Es ist bereits die 22. Ausgabe des “Classic Car Auction Yearbook, das im Oktober 2017 erschienen ist. Und vielleicht macht dies gerade seinen grössten Reiz aus. Denn die Autoren/Herausgeber Adolfo Orsi und Raffaele Gazzi können mit Daten über die letzten 24 Jahre aufwarten, notiert bis hinunter auf die Fahrgestellnummer. Und damit lassen sich allerhand Analysen erstellen!

Aufbau wie gehabt
416 Seiten, exakt gleich viele wie im Jahr zuvor, umfasst das gebundene Werk, dessen Cover das teuerste 2017 verkaufte Auto, ein Aston Martin DB1 ziert. Auch am Aufbau hat sich kaum etwas geändert. Eingangs erklären die Versteigerungsfirmen, wie sie den Markt sehen. Dann analysieren Orsi und Gazzi die Marktdaten, dann werden die Ergebnisse 2016/2017 (September bis August) ausgewertet und Bestenlisten und ähnliches gezeigt. Und schliesslich folgt der Hauptteil mit allen dokumentierten Autos auf rund 340 Seiten. Den Abschluss machen Bestenlisten.
Keine reine Zahlenbeigerei
Es mag zwar etwas trocken wirken, ein Auction Yearbook ist aber durchaus unterhaltsam zu studieren und lehrreich dazu. Das beginnt schon bei der Analyse des vergangenen Jahres durch Vertreter der Auktionshäuser. Mathieu Lamoure etwa nennt drei Kategorien von Autos, die vom aktuellen Zustand des Markts: 1) Perfekt restaurierte Autos mit kompletter Geschichte und Dokumentation, 2) Autos im Originalzustand mit kompletter Geschichte und 3) aussergewöhnliche und sehr seltene Fahrzeuge, die einen Spitzenplatz in der Automobilgeschichte verdient haben. Zu letzteren gehörte gemäss Lamoure auch der Ferrari Dino Prototyp, der in Paris versteigert wurde, aber auch der C-Type, den RM 2016 in Monterey verkaufte.
Und der Zustand des Markts? Den sehen die Auktionshäuser ähnlich. Beruhigung, Konsolidierung, Rückzug der Investoren, echte Liebhaber als Käufer.
Zahlenspielereien
Diese These wird auch durch Orsi/Gazzi belegt. Der Gesamtumsatz nahm gegenüber dem Vorjahr um knapp über 10 Prozent ab in USD/Euro. Allerdings stieg die Verkaufsquote, während der Durchschnittspreis bei praktisch konstanter Anzahl Fahrzeuge konsequenterweise etwas sank. Eindrücklich ist, dass fast 40 Prozent mehr Autos ohne Mindestpreis aufgerufen wurden (1461 anstatt 1049), ein Trend, der die Einlieferer vermutlich nicht begeistert, denn sie waren es, die teilweise unter Verkaufspreisen deutlich unter den Erwartungen litten. Die USA machen als Markt rund 2/3 des Gesamtvolumens aus, gefolgt von Grossbritannien und Frankreich. Deutschland ist im Vergleich dazu winzig, die Schweiz findet überhaupt nicht statt im Buch.
195 Autos über einer Million Hammerpreis (USD) wurden 2016/2017 verkauft, im Vorjahr waren es 201. Dominierende Marke war wertmässig Ferrari (25,03 %), gefolgt von Porsche, Aston Martin und Mercedes-Benz. Rolls-Royce, einst dominierend an Auktionen, rangiert unter “ferner liefen”. Am besten verkauften sich aber Ford, vor Lancia, Jaguar und Chevrolet, wenn man die Verkaufsquoten anschaut, ein Indiz darauf, dass sich günstige Autos besser verkaufen lassen.
Im Schnitt waren die Autos von 2016/2017 51 Jahre alt (Jahrgang 1966), im Jahr vorher war sie im Schnitt vom Jahrgang 1965.
Chassis-Nummern-Analysen
Spannend ist es, die Verkaufsergebnisse für eine Fahrgestellnummer über die Jahre zu vergleichen. 22 Beispiele vom AC Ace Bristol bis zum Stutz Model M werden hier geliefert. Mit Ausnahme weniger Fälle geht die Tendenz nach oben, etwa ein Drittel hat allerdings in den letzten Jahren/Monaten auch sichtbar an Wert verloren.

Wenn man beispielsweise die drei Verkaufsergebnisse für den Mercedes-Benz 540K Spezial Roadster von 1939 (Chassis 408383) betrachtet, dann stieg der Hammerreis von USD 4,62 Millionen auf 7,48 Millionen, um dann wieder auf USD 6,6 Millionen zu fallen. Pfundmässig fand allerdings kein Rückgang statt, in Euros gerechnet ebenfalls nicht. Trotzdem kriegt man das Gefühl, dass an diesem Auto vor allem die Auktionshäuser verdient haben, schliesslich summieren sich 12% von diesen Millionenbeträgen auf insgesamt rund 2,1 Millionen USD.

Interessant ist dann auch noch die Analyse zum 300 SL Flügeltürer, von dem zwischen 1993 und 2017 in jedem Jahr zwischen 2 und 18 Autos verkauft wurden. Zwar hat der SL 2014 und 2016 an Wert verloren im Schnitt, 2017 aber stiegen die Notierungen wieder. Der Aston Martin DB4 dagegen scheint seine Talsohle (auf hohem Niveau) noch nicht erreicht zu haben in USD und EUR, während der Verlauf in £ über die letzten drei Jahre flach ist. Orsi/Gazzi dokumentieren zusätzlich auch noch den Ferrari F40, den 365 GTB/4 Daytona, den E-Type 3.8 Roadster und den 300 SL Roadster.
Die interessanten Sieger
Fast 20 Seiten werden den zehn teuersten Klassikern im Untersuchungszeitraum gewidmet, angeführt vom Aston Martin DBR1.

Ob man den darin enthaltenen Ferrari LaFerrari wirklich bereits als “Classic Car” betrachten will, ist Ansichtssache. Als besonderes Ereignis wird sodann auch noch die “Duemila Ruote” Versteigerung von RM analysiert, kritische Kommentare fehlen allerdings weitgehend, dazu sind die Auktionshäuser und Orsi/Gazzi wohl zu sehr im selben Boot.
Viel Schwarzweiss
Der Auktions-Datenteil ist komplett in Schwarz-/Weiss gehalten, abgesehen von den zahlreichen Werbeseiten im ersten Teil des Buchs. Dies ist im Prinzip kein Problem, man fragt sich aber, warum man auf Farbe verzichtet, schliesslich hat diese doch einen erheblichen Einfluss auf ein Verkaufsergebnis. Aber die Bilder sind sowieso nicht die Hauptsache sondern die komplett mit Chassisnummern dokumentierten Hammerpreise in den Währungen USD, EUR und GBP. Hammerpreise fehlen aber für nicht-verkaufte Autos, was eigentlich schade ist, denn auch bei diesen interessiert, wie hoch die Bieter gehen wollen.

Ganz am Schluss gibt es dann wieder Farbbilder, wenn die Top 5 der letzten 24 Jahre und die Top 5 wichtiger Marken ausgewertet werden. Interessant zu sehen, wie sich der Fokus über die Jahre verschob, so waren im Jahr 1993/1994 stammten Autos aus der Vorkriegszeit … und waren aus heutiger Sicht unglaublich günstig.

Ganz zuhinterst folgen dann noch die Top 20 aus 24 Jahren und nicht ganz unerwartet würden diese genau gleich aussehen, wenn man nur sechs Jahre auswerten würde. Und natürlich fehlt der diese Woche versteigerte 250 GT LWB California Spider von 1959 (RM Auctions Icons New York, am 6. Dezember 2017). Der kommt dann nächstes Jahr in die Liste, so etwa auf Platz 17.
Sammlerwert
Für wen eignet sich das mit rund EUR 70 nicht gerade günstige Buch, wenn man berücksichtigt, dass über 30 Seiten Werbung drin sind und die Credit Suisse als Sponsor auftritt?
Es sind sicherlich einerseits die Sammler, die schon die bisherigen Bände besitzen und die gerne in einem handfesten Buch nachschlagen. Es sind aber auch Händler und Besitzer, die sich gerne ein Buch ins Büchergestell legen, in denen man später wieder alte Ergebnisse nachschlagen kann. Der Analysen wegen muss man das Buch nicht unbedingt kaufen, diese werden auch in Oldtimer-Zeitschriften und online an den verschiedensten Stellen diskutiert. Im Buch aber kann man sie in geraffter Form studieren, was durchaus praktisch sein kann.

Bibliografische Angaben
- Titel: The Classic Car Auction Yearbook 2016 - 2017
- Autoren/Editors: Adolfo Orsi und Raffaele Gazzi
- Sprache: Englisch
- Verlag: Historica Selecta SRL
- Auflage: 1. Auflage Oktober 2017
- Format: Gebunden, 24,3 x 31,5 cm
- Umfang: 416 Seiten, 954 Farb- und Schwarzweissabbildungen, viele Grafiken
- Preis: EUR 73.20 / CHF 80.00
- ISBN: 978-88-96232-09-5
- Kaufen/bestellen: Online bei BM Classics oder bei anderen von Historica Selecta empfohlenen Buchhändlern
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