Es ist sicher kein Zufall, dass der Ferrari 250 GTO das teuerste Automobil der Geschichte ist. Im Jahr 2012 wechselte ein Exemplar, das einst von Stirling Moss gefahren wurde, für USD 35 Millionen den Besitzer. Dies ist eine beeindruckende Summe Geld für ein Fortbewegungsmittel, aber der GTO ist mehr als dies.
Der Ferrari 250 GTO gilt als letzter alltagstauglicher Rennwagen aus dem Hause Ferrari, wurde in gerade einmal 39 Exemplaren gebaut und war im Rennsport überdurchschnittlich erfolgreich. Drei Weltmeisterschaftstitel, unzählige Renn- und Klassensiege gehen auf das Konto des "Gran Turismo Omologato" aus dem Hause Ferrari. Neben den vorherrschenden Dreiliter-Versionen gab es aber auch noch die weniger bekannte Vierliter-Version, die es gerade einmal auf drei Exemplare brachte.
Der Gänserich als Vorreiter
Giotto Bizzarrini erheilt im Jahr 1961 den Auftrag, einen superschnellen GT-Sportwagen zu bauen. Als Basis wurde ein altes Chassis genommen, der Radstand auf 2,4 Meter verkürzt und ein V12-Motor aus dem Sportwagen Testa Rossa weit hinter der Vorderachse eingebaut. Dies erzeugte eine ausgeglichene Gewichtsverteilung.
Eigentlich wollte Bizzarrini dem Wagen ein kombiartiges Karosseriekleid verpassen, wie es später beim sogenannten “Breadvan” umgesetzt wurde, doch Enzo Ferrari bestand auf einer formschönen Aluminiumhülle. Weil Bizzarrinis Projekt im Geheimen ablief, hämmerte der Bruder eines Mechanikers, ein Mann namens Agnani, die erste Karosserie von Hand. Diese erwies sich, trotz noch fehlender Abrisskante am Heck, als sehr aerodynamisch und zeigte bereits die typischen GTO-Details, wie wir sich heute kennen: Lange Haube, Hutze über den Vergasern, zusätzliche Kühlöffnungen über der Nase. Der Prototyp wurde wegen seines Aussehens “Gänserich” genannt.
Die Rundenzeiten, die der Prototyp in Monza im August 1961 erreichte, lagen auf F1-Niveau.
Dem 26-jährigen Mauro Forghieri fiel nach dem Abgang von Bizzarrini die Aufgabe zu, den Wagen fertigzuentwickeln und er tat dies mit Bravour.
Im Februar 1962 wurde der neue Wagen, nun von Sergio Scaglietti eingekleidet, den Journalisten vorgestellt.
Erfolge über Erfolge
Schon im März 1962 errang der neue GT seinen ersten Klassensieg in Sebring. Trotz Kompromisse, die wegen des GT-Reglements eingegangen werden mussten, erwies sich der Wagen von Anfang an als sehr schnell. Eingesetzt wurden die Ferrari 250 GTO von Privatteams wie der der Scuderia Serenissima, der Scuderia Filippinetti oder dem North American Racing Team (N.A.R.T.) und sie errangen Sieg um Sieg.
Als Ergebnis konnten die Weltmeisterschaften 1962 und 1963 heimgefahren werden. Für 1964 wurde der GTO überarbeitet, erhielt ein neues Karosseriekleid mit Elementen des Ferrari 250 LM und konnte, wenn auch knapp die Weltmeisterschaft 1964 für sich entscheiden.
Das Vierliter-Derivat
Da die Organisatoren der 24 Stunden von Le Mans 1962 bezüglich Reglement eigene Wege gingen und eine neue Prototypen-Klasse für Motoren bis 4 Liter einführten, geriet Ferrari unter Zugzwang. Um sich den Sieg zu sichern, wurde ein Wagen mit dem entsprechenden Hubraum benötigt. Der Motor war schnell gefunden, denn der 400 Superamerica bot genau die richtige Basis.
Mit entsprechender Feinarbeit am Colombo-V12 erreichten die Ferrari-Ingenieure rund 390 bis 400 PS Leistungsoutput. Eingebaut wurde der vergrösserte Motor einerseits in einen von Fantuzzi eingekleideten Prototypen-Spider 330 TRI/LM, andererseits in drei verlängerte 250-GTO-Chassis.
Nur einer dieser drei Vierliter-GTOs war im Rennsport erfolgreich, Noblet/Guichet errangen den Klassensieg und zweiten Gesamtplatz bei den 1000 km auf dem Nürburgring im Jahr 1963 damit. Die Prototypen-Variante 330 TRI/LM hingegen errang mit den Fahrern Phil Hill und Olivier Gendebie einen grossen Sieg in Le Mans, während Mike Parkes und Lorenzo Bandini mit dem 330 GTO in Le Mans nach 56 Runden wegen Überhitzungsproblemen ausschieden.
Atemberaubende Schönheit
Optisch unterscheidet sich der 330 GTO nur geringfügig vom kleineren Bruder. Der verlängerte Radstand erzwang einen leicht vergrösserten Buckel über den Vergasern und die übrigen Proportionen mussten minimal angepasst werden. Wie die 250 GTO Modelle erhielten auch die 4-Liter-Varianten handgetriebene Karosserien aus dem Hause Scaglietti.
Als Referenz wurde ein Drahtmodell verwendet, an dem man die gehämmerten Aluminium-Bleche auf Passgenauigkeit prüfen konnte. Kein GTO war wie der andere, was teilweise allerdings nur mit dem Massstab verifiziert werden konnte.
Genauso wie seine Brüder hatte auch der GTO ein vergleichsweise karges und auf den Rennsport ausgelegtes Interieur. Um Gewicht zu sparen wurde nur eine Lackschicht aufgetragen.
Und wie alle anderen GTO-Modelle musste auch der 330 GTO mit einer Starrachse hinten auskommen, nur so waren die Homologationsbestimmungen erfüllbar.
Fahrerisch unterschied sich der 330 GTO nur unwesentlich von seinen leistungsschwächeren Brüdern, entsprechende Eindrücke können im damaligen Bericht in der Automobil Revue Nr. 9/1963 nachgelesen werden.
Vier Nachzügler
Für 1963 wurde nochmals vier Granturismo-Sportwagen mit dem Vierliter-Motor ausgerüstet. Diese “330 LMB” gelten nicht als GTOs im herkömmlichen Sinne und sie unterschieden sich auch optisch von den Dreilitermodellen.
Während die Front dem erfolgreichen GT-Sportwagen glich, nahm das Heck Anleihen beim 250 GT Lusso. Das Ergebnis war aerodynamisch sehr effizient, auf der Hunaudières erreichten die 330 LMB über 300 km/h. Trotzdem schaute gerade einmal ein fünfter Gesamtrang und der Klassensieg in Le Mans heraus, neben einem Klassensieg bei der Guards Trophy von Brands Hatch. Das Werk konzentrierte sich auf Mittelmotor-Prototypen.
Obschon seltener und schneller als die 3-Liter-Varianten stehen heute die klassischen 250 GTO Modelle höher in der Käufergunst. Aber so ganz genau kann man dies wohl erst wissen, wenn vielleicht irgendwann einer der drei 330 GTO auf den Markt kommt.
Chassis-Nummern der 250/330 GTO-Modelle
Die folgende Liste zeigt alle Chassis-Nummern der GTO-Produktion. Nicht inbegriffen sind der Bizzarrini-Prototyp und die Pininfarina Berlinetta Sperimentale, sowie die 330 LMB Modelle.
Fahrgestell | Hubraum | Kommentar |
---|---|---|
3223 | 3 Liter | erster offizieller GTO, präsentiert ohne Heckspoiler an der Pressekonferenz am 24. Februar 1962 |
3387 | 3 Liter | |
3413 | 3 Liter | umkarossiert auf 1964-er Modell |
3445 | 3 Liter | |
3451 | 3 Liter | |
3505 | 3 Liter | Rechtslenker |
3527 | 3 Liter | 1965 von Graber mit Stossstangenhörnern und VW-Transporter-Heckleuchte, sowie luxuirösem Interieur veredelt |
3589 | 3 Liter | Rechtslenker |
3607 | 3 Liter | |
3647 | 3 Liter | Rechtslenker |
3673 | 4 Liter | |
3705 | 3 Liter | |
3729 | 3 Liter | Rechtslenker |
3757 | 3 Liter | |
3765 | 4 Liter | erhielt den 3-Liter-Motor im Jahr 1964 |
3767 | 3 Liter | Rechtslenker |
3769 | 3 Liter | |
3809 | 3 Liter | Sieger Solitude 1962 |
3851 | 3 Liter | |
3869 | 3 Liter | Rechtslenker |
3909 | 3 Liter | ursprünglich Scuderia Serenissima, dann Scuderia Filipinetti |
3943 | 3 Liter | |
3987 | 3 Liter | |
4091 | 3 Liter | umkarossiert auf 1964-er Modell |
4115 | 3 Liter | einziger GTO, der neu nach Deutschland verkauft wurde |
4153 | 3 Liter | |
4219 | 3 Liter | |
4293 | 3 Liter | |
4399 | 3 Liter | Rechtslenker,Ende 1963 umkarossiert auf 1964-er Modell |
4491 | 3 Liter | Rechtslenker |
4561 | 4 Liter | |
4675 | 3 Liter | Ende 1963 mit Karosserie des 1964-er-Modelles versehen |
4713 | 3 Liter | im Stil des Prototyps 330 LMB gestaltetes Modell |
4757 | 3 Liter | |
5095 | 3 Liter | |
5111 | 3 Liter | |
5571 | 3 Liter | 1964-er-Modell |
5573 | 3 Liter | 1964-er-Modell |
5575 | 3 Liter | 1964-er-Modell |
Dann melden Sie sich an (Login).