von „Spiegel Online“ entwickelte, lässt in Bezug auf die nicht stattgefundene Serienfertigung dieses weit gediehenen Concept Cars die eher kritische „Spiegelhaltung“ zu Volkswagen im Allgemeinen und zum damaligen VW-Chef Piëch freien Lauf. Aus Spekulationen setzt er ein Bild zusammen, dass der Wagen quasi auf Geheiss den neuen VW-Chefs verhindert worden sei und damit eine einmalige Chance vertan wurde. Wer die Situation bei Volkswagen zu dieser Zeit etwas besser kennt, weiss, dass sich eine Zweizylindermotorproduktion aufgrund der Stückzahlen nicht gelohnt hätte. Und man mag erahnen, dass die Fertigung der aufwändigen Konstruktion zu nicht marktfähigen Endpreisen geführt hätte. Der VW-Geschäftsbericht verrät uns, das Unternehmen zu dieser Zeit einfach nicht das Geld hatte, neben den Hausaufgaben ein Nischenmodell auf die Räder zu stellen. Aus einem betriebswirtschaftlich wohl klugen Entschluss dreht der Autor der Unternehmensführung hier eher den Strick der fehlenden Weitsichtigkeit.
Was bleibt nach 190 Seiten?
Studien, Concept Cars – man mag sie nennen wie man will – sind die Diamanten des Automobildesigns. Dazu werden sie durch ihre Einmaligkeit und gleichzeitig die Tatsache, dass ansonsten auf ewig geheim bleibende nicht gefertigte Ideen, Träume oder Projekte nicht verschwinden, sondern bewusst ins grelle und heute auch strategische Scheinwerferlicht gerückt werden.
Die Bedeutung mögen stellvertretend Fahrzeuge wie der Mercedes C 111 oder der Audi Avus quattro verdeutlichen: jeder kennt sie und sie sind aus der Unternehmensgeschichte nicht wegzudenken.
Leider fehlt dem Buch der wirklich tief rot getränkte Faden. So wirkt die Auswahl stets willkürlich, weil einem Kenner sofort weitere Modelle einfallen, die einen Auftritt in dem Buch verdient hätten. Kommt hinzu, dass auch so etwas wie eine historische Abhandlung und Einordnung fehlt. Zwar werden die einzelnen Fahrzeuge kurz aber doch verständlich vorgestellt, aber es fehlt dann stets der Bezug zur Designepoche oder der vertiefende Blick auf den Antrieb. So ganz einsichtig, warum es das vorgestellte Concept Car bis auf Titelseiten bringen durfte, wird dem Leser die Bedeutung des jeweiligen Autos nicht.
Enthusiasten des Automobildesigns werden die Würdigung der Designer am meisten vermissen. Denn solche Concept Cars sind in der Regel das Ergebnis einzelner Designer oder kompakter Teams. Das galt für Bertone genauso wie für Modelle der Werksabteilungen. Gerade weil das Thema der Concept Cars in der deutschen Automobilliteratur eher stiefmütterlich behandelt wird, hätte sich ein mehrbändiges Werk unter anderen Auswahlkriterien besser angeboten.
Zu hoffen ist, dass diesem Buch für € 29,80 weitere folgen, die ebenso kurz und knapp, dafür aber an manchen Stellen mit mehr Hintergrundinfos etwas mehr Struktur in das sicherlich spannendste Kapitel des Automobildesigns bringen werden.
Für alle, die sich dem Thema annähern wollen, ist dem Verlag in Ausstattung, Umfang, Bildauswahl und Informationsgehalt aber insgesamt ein gutes Buch zu einem fairen Preis gelungen. Und interessante Informationen über Fahrzeuge, die man noch nie gesehen hat (oder sie schon vergessen hat), werden die meisten Leser darin sicherlich finden.
Bibliografische Angaben
- Titel: Einmalig! - Die skurrilsten Concept Cars der Autowelt
- Autor: Jürgen Pander
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Delius Klasing
- Auflage: 1. Auflage 2019
- Format: Gebunden, 215 x 247 mm
- Umfang: 192 Seiten, 195 Fotos und Abbildungen
- ISBN-Nummer: 978-3-667-11563-8
- Preis: EUR 29,90,
- Bestellen/kaufen: Online bei amazon.de , online beim Verlag Delius Klasing oder in der guten Buchhandlung
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Holger Merten