Halwart Schrader vorzustellen ist eigentlich unnötig, denn mit rund 200 Büchern, die er als Autor verantwortete oder mitgestaltete und als Chefredaktor der Zeitschrift Automobil und Motorrad Chronik gehört er zum Olymp der deutschen Automobil-Historiker und Autoren. Kaum zu glauben, dass der Mann am 24. Februar 2015 seinen 80. Geburtstag feierte - wir gratulieren nachträglich! Und kaum zu glauben, dass der Automophile noch immer schreibt und noch immer Geschichten zu erzählen weiss, die man noch nicht gelesen hat.
Erinnerungen an die Anfänge
Beginnen tut das Buch nicht mit den ersten automobilen Abenteuern Schraders sondern mit dem erfolglosen Versuch dessen Grossvaters, in Berlin mit Elektrotaxis zu Reichtum zu kommen.
Schrader leitet daraus ab, dass Mendels Vererbungstheorie mit der übersprungenen Generation schon etwas Wahres habe, weil sich schliesslich schon sein Grossvater gerne mit Dingen beschäftigt habe, von denen er keine Ahnung hatte.
Bis gegen das Ende deiner ersten zwei Lebensjahrzehnte spielte das Automobil aber keine grosse Rolle in Schraders Leben, doch mit 19 Jahren kaufte er sich sein erstes Auto, einen Borgward FW 200 von 1938 als Pritschenwagen, damals 16 Jahre alt, ein rüstiger Youngtimer, würden wir heute sagen.
So richtig zum Fahren liess sich der 250 Mark teuere Klassiker trotz diversen Restaurierungsbemühungen nicht bewegen und so musste er bald einer Opel P4 Cabriolimousine weichen, die sogar noch ein Jahr älter war. Und das waren nur zwei der unzähligen Fahrzeuge, die Schrader besass und im nun vorliegenden Buch treffend zu charakterisieren weiss.
Auch "Neuwagen"
Auch neue oder fast neue Fahrzeuge kommen zu Wort, etwa der Pressewagen von Renault, ein R16, dem Schrader einige Erlebnisse verdankt oder eine ganze Reihe von Rover P5-Modellen, denen Schrader viel Ehre zollt. Das Gros der Erzählungen handeln aber von Autos, die wir heute zu den Oldtimer-Klassikern zählten, auch wenn sie damals oft nur Gebrauchtwagen waren. Ob Fiat 500 Topolino, Lagonda 3 Litre Tourer, Opel Blitz, Triumph Roadster oder Maybach Zeppelin, Schrader kann allen besonderen Automobilen etwas abgewinnen.
Vielleicht der verrückteste Wagen, der es in Schraders Buch schaffte, war der Opus HRF, was für Hot Rod Ford stand, aber kaum etwas mit den amerikanischen Hot Rods zu tun hatte, sondern vielmehr die englische Interpretation dessen in Kombination mit einem englsichen Kit Car Ansatz war. Jedenfalls transportierte Schrader einen derartigen Bausatz für das Magazin Twen nach Deutschland und alleine die Erzählung über diese Transportsonderleistung wiegt den Preis des Buchs schon fast auf.
Eine Biografie?
Nein, eine Biografie ist Schraders Buch nicht, denn der Fokus liegt nicht auf Komplettheit sondern auf den Anekdoten, die sich sicherlich mit besonders viel Vergnügen nochmals erzählen lassen. Sie handeln immer von Autos und manchmal auch von Menschen. Und sie sind fast immer lehrreich, denn natürlich schafft es Schrader, immer auch sein breites automobilhistorisches Wissen durchschimmern zu lassen.
Ein Making Of?
Einige der Geschichten erinnern an die “Making Of”-Sequenzen, die man heutzutage zu jeder Film-DVD dazu erhält. Wie genau wurde das gemacht?
Gefallen hat zum Beispiel die Geschichte, wie das Titelbild der ADAC Motorwelt Oktober-Nummer des Jahres 1963 entstand. Die Anekdote läuft unter dem Titel “Leihen Sie uns doch bitte mal Ihr Kind”. Tatsächlich musste sich Schrader kurzfristig für eine Aufnahme eines noch geheimen DKW F 102 auf dem Werkgelände ein Kind ausleihen, weil es für die Szene, die einen heimkehrenden Vater, der von seinen Kindern begrüsst wird, noch einen ursprünglich nicht vorgesehenen zusätzlichen jugendlichen Statisten brauchte. Das Kind fand sich samt Mutter in einer nahe gelegenen Eisdiele und mit viel Zureden konnte Klein-Johann, oder wie auch immer er hiess, für die Szene mit Schrader als autofahrender Vater gewonnen werden. Das Ergebnis fand sich einige Wochen später dann tatsächlich auf der ADAC Motorwelt.
Amüsant übrigens das Detail, das die eigens für die Aufnahme gebastelte Seifenkiste mit Kinderwagenräder einen Bugatti-inspirierten Kühlergrill aufwies. Kaum jemand hätte damals daran zu denken gewagt, dass DKW (also später Audi) und Bugatti dereinst unter einem Dach firmieren würden.
Im Rahmen seiner Tätigkeit in der von ihm mitgegründeten Werbeagentur entstanden viele Werbesujets, eines zeigte sogar den nichtrauchenden Autor als Teil einer Gauloises-Werbung.
Nur ein Lesebuch?
Richtig, Halwart Schraders Werk zum eigenen 80. Geburtstag ist primär ein Buch zum Lesen, für eine andere Art der Nutzung fehlt ein ausführliches Inhaltsverzeichnis genauso wie ein Stichwortkatalog. Aber das Buch besteht nicht nur aus Buchstaben, sondern es finden sich auch noch fast 150 Schwarz-Weiss-Abbildungen und Fotos, viele mit Schraders eigener Hasselblad aufgenommen, die der Auto einst im Tausch für einen Riley erhielt. Und diese Fotos sind wahre Kleinode und nicht selten wünscht man sich, das Buch käme doch im Format 30x30 cm und nicht in Taschenbuchgrösse daher.
Und die virtuelle Traumgarage
Wer sich durch die vielen Anekdoten und Geschichten durchgearbeitet hat, findet am Ende des Buchs noch ein Dessert, nämlich Schraders Vorschlag für eine erfundene Traumgarage, in der Autos vom Audi Ur-Quattro über den Jaguar E-Type bis zum VW Käfer untergebracht wären. Und es wäre natürlich nicht Schrader, würde es nicht zu jedem vorgeschlagenen Wagen mindestens eine Anekdote geben, etwa die vom NSU Ro 80, der noch vor der offiziellen Vorstellung mit zwei Journalisten an Bord wegen Halbachsenschaden irgendwo in Württemberg immobilisiert wurde.
Euro 22.90 kostet das rund 240-seitige Buch und wir garantieren, dass es einen dreistündigen Mittelstreckenflug erfolgreicher “verkürzt” als ein Upgrade von Economy zur Business-Klasse.
Bibliografische Angaben
- Titel: Mit der Karre kommste nicht weit - automophile Erinnerungen
- Autor: Halwart Schrader
- Verlag: Delius Klasing
- Auflage: 1. Auflage 2015 (12. Januar 2015)
- Sprache: Deutsch
- Format/Grösse: Gebundene Ausgabe, 15,1 x 22,8 x 2,2 cm
- Umfang: 240 Seiten, 149 Schwarz-Weiss-Fotos und -Abbildungen,
- ISBN-10: 3667101309
- ISBN-13: 978-3667101303
- Preis: Euro 22.90
- Kaufen/bestellen: Online bei amazon.de
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