“Wenn man Menschen Grenzen setzt, wird ihr Einfallsreichtum grenzenlos”, steht es auf Seite 12 im Büchlein “Lindner Coupé”. Man hätte dies auch als Titel des Buchs nehmen können, denn die Geschichte der Brüder Reimann und des Karosseriebauers Lindner zeigt, dass mit Enthusiasmus und Hingabe vieles möglich wird, auch die Entwicklung und Herstellung eines Ost-Porsche.
Dass sich die wenigsten Leute unter dem Lindner Coupé etwas vorstellen können, liegt auch daran, dass nur gerade deren 13 Exemplare gebaut wurden, die zudem hauptsächlich auf ostdeutschen Strassen ihre Runden zogen. Mit dem Lindner Jaguar hat das ganze nichts zu tun, soviel sei schon jetzt gesagt.
James Dean mal zwei in der DDR
Knut und Falk Reimann waren Zwillingsbrüder und sie studierten beide Kraftfahrzeugtechnik. Schon von klein auf träumten sie vom eigenen Sportwagen. Der Weg dahin war aber voll von Dornen, selbst ein gebrochenes Bein musste eigenhändig (und unter Schmerzen) auf dem Küchentisch gerichtet werden. Kaum vorstellbar für uns Westler.
Als Karosseriespengler konnte man den jungen Lindner gewinnen, den die beiden Zwillingsbrüder, die ein wenig wie das Abbild von James Dean aussahen und auch einen ähnlichen Charme besassen, für ihr Anliegen begeistern konnten.
Der fähige Stellmacher Arno Lindner
Arno Lindner war ein Blechkünstler, der mit viel Hingabe die schönsten Rundungen hinkriegte. Stets mit einem aus dem vollen geschnitzten Holzstück beginnend, gelangen ihm elegante Karosserien auf Anhieb. Zusammen mit seinem Sohn Helfried liess er sich von der Aussieht, eine kleine Serie fertigen zu können, ködern, obschon ihm die ersten Skizzen noch nicht die richtige Arbeitsvoraussetzung schienen.
Eine abenteuerliche Geschichte mit überraschenden Wendungen
Bis der Wagen fertig war, mussten viele Klippen überwunden werden. Als Chassis wurden Teile eines Kübelwagens verwenden, mit dem Vorteil, dass es eine breitere Spur aufwies als der Käfer. Die verschiedensten Teile wurden überall zusammengesucht und optimiert, bis das Fahrgestell fahrfähig war. Dann ging es an die Entwicklung der Karosserie, die nach alter Handwerksart über einem Eschenholzgerippe entstand. 3500 Mark zahlten die Brüder für die Rohkarosserie, die Komplettierung übernahmen sie selber.
Das Ergebnis sah einem Porsche ähnlich, das Heck wich aber doch deutlich vom Original ab.
Was hier in Kürze beschrieben ist, umfasst im Buch viele Seiten.
Doch mit der Fertigstellung des “Porscheli” ist die Geschichte nicht zu Ende, denn die Brüder Reimann unternahmen mit ihrem Sportwagen viele Fahrten, selbst Paris war vor ihnen nicht sicher. Dass sich auch hier manche interessante Anekdote ergab, versteht sich von selber.
Als die Zeiten düster waren, wollten die Reimanns nach Westdeutschland fliehen, wurden aber geschnappt und ins Gefängnis gesteckt. Ihr Sportwagen wurde zerlegt, vergessen haben sie ihn nie.
Die anderen Lindner Coupés
Neben dem Ur-Porscheli werden noch einige weitere Fahrzeuge und Besitzer im Buch aufgeführt, umfangreich dokumentiert und beschrieben. Die einzelnen Geschichten sind ähnlich besonders wie der Bau des ersten Lindner Coupés.
Wiederbelebung
Der Autor Alexander Diego beschriebt auch die komplette Restaurierung des Lindner Coupés, die sich über vier Jahre hinzieht, aber schliesslich zu einem wunderschönen Ergebnis führt, das Falk Reimann spontan küsst.
Fantastisches Bildmaterial
Neben der spannenden und abenteuerlichen Erzählung sind vor allem auch die Bilder den Kauf des Buches wert. Viele historische Aufnahmen der verschiedenen Coupé-Exemplare zeigen den Bau des Wagens und den Einsatz auf vielen Fahrten.
Auch die fotografisch dokumentierte Restaurierung ist interessant, weil hier noch nach klassischer Karosseriebauerart den Aufbau neu erstellt werden musste.
Enthusiasmus und Hingabe
Dass ein derartiges Buch und die Rettung eines DDR-Sportwagens möglich war, zeugt von einer riesigen Portion Enthusiasmus und Hingabe, die man dem nun publizierten Werk auch ansieht. Es richtet sich nicht nur an Sportwagen-Interessierte sondern auch an die Leute, die sich für die Vergangenheit der DDR und den Innovationsgeist der Ostdeutschen interessieren. EUR 49.00 ist nicht wenig, aber eine Alternative gibt es kaum, wenn man sich für die Arbeit und Geschichte der Brüder Reimann und Arno Lindner begeistern kann.
Bibliografische Angaben
- Titel: Lindner Coupé
- Autor: Alexander Diego Fritz
- Sprache: Deutsch
- Herausgeber: Verlag Brüder Hollinek
- Auflage: 1. Auflage 2016
- Format: Gebunden, ca. 16.5 x 26 cm
- Umfang: Seiten, über 240 Abbildungen (vor allem schwarzweiss)
- ISBN: 160 978-3-85119-367-1
- Preis: EUR 49.00
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