Egal, ob Turbo- Diesel- oder Wankelmotor. Zu allem gibt es ausreichend Literatur. Wer sich jedoch mehr über den charmant einfachen Verbrennungsmotor im Zweitakt im Automobil ein Bild machen möchte, musste bislang nur mit sehr spezifischer Fachliteratur vorlieb nehmen und sich den Rest woanders zusammensuchen (s.o.). Frank Rönicke, ausgewiesener Kenner der Zweitaktgeschichte bei DKW, Auto Union und der IFA, füllt diese Lücke nun mit einem Buch zur Geschichte des Zweitaktmotors auf vier Rädern.
Ein Buch, zwei Autoren
Ein bisschen erinnert die Entstehung des Buches an "Der Name der Rose" von Umberto Eco, bei dem es um ein verloren gegangenes Manuskript ging. Wir müssen ein wenig ausholen. Rönicke greift auf das Manuskript eines gewissen Siegfried Rauch zurück, dieser wird deshalb auch als Co-Autor genannt. Rauch wird den älteren Lesern als Chefredakteur der Zeitschrift "Das Motorrad" noch bekannt sein. Der 1906 in Chemnitz geborene Rauch hat sich mehr als 70 Jahre dem Zweitaktmotor gewidmet. Zunächst als Leiter der DKW-Kundendienstschule bei der Auto Union in Sachsen. Nach dem Krieg als Technischer Leiter des IFA-Konstruktionsbüros (FEW) in Chemnitz (vormals die Zentrale Versuchsanstalt der Auto Union) und im Anschluss an seine Übersiedlung in die Bundesrepublik als Kundendienstleiter bei Victoria in Nürnberg, mit der auch die verkaufte Zweiradsparte von DKW aus Ingolstadt 1958 zusammenspannte. Kurzum: Rauch galt und gilt als Verfechter des Zweitakters und hat sich dem Zweitaktmotor mehr als 70 Jahre verpflichtet und hingegeben. Sein Wissen war fundamental, sein Archiv wohl noch fundamentaler.
Und genau das durfte Rönicke 2003 übernehmen. Darin befanden sich u.a. die Fragmente des Manuskripts zu diesem Buch, mit dem Rauch sein Lebenswerk im Alter von 91 Jahren abschliessen wollte. Dazu sollte es aber erst jetzt kommen.
Zweitakter im Auto klingt nach billiger Lösung
Der Untertitel des Buches verrät es bereits, es geht um Automobilgeschichte. Und eigentlich denkt man dann gleich an einfache Konstruktionen und billige Lösungen. Mit diesem Vorurteil räumt das Buch allemal auf. Das 180 Seiten umfassende Buch ist eine Chronologie, die die Bedeutung dieser Antriebsart im Automobilbau in den Mittelpunkt stellt. Ausgehend von der schiesspulverbetriebenen "Feuermaschine" Leonardo da Vinchis zeichnet er die Entwicklung zum Verbrennungsmotor nach, bevor sie anfangs des 20 Jahrhunderts Einzug ins Auto hält.
Am Anfang: Macher und Motoren
Rönicke stellt die grossen aber wenigen Verfechter des Zweitakters, die mit Vehemenz anfangs des 20. Jahrhunderts den Zweitaktmotor favorisieren, vor: Hans Grade mit seinen Autos und Flugzeugen. Oder Fritz Cockerelle, der mit seinen vielzylindrigen Zweitaktern für Aufsehen sorgte. Oder der Schweizer Arnold Zoller, der Hochleistungszweitakter konstruierte, u.a. für DKW. Und eben der Mentor des Zweitakters: DKW-Gründer Rasmussen, der beim Antrieb voll und ganz auf das konstruktiv einfache und robuste Prinzip des Motors mit dem einfachen Arbeitsprinzip setzte und sich deshalb teilweise auch bei den oben genannten Technikern um deren Erkenntnisse oder Mitarbeit bemühte.

Und nicht zu vergessen, Ferdinand Porsche, der beim Kdf-Wagen oder im Rennwagenbau noch bis in die 30er des vergangenen Jahrhunderts im Zweitakter einen passablen Gegner des Viertakters sah.
Nach 1945: aufblühen und vergehen
Die grosse Zeit der Zweitaktmotoren nach 1945 beschreibt der Autor umfangreich, genauso wie er den Niedergang beschreibt. Einfach, leicht, robust und kompakt, das sind die Zutaten für die aufkommende aber anspruchslose Mobilität der Nachkriegszeit. Maico Champion, Goggomobil oder Messerschmidt Kabinenroller und natürlich die Auto Union, die nur noch DKW im Programm führt, setzen auf den Motor im Zweitakt. In Ostdeutschland ist es die IFA, Nachfolgerin des Auto Union Erbes, die mit Trabant und Wartburg bald keine Viertakter mehr produzieren wird. Rönicke skizziert sehr ausführlich die Entwicklungen in Ost und West. Vergisst dabei auch nicht den Saab 92 oder die Fahrzeuge aus der CSSR.

Doch dem Zweitakter weht ein scharfer Gegenwind entgegen, der in diesem Buch an ausgesuchten Automobilherstellern nachvollziehbar nachgezeichnet wird. Insbesondere die Auto Union tat sch schwer, den Zweitakter loszulassen. Bis VW kam. Dann war Schluss. Man baute Audis mit Viertaktmotor. Von Mercedes.
Fazit: Lesenswert
Wer auf 180 Seiten wissen möchte, wo der Zweitaktmotor sich im Automobil niederliess. der darf sich dieses Buch zulegen. Er erfährt recht ausführlich, wer was wann warum und wie entwickelt hat. Zahlreiches Bildmaterial und viele Konstruktionsskizzen sowie die saubere Textstruktur bieten eine Fülle an Information zum gewählten Thema des Buches. Selbst die Formel-Rennwagen eines Gerhard Mitter oder die Müller-Andernach-Motoren kommen nicht zu kurz.
Mit der lesenswerten Fülle kann die biedere Gestaltung nicht ganz mithalten. Durchweg zweispaltig ziehen sich Text und Bild durchs Buch und stossen damit bald an die Grenzen, beispielsweise bei der Bildplatzierung. Auch die Bildlegenden könnten durchaus für Auflockerung über den Text hinausgehen. Ehrlich gesagt: aufregende Bücher sehen anders aus. Trotzdem ist hier ein kleines Standardwerk entstanden, das dem Zweitaktmotor im Automobilbau für € 29,90 ein einfaches, leichtes, robustes und kompaktes Denkmal setzt. Ein Buch wie der Motor selbst. Und das ist doch allerhand.
Bibliografische Angaben
- Titel: 2 Takte – 4 Räder Die Geschichte des Zweitaktmotors im Autobau
- Autoren: Siegfried Rauch und Frank Rönicke
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Motorbuch Verlag, 1. Auflage 2016
- Format: 230 x 265 mm, gebunden
- Umfang: 184 Seiten, 34 Farb-, 245 s/w-Bilder
- Preis: € 29,90
- ISBN: 978-3-613-03862-2
- Bestellen: Online bei amazon.de , beim Motorbuch Verlag oder im Buchhandel
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Martin Schröder
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