Sie kennen das Soden-Getriebe nicht? Nachvollziehbar. Sie wissen nicht, wer Alfred Graf von Soden-Fraunhofen war? Verständlich, aber eine Wissenslücke, die zu stopfen wäre. Alfred Graf von Soden-Fraunhofen war nämlich von Anfang an bei ZF, also der Zahnradfabrik Friedrichshafen, dabei und er war eben auch der Erfinder und Entwickler eines innovativen Getriebes, das schon vor Cotal und Wilson eine Entlastung des Autofahrers darstellte.
Statt einer Kulissenschaltung, die nach Gefühl und Zwischengas beim Gangwechsel verlangte, konnte der Autofahrer im Auto mit Soden-Getriebe einfach den Gang vorwählen, der dann beim nächsten Kupplungsvorgang eingelegt wurde. Zwischengasgeben war unnötig und auch nicht möglich. Kein Wunder, war dieser Schaltmechanismus vor allem bei Taxi-Fahrern (z.B. in Wien) beliebt. Allerdings war die ZF-Schaltbox, die in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts verkauft wurde, ziemlich teuer. Dies beschränkte ihren Erfolg.
Ein bedeutendes Kapitel in der Technik-Geschichte
Trotz der überschaubaren Stückzahl, die sich wohl eher in einigen Hunderten als in vielen Tausenden misst, stellt das Soden-Getriebe einen wichtigen Technik-Meilenstein dar. Darum widmete Dr.Ing. Werner Beisel diesem Getriebe auch ein ganzes Buch. Nein, kein kleines Büchlein, sondern einen 400-seitigen Wälzer im A4-Format.
Der erste Teil behandelt dabei das Getriebe und seine Funktionsweise. Zudem werden auch der Biografie des Erfinders ein paar Seiten gewidmet.
Im zweiten Teil werden dann die Fahrzeuge dokumentiert, die mit dem Soden-Getriebe gebaut und verkauft wurden.
Akribisch
Was Autor Beisel da hingelegt hat, ist mehr als nur beeindruckend. Weil das ZF-Vorkriegsarchiv und die Firmeninformationen grossteils im Krieg zerstört wurden, musste er auf die unterschiedlichsten Quellen zurückgreifen. Jahre akribischer Sammler- und Forschertätigkeit waren nötig, all’ die Informationen zusammenzutragen, die jetzt ein wirklich umfassendes Buch über das Soden-Getriebe darstellen.
Dass auch noch die verschiedenen Fabrikate (neben Automobilen sind auch Motorräder und Triebwagen, sowie andere Nutzer beschrieben) detailliert dokumentiert werden, macht das Buch selbst für solche Leute interessant, die nicht primär an der reinen Technik interessiert sind. Unter den Marken, die zumindest Prototypen mit dem Sodengetriebe bauten, waren unter anderem AGA, Austro Fiat, B.A.W., Paul Baer, BOB, Dixi, FADAG, Flint, Hildebrand, Joswin, Lindcar, Luwe, Maybach-Motorenbau, Mercedes (DMG), Michel Un, Minerva, Norddeutsche Automobilfabrik AG, Omikron, Ottowerke, Peugeot, Piccard-Picted (PicPic), Renault, Sauer, Schuricht, Selve, S.H.W., Spyker, Steiger, Stoewer, Szawe, Turbo, Umann und Wanderer.
Alleine über Spyker gestaltete Beisel 10 Seiten mit technischen Erklärungen, Bauplänen und Fotos. Zu Steiger gibt es sogar 12 Seiten, die u.a. auch Ausschnitte aus einem Instruktionsfilm aus dem Jahr 1924 zeigen!
Nicht nur für Ingenieure
Dieses Buch ist nicht nur für technik-verliebte Ingenieure gedacht, sonder generell für Leute, denen die Vorkriegstechnik kein Buch mit sieben Siegeln ist. Die Darstellungen der vielen Anwendermarken mit viel seltenem Bildmaterial alleine empfehlen den Kauf des Buchs schon. So werden im Unterkapitel Pic-Pic gleich mehrere Fotos des von Max Maag nachträglich umgebauten Pic-Pic aus dem Jahr 1915 gezeigt.
Hätte Autor Beisel mit seiner Forschungsarbeit Geld verdienen wollen, dann hätte er sich sicher ein anderes Thema aussuchen müssen und nach 100 Seiten aufhören sollen, aber darum ging und geht es dem Ingenieur nicht. Wichtig sind ihm die Anerkennung der interessanten Entwicklung, die zu den Anfangszeiten von ZF, später Beisels Arbeitgeber, geleistet worden sind. Volltreffer!
Bibliografische Angaben
- Titel: Das Sodengetriebe - in Fahrzeugen der Zwanziger Jahre
- Autor: Dr. Ing. Werner Beisel
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Eigenverlag
- Format: Broschiert, A4-Format
- Umfang: 400 Seiten, Hunderte von Zeichnungen und Abbildungen
- ISBN: 978-3-00-058503-6
- Preis: EUR 39.90
- Kaufen/bestellen: Online über die Website des Autoren