Eine wahre Liebe wurde es nie. Die zwischen dem A2 und Audi. Ein Name wie die Autobahn von Oberhausen bis ans Dreieck Werder in Brandenburg. Mehr war den Marketingstrategen das 3-Liter Auto nicht wert? Kein mythisches überhöhen, keine markante Abkürzung, nein, ein Einfügen in die neue Nomenklatura von Audi. A8 oben, A2 unten. Damit war wohl alles klar. Und trotz des hohen Anspruchs, am Ende war nach gut 176’000 Exemplaren in sechs Jahren Schluss mit Vorsprung durch Technik.
Wie einst Kennedy
„Am Ende des Jahrzehnts werden wir ein 3-Liter Auto auf den Markt bringen.“, so die interne Mitteilung, die ich als junger Mitarbeiter in der Audi Public Relations über die internen Informationskanäle anfangs der Neunzigerjahre auf den Schreibtisch bekam. Klang prophetisch und ein wenig unvorstellbar. Kam natürlich vom Vorstandsvorsitzenden “himself”.
Ferdinand Piëch hatte grosse Pläne. Während wir noch in der Vermarktung von quattro Spyder und Avus quattro schwelgten, 509 PS W 12 und hofften, einer der beiden Granaten würde schon sowas wie eine Serienreife ergattern, war FAP, ganz visionär, schon wieder zwei Schritte weiter. Designer, Ingenieure und Kommunikationsleute erfreuten sich am RS 2 Avant, man zog langsam gleich und in der öffentlichen Aufmerksamkeit sowieso schon an der Konkurrenz vorbei. Man strebte vorwärts in Ingolstadt, sowohl im äusseren Erscheinungsbild als auch auf der linken Spur der Autobahn. Ein 3-Liter-Auto passte da nicht ganz ins allgemeine Selbstverständnis. Ganz sicher aber in die Zukunftsvorstellungen eben jenes Ferdinand Piëch, der Ingolstadt alsbald verlassen sollte.
Das 3-Liter Auto kommt: so oder so
Piëch wäre nicht Piëch, hätte er sein Versprechen nicht gehalten. Auch wenn die Ingolstädter ihn auf dem Weg dahin erstmal enttäuscht haben. Als er 1993 als Vorstandsvorsitzender nach Wolfsburg wechselte, war der Druck wohl ein wenig verflogen. Lieber präsentierte man aus Ingolstadt Studien zum Audi A8 und erste recht zum Audi TT. Ob offen oder geschlossen, sie sahen hinreissend aus. Und man war mit ihnen auch sportlicher unterwegs als mit einem 3-Liter Auto. Den Druck hatten nun die Kollegen in Wolfsburg im Nacken.
Trotz aller Sparziele bei Piëchs Antritt waren die Wolfsburger unter dem neuen Chef schon mal mit dem selben Projektziel betraut worden. Piëch, der den Wettbewerb nicht nur auf der Rennstrecke liebt, war nun in der Position Wolfsburg gegen Ingolstadt antreten zu lassen. Und natürlich hat er gewonnen. Der Lupo 3L war noch vor dem 3L Audi A2 am Markt.
Eine schwere Geburt
Nichts war leicht am A2. Um ein Auto in dieser Klasse mit einem Verbrauch von 3 Litern auf die Räder zu stellen, musste man am Gewicht sparen, hier waren die grössten Effizienzpotentiale versteckt. Um also an die zwei zusätzlichen Einsparungen zu kommen, musste man viele Dinge neu denken. Dabei schienen die Zutaten in Ingolstadt auf dem Tablett zu liegen. In der Aluminiumtechnologie war man federführend im Karosseriebau.
Schliesslich setzte der Audi A8 bei seiner Vorstellung1994 neue Massstäbe im Leichtbau. Und in der Motorentechnologie hatte Piëch mit der TDI-Entwicklung nicht nur einen Durchbruch erzielt, er war der Konkurrenz damit erstmal 10 Jahre voraus. Immerhin liess sich ein Audi A8 2,5 TDI mit 180 PS und Frontantrieb mit unter 8 Litern Diesel zügig über die Autobahn bewegen. Aber hier ging es um eine Luxuslimousine, da fettet man an jeder Ecke ein paar Kilo ab und schon spart man auch entsprechend.
Beim A2 sollten Golf-Dimensionen mit höchster Effektivität gepaart werden. Und da sich auch ein Golf mit TDI-Motor schon mit weniger als 5 Litern zügig und vor allem sparsam bewegen lies, kann man erahnen, dass der Aufwand enorm gewesen sein muss.
Alles neu denken
Irgendwann war auch in Ingolstadt wieder mal eine Stabübergabe und da wurde dem neuen Produktplanungsmanager vom Piëch-Nachfolger in Ingolstadt folgender Rat gegeben: „Wenn ich Sie wäre, würde ich zügig mit der Konzipierung und Entwicklung eines 3-Liter-Autos- anfangen.“
Erste extrem aerodynamisch ausgefeilte Vorschläge lehnte Piëch aber ab. So einfach liess er seine Ingenieure und Designer nicht davon kommen. Er wollte ein „vollwertiges, alltagstaugliches und für den Normalverbraucher bezahlbares Automobil.“ Dazu sollte es „variabel
nutzbar, sicher, mit Platz und Komfort für vier Personen sowie mit Fahrleistungen, die akzeptiert werden“ ausgestattet sein. Kompromisse wollte der Chef in Wolfsburg keine sehen. So zogen sich die Gedankenspiele um den A2 länger hin als erwartet und bündelten dann ein grosses Entwicklungsteam, bis das Auto endlich auf der IAA im Herbst 1999 vorgestellt werden konnte. Zwei Jahre zuvor waren bereits zwei Studien mit innovativen Merkmalen präsentiert worden. Man meinte es ernst in Ingolstadt…
Doch der Kostendruck auf das Projekt muss enorm gewesen sein. Am Ende begnügte man sich vielen Normteilen aus dem Audi Regal, versah das Ganze mit intelligenten Innenraum-Features, wozu sicher der doppelte Boden gehört, und entliess den Audi A2 auf die freie Wildbahn. Da hatte immerhin auch schon die Mercedes A-Klasse ihren Elchtest hinter sich. Den der A2 bei Auto, Motor und Sport selbstverständlich souverän absolvierte.
Absatzsorgenfalten
Aber so richtig wollte der A2 nicht zünden. Trotz seiner innovativen Technik, seiner hochwertigen qualitativen Anmutung auch und gerade im Vergleich zur A-Klasse – hier war der Audi A2 im Innenraum um zwei Klassen höher angesiedelt – , wurde das Fahrzeug als zu teuer empfunden und von der Presse auch als solches vorgestellt. Dazu mag auch der Name beigetragen haben. A2, am Ende der Audi-Hierarchie, und dann doch so teuer wie ein weit weniger innovativer Mercedes? Das wollte, sollte und konnte nicht gut gehen.
Während andere Audi Modelle Absatzrekorde feierten, stand der A2 wie ein unverstandenes Mauerblümchen im Showroom, wo ihm ein RS4 & Co. schnell mal die Show stehlen konnten Und dem Verkäufer trieben die Argumentationsnöte dicke Schweisstropfen auf die Stirn, angesichts des Spagats zwischen Höchstleistung und Höchsteffizienz.
Letztlich war der Vorsprung in der Höchstleistung des A2 nur viel zu gut versteckt: Aufwändig zu produzierende Aluminium-Karosserie gepaart mit herausragender Aerodynamik in einer qualitativ hochwertigen Verpackung. Das war gar nicht so einfach zu erkennen. Am Ende muss es wohl auch im Marketing attraktiver gewesen sein, sich um einen A8 oder den TT zu kümmern als um den A2. Und als dann ein neuer Chef kam, waren die Tage des A2 sowieso gezählt.
Vom 3 Liter Modell, das es für einen moderaten Aufpreis von € 450,– zum vergleichbaren 1,4 TDI gab, wurden gerade mal 6450 Fahrzeuge gefertigt. Das muss man sich mal vor Augen halten. Da gibt es das 3-Liter Auto zu kaufen. Mit vier Türen und in bester Qualität und für unter € 20’000,–, damals also in der Golf-Preisklasse, und niemand greift zu? Heute fast unvorstellbar.
Fazit
Die Geschichte des Audi A2 war kurz, aufregend und ist noch nicht zu Ende. Dirk Michael Conradt, der ehemalige Chefredakteur von Motor Klassik und bekennender Audi A2-Fan und -Fahrer hat sie niedergeschrieben. Und damit auf über 250 Seiten eine Klassikerperle porträtiert, dessen Erfolg mit der Produktionseinstellung begann. Schliesslich erfreut sich der Audi A2 am Gebrauchtwagenmarkt höchster Beliebtheit. In und um Ingolstadt zählt er zu den begehrten Zweitwagen. Da kann so ein Wagen schon mal ein Drittel des Neupreises kosten, wenn er kein Kilometerkönig ist. Ein Erfolg, der wahrscheinlich auch die Macher von Audi im Nachhinein überrascht hat. Denn einen Nachfolger hatte man schon mit den ersten Absatzproblemen nicht vorgesehen.
Nun kann uns das Buch von Conradt all die Lücken füllen, die wir nicht kennen. Es ist ihm gelungen. Aufwändig recherchiert, dazu interessante Blicke hinter die Kulissen und umfassende Informationen bis zur kurzen Kaufberatung. Daten, Fakten und Tabellen runden das Bild einer guten Monografie auf 250 Seiten an.
Die Liebe zu dem Auto ist dem Autor an der ganzen Aufmachung des Buches anzumerken. Das Buch ist wie das Auto: Seine Qualitäten verstecken sich im Inneren. Und das zu einem Ladenpreis von € 39,90. Das entspricht knapp einer Tankfüllung für den A2 mit günstigem Diesel. Genug, um einmal auf der A2 hin und zurück zu fahren. Im Audi A2 1,2 TDI 3l sogar noch ein gutes Stück weiter.
Bibliografische Angaben
- Titel: Audi A2 - Meilenstein und Kultobjekt
- Autor: Dirk-Michael Contradt
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Delius-Klasing
- Auflage: 1. Auflage Juli 2018
- Format: Gebunden, mit Schutzumschlag, 280 x 27 x 297 mm
- Umfang: 258 Seiten, 363 Fotos und Abbildungen
- ISBN: 978-3-3667-11398-6
- Preis: EUR 39,90
- Kaufen/bestellen: Online bei amazon.de , online beim Delius-Klasing Verlag oder in der gut assortierten Buchhandlung
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