Dieser Film feierte seine Premiere bereits 2011. Und weil es primär kein Film über Fahrzeuge war, hatten wir ihn wohl auch nicht auf unserem Radar.
Aber als neulich ein einzigartiges Foto unsere Redaktion erreichte mit der Frage, um welches Fahrzeug es sich handle, wurden wir stutzig, neugierig und starteten unsere Recherche. Der Weg führte zu einem sogenannten Walter Otto Wyss, ein ausgewanderter Schweizer Ingenieur, der in den 40er Jahren drei eigene Fahrzeuge baute, eines davon (sein erstes, W1 genannt) war auf dem Foto abgebildet. So führte der Weg weiter zu diesem Film, den wir hier besprechen: ein einzigartiges Stück Schweizer Automobil-Geschichte.
Auf den Spuren des Onkels Walter Otto Wyss
Tobias Wyss, Schweizer Filmemacher und Autor, geboren 1942 in Dielsdorf (Schweiz) erzählt zu Beginn des Films von seinen ersten Erinnerungen und Gedanken an seinen Onkel Walter Otto Wyss: er war ein Held während seiner Kindheit, ein Idol, ein mutiger Mann, der die Schweiz und Familie verliess, um seinen Traum zu leben, aus der Heimat auszubrechen, um die Sehnsucht, ein anderer zu sein, zu stillen. «Der Onkel aus Amerika», so erinnert sich der Regisseur, prägte ein Bild in Tobias Wyss' Kopf, das er während etlichen Jahren mit sich trug, ein gutes Bild, ein befreiendes Bild, denn der Onkel lebte vor, dass man aus dem vorgegebenen Weg von Heirat, Familie und Karriere ausbrechen konnte, wenn man denn wollte, um fernab von Familie und Heimat sein eigenes Leben zu finden.
Aus den Briefen, die Walter Otto Wyss in die Schweiz schickte, entspinnt sich ein Zwiegespräch zwischen Mutter und Sohn. Dieser Schriftwechsel rahmt die filmische Handlung ein und spannt einen Bogen von der Biografie, die WOW als sein Leben vorgab, hin zu jenem Leben, das der Regisseur Tobias Wyss über seinen Onkel heraus gefunden hat.
Die Automobile von Walter Otto Wyss
W1
Walter Otto Wyss übernimmt die Passionen seines Vaters – Automobile und Fotografie. Bereits in jungen Jahren macht ihn sein Vater mit der Kfz-Mechanik vertraut und fördert die Neugier seines Jüngsten, indem er seine Doppel-Garage in eine Werkstatt mit Tankstelle und Angestellten umfunktioniert. Im Alter von achtzehn Jahren (1929) baut Walter dort sein erstes eigenes Auto, den «W1». Dieses Fahrzeug war übrigens auch der Grund, weshalb wir diesen Film entdeckten.
W2
Zwei Jahre später präsentierte Walter Otto Wyss bereits sein zweites Fahrzeug, den sehr eleganten «W2», der als Vorgänger des berühmten MG Morris gelten kann.
Nach Walters Abschied wird der «W2» verkauft und die Garage geschlossen, das Thema Automobil wird auf diese Weise nach dem verhängnisvollem Unfall von 1934 aus dem Familiengedächtnis gelöscht.
The Plainsman
In Amerika ist Walter Otto Wyss‘ technisches Know-How der Schlüssel zu beruflichem Erfolg und sozialer Anerkennung. Im Laufe seiner Ingenieurs-Karriere arbeitet er für Ford (1939-1942), General Motors und Chevrolet (1942-1945).
1945 schliesslich erhält Walter Otto Wyss den Auftrag, ein Auto für die Flugzeugfirma Beechcraft zu entwickeln. Bei Beechcraft in Wichita setzt Walter die Idee eines fortschrittlichen Hybrid-Autos um und entwickelt einen Prototypen mit dem Namen «The Plainsman».
Dieser wird jedoch nie produziert, denn im Zuge des Kalten Krieges konzentriert sich Beechcraft wieder auf den Bau von Flugzeugen und lässt das Projekt fallen. Walter Otto Wyss verliert seine Anstellung.
Vom Ingenieur zum Reisenden um die Welt
Als Walter nach der Entlassung bei Beechcraft seinen Beruf als Ingenieur nach und nach aufgibt, verschreibt er sich dafür umso mehr der Fotografie. Seine Suche nach einem neuen Leben mit einer Frau an seiner Seite nimmt bisweilen obsessive Züge an und findet in erster Linie hinter der Kamera statt. Wahllos lichtet er Frauen am Strand, an mexikanischen und japanischen Festen ab, auch seine zeitweilige Lebenspartnerin Martinique Landois stellt ein beliebtes Sujet dar.
Doch es wäre zu kurz gegriffen, Walter Otto Wyss‘ fotografische Dokumentation als voyeuristisch motiviert zu verstehen. Die qualitativ hochwertigen Bilder, auf denen er letztendlich alles festhält, was ihn umgibt, dienen vor allem der Orientierung in seinem eigenen Leben. Der ehemalige Ingenieur nutzt die der Fotografie innewohnende Übersetzungskraft, mittels derer das kulturell Andersartige greifbar wird. Ob in Amerika, Japan oder Honolulu – das Spiel mit der Kamera erlaubt Walter sich den dort lebenden Menschen auf eine besondere Art und Weise zu nähern.
Wieso fasziniert dieser Film?
Als Zuschauer des Films wird man von Tobias Wyss' Neugierde sehr schnell angesteckt und verfolgt interessiert seinen Spuren, die ihn in die USA, nach Tokyo und nach Hawaii führen. Auf persönliche Art und Weise entwirrt Walter Otto Wyss' Neffe Tobias Wyss die widersprüchliche Geschichte seines Onkels. Mit archäologischer Neugierde füllt er das Vakuum, das sich zwischen den Dokumenten aus WOWs Nachlass und den Ergebnissen seiner eigenen Spurensuche aufgetan hat. Die Interviews mit wichtigen Personen aus WOWs Leben sind sehr berührend, man fühlt direkt und unverfälscht, welche Spuren der auf seine Weise mystische Onkel bei seinen Lebensgefährten hinterlassen hatte.
Und wieso eigentlich «Flying Home»?
Jeder kann sich nun ausdenken, weshalb dieser Film diesen Titel erhalten hatte. Um die wahre Antwort zu hören und noch einiges mehr, empfehlen wir von Herzen, diesen Film zu schauen. Schauen Sie den Trailer dazu (siehe Link oben links).
Weitere Informationen
- Film auf DVD bestellen bei Mirafilm
- PAL, vorwiegend in Deutsch, bei Sequenzen in Fremdsprachen mit deutschen Untertiteln
- Ton: Dolby Digital 5.1
- 80min
Information
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