Die Modellpalette von VW kennt jederman, vor allem Käfer, Golf und Bulli. Vielleicht noch Passat und Polo. Stop. Damit wir den Rest nie vergessen, hat man bei VW schon in den Fünfzigerjahren angefangen, das Erbe der Marke zusammenzusammeln. Das Ganze gelangte in eine Sammlung, die bis in die Mitte der 80er Jahre nur Auserwählten zugänglich war. Pünktlich zum dreissigjährigen Jubiläum des öffentlichen Zugangs zum Museum und bei den ambitionierten Auftritten von Volkswagen Classic, gibt jetzt auch so etwas wie einen Museumsführer mit dem etwas protzig klingendem Namen »Schatzkammer«.
Der Untertitel klärt auf
»Die wichtigsten Exponate der Sammlung des Auto Museums Volkswagen«, und die bringen es auf immerhin 130 Seiten im Format 220 x 250 mm (Softcover).
Darin sind mehr als 100 Prototypen und Unikate aus der über 250 Exponate umfassenden Sammlung der Volkswagen-Historie vorgestellt. Vom luftgekühlten Käfer Prototypen über ambitionierte T3 Bullis bis zu Concept Cars der jüngeren Vergangenheit. Vollständigkeit ist damit nicht gegeben, allerdings lässt sich doch erhält ein Überblick über die Kostbarkeiten der Schatzkammer gewinnen.
Ehre, wem Ehre gebührt
Dass auch in einer Schatzkammer die Insignien mehr Platz beanspruchen als Halbedelsteine, dem trägt das Layout Rechnung. Ikonen der Sammlung wie der T1 Prototyp von 1949 oder gar ganz seltene Pretitiosen wie das 1956 von Michelotti entworfne Ghia Aigle Coupé auf Käfer Basis bekommen Raum auf einer Seite oder gar einer Doppelseite eingeräumt. Polo Derivate wie der Harlekin von 1995 oder der Polo II Sprint von 1983 müssen sich schon mal eine Seite teilen, so dass 4 Fahrzeuge auf einer Doppelseite präsentiert werden. Der Info auf den ersten Blick schadet es nicht, das Layout lockert es auf.
Knackige Texte und schöne Abbildungen
Knackige, aber eigentlich viel zu kurze, Texte zu den Fahrzeugen in deutsch und englisch vermitteln mit den gut in Szene gesetzten Fahrzeugen einen ersten Eindruck, was einen im Museum erwarten könnte. Bedauerlicherweise ist die Stringenz der Texte nicht durchgehend gleich gut. Die Jahreszahl zum Fahrzeug bezeichnet manchmal das individuelle Baujahr, dann wieder die Erstfertigung des Typs. Etwas absurd sind auch die Legenden bei den Motorisierungen der einzelnen Typen. Während man zunächst den Eindruck gewinnt, dass die technischen Daten sich auf das abgebildete Modell beziehen, wechselt man bei Prototypen auch schon mal zu Daten von Serienmodellen. Eine Idee, die in den Concept Cars gar nicht aufgeht.
Gedächtnislücken
Wie eingangs erwähnt enthält dieser Band nur ca. die Hälfte der Klassiker aus der VW- Sammlung. Da kann es sein, dass der eine oder andere Typ gar nicht in Erscheinung tritt, dafür aber wiederum Typen wie der Polo G40 oder der T1 mit Gasturbine erstmals ins Gedächtnis gerufen werden. Überraschungen gibt es genug, denn die ausgewogene Darstellungen an Bekanntem und Unbekanntem bietet auch für den Kenner der Marke noch überraschende Informationen.
Das Buch ist dafür in mehrere Kapite aufgeteiltl: Die Luft- und Wassergekühlten. sowie die Prototypen und Rennwagen, und last but not least: Die Anderen, gemeint sind die Fahrzeuge aus der DDR, die mit VW-Motoren ausgestattet waren: Trabbi und Wartburg.
Ab ins Museum
Mit diesem Katalog kann man sich kurz im Auto Museum Volkswagen umsehen, einen ersten Überblick gewinnen und sich der reichhaltigen Geschichte von VW annähern. Autor Eberhard Kittler, Vorstand des Museums, hat in kurzen, knackigen Texten knappe Portraits zu den vorgestellten Fahrzeugen skizziert, die im übrigen auch fotografisch liebevoll dargestellt werden.
Leider sind die Texte zumindest teilweise mit Vorsicht zu geniessen. Nicht immer stimmen die technischen Daten mit den gezeigten Exponaten überein. Oder sind schlicht falsch. Bestes Beispiel, der Lupo 3L. Er wird in diesem Buch mit einem 4-Zylinder TDI vorgestellt. Das ist leider ein Kolben zuviel. Dass man zudem bei manchen Modellen deren Historie ausklammert oder bewusst verwässert, mag aus konzernstrategischen Überlegungen seine Gültigkeit haben, historisch wollen wir aber die Wahrheit wissen. Und dazu gehört, dass man nicht so tut als sei der VW Iltis nicht bei Audi entwickelt worden und sei nicht mit einer Audi Mannschaft und Ingolstädter Kennzeichen 1979 zum Sieg gefahren. VW steuerte bestenfalls das Logo auf dem bayrischen Munga-Erbe bei.
Ein weiteres Beispiel, in dem dieser Führer die ganze Wahrheit verschweigt, ist der EA 235 aus dem Jahr 1967. Das Konzept im Auftrag der Wolfsburger in den Ingolstädter Konstruktionsbüros entstanden, ebnete den Weg zum ersten Golf weil er dabei gleichzeitig so gut war, dass er die bekannten Prototypen EA 266 und EA 276 von VW und Porsche einfach ausstach und das Fortbestehen der Marke sicherte. Sonst gäbe es nämlich heute keinen Grund, einen solchen Museumsführer zu drucken oder gar ein VW Museum zu besuchen. Aber davon wollen wir keinesfalls abraten, wie auch vom Buch nicht, das trotz der Lücken manch Interessantes offenbart.
Bibliografische Angaben
- Titel: Schatzkammer - Die wichtigsten Exponate der Sammlung des Auto Museums Volkswagen
- Autor: Eberhard Kittler
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Delius Klasing
- Auflage: 1. Auflage 2015 (23. April 2015)
- Format: 220 x 251 mm, gebunden
- Umfang: 121 Seiten, 170 Farb- und 1 s/w-Bild
- Preis: € 16,90
- ISBN: 978-3-667-10260-7
- Preis: € 16,90
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