Wenn er’s erlebt hätte, wäre er im September 2019 80 Jahre alt geworden! Gemeint ist Gianclaudio „Clay“ Regazzoni, mit fünf Grand-Prix-Siegen der erfolgreichste Schweizer Formel-1-Pilot.
Kometenhaft war sein Aufstieg über die Formel 3, Formel 2 bis in die Formel 1 und dort gleich ins Cockpit eines Ferraris. Im selben atemlosen Tempo ging es in seiner Karriere weiter: Debüt im Grand Prix von Holland 1970 mit einem vierten Platz (er lag bereits auf Platz drei, als er den Teamkollegen Jacky Ickx vorbei lassen musste), Sieg im Grand Prix von Italien in Monza zweieinhalb Monate später – notabene in seinem erst fünften Formel-1-Rennen. Und die Krönung der Saison: Formel-2-Europameister, damals eine hartumkämpfte Rennserie, in der die wildesten und härtesten Nachwuchsrennfahrer konkurrierten. Die Formel 1 hatte einen neuen Helden, und dank seines Aussehens noch einen charismatischen dazu.
Gefährliche Zeiten
Die Rennen in dieser Epoche waren gefährlich. Helmut Zwickl, Österreichs Formel-1-Journalisten-Ikone, formulierte dies in einem Buchtitel drastisch: „Damals – als Sex noch sicher und die Formel 1 gefährlich war“. Sie war nicht nur gefährlich, sie war tödlich. Allein in der Zeit von Regazzonis Debütrennen bis zu seinem ersten Sieg verunglückten mit Bruce McLaren, Piers Courage und Jochen Rindt drei Formel-1-Piloten.
Später Einstieg in den Rennsport
Erst spät, mit 24 Jahren, startete der Schweizer seine Rennsportkarriere mit einem Austin Healey Sprite in der Schweizer Meisterschaft, ebenso spät – mit 30 Jahren – debütierte er in der Formel 1. Heute, bei der die Rennfahrerkarrieren quasi im Vorschulalter im Go-Kart beginnen, schlicht undenkbar!
Nach zwei Saisons im Ferrari wechselte Regazzoni nach einem Zerwürfnis mit Enzo Ferrari 1973 zu BRM, die Saison endete mit zwei mageren sechsten Plätzen und zwei WM-Punkten. Dann kehrte er – mit Niki Lauda im Schlepptau zur Scuderia zurück. Und wie: Bis zum letzten Rennen hatte er 1974 Chancen, die Saison mit dem Weltmeistertitel zu krönen.
Leichtfertig gaben die Italiener den Triumph aus der Hand. Mauro Forghieri, Ferrari-Renningenieur, der Aufhängungsteile für Regas Ferrari im Handgepäck mitführte, verpasste den Flieger (!), mit grössten Handlingsschwierigkeiten wurde Regazzoni im GP der USA – nur aus der fünften Startreihe ins Rennen gegangen – bis auf Platz 11 durchgereicht. Aus der Traum vom WM-Titel, einmal mehr „grande casino italiana“!
Immerhin: Bis heute erreichte kein weiterer Schweizer Pilot den Vize-Titel. Und 1974 wählten ihn die Schweizer Sportjournalisten zum „Sportler des Jahres“.
Vom Aufsteiger zum Absteiger
Nach zwei weiteren Ferrari-Jahren musste Regazzoni die Italiener verlassen, der Commendatore bot dem Tessiner keine Vertragsverlängerung mehr an. Der charismatische Formel-1-Star musste mit dem unterfinanzierten Newcomer-Team von Mo Nunn vorlieb nehmen und mit einem Ensign-Ford an den Start gehen. Magere 5 Punkte, zwar hart erkämpft, bedeuteten nur gerade den 17. Platz in der Weltmeisterschaft. Dann folgte ein weiteres mageres „Schatten-“Jahr bei Shadow mit 4 Punkten und Platz 16.
Kampf zurück an die Spitze
1979 war Regazzonis Comeback-Saison. Von vielen bereits abgeschrieben, enterte er ein Cockpit im Team von Frank Williams. Bei Grossen Preis von England startete der Schweizer aus der zweiten Startreihe und sicherte sich mit dem Williams FW07-Ford seinen fünften Formel-1-Erfolg und für Frank Williams den ersten überhaupt.
Die WM beendete der mit 29 Punkten auf dem fünften Platz. Dies genügte in den Augen Frank Wiiliams‘ nicht – Rega erhielt keinen Vertrag für die Saison 1980. Williams wurde mit der Aussage zitiert, er wolle nicht die beste Nummer 2 sondern die schnellste Nummer 2 im Team haben…
Regazzoni kehrte zu Mo Nunn ins Team Ensign-Ford zurück, hoffnungslos um ein gutes Resultat kämpfend, während Williams mit Alan Jones den ersten von bis heute insgesamt neun WM-Titeln holte und Carlos Reutemann, der Regazzoni-Ersatz, auf dem dritten WM-Rang landete.
Tragischer Unfall
Am 30. März 1980 stand der Grosse Preis der USA West in Long Beach auf dem Programm. Mit seiner Ensign-Krücke schaffte er es gerade noch noch auf dem vorletzten Startplatz in die Startaufstellung – letzter war Ex-Weltmeister Emerson Fittipaldi auf seinem Copersucar-Ford.
Der alte Kämpfer Regazzoni arbeitete sich bis auf Platz vier (!) vor, als in der 51. Runde, ausgerechnet in der Bremszone nach dem schnellsten Teil der Strecke, der „Shoreline-Drive-Geraden“, das Bremspedal am Ensign brach, er ungebremst in die Auslaufzone raste und dort auf den abgestellten Brabham von Riccardo Zunino prallte.
Rega bezahlte den Unfall mit unzähligen Brüchen, und viel schlimmer, mit derartig gravierenden Rückenwirbelverletzungen, dass er für den Rest seines Lebens zum Paraplegiker wurde. Der Komet verglühte unter der Sonne Kaliforniens…
Fast unzerstörbar
In England nannten sie ihn „den Unzerstörbaren“ – Regazzoni hatte soviele Unfälle, die er bis auf seinen vorletzten in Long Beach und den ultimativen auf der Autobahn in Parma 2006 alle unverletzt überstand. 1968, beim Formel-3-Rennen in Monaco prallte er in die Leitplanke, seine Geistesgegenwart, buchstäblich in letzter Sekunde den Kopf einziehen, verhinderte, dass er geköpft wurde, als der Monoposto unter den Leitplanke hindurch rutschte. Beim Grand-Prix von Südafrika 1973 zog ihn Mike Hailwood bewusstlos aus dem brennenden Auto, Rega hatte mehr Glück als Roger Williamson, den eine Woche später beim Grossen Preis von Holland niemand aus dem Auto zerren konnte und der vor den Augen seines Freundes David Purley jämmerlich verbrannte.
Ein Abflug mit dem Alfa Romeo 33 beim Training zur sagenumwobenen Targa Florio 1973 endete für den Tessiner glimpflich: Im bergigen Teil der 72 km langen Strecke landete er nach Überschlägen in der Botanik, dem völlig zerstörten Rennwagen, der mit den Rädern nach oben zu liegen kam, entstieg er unverletzt.
m Training zum Indy 500 1977 lenkte Regazzoni einen McLaren-Offenhauser mit rund 880 PS. In Kurve drei kam er von der Strecke ab, überschlug sich, zerlegte seinen Rennwagen in Einzelteile, kam auf den Rädern (oder was davon übrig blieb) wieder zu stehen – und stieg völlig unverletzt aus.
Teamsponsor Teddy Yip schenkte Regazzoni später ein Päckchen: Die Schrottpresse reduzierte die Überbleibsel des Rennwagens auf die Grösse 50x50 Zentimeter.
Auch beim letzten Rennen auf dem Weg zum Formel-2-Europameistertitel 1970 hatte Regazzoni grosses Glück: Bei der Anfahrt zur Rechtskurve zum Motodrom von Hockenheim wagte er ein Ausbremsmanöver gegen Dieter Quester, lag innen eine halbe Wagenlänge vor dem Österreicher, als jener nach rechts zog und ein vertiables tête-à-queue verursachte. Beide konnten glücklicherweise weiterfahren, mit dem 2. Platz hinter Quester sicherte sich Regazzoni den Titel.
Übrigens: Die Formel-1-Stewards sollten sich diese Szene einmal im Video ansehen, bevor sie sich wieder zu einer ihrer unsäglichen, schwer begründbaren „Strafen“ hinreissen lassen …
Eckpunkte aus Clay Regazzonis Leben
- Geboren am 5. September 1939 in Porza (TI) bis 15. Dezember 2006 nahe Fontevivo bei Parma (I)
- Formel-2-Europameister 1970
- 132 Starts bei Formel-1-Grand-Prix
- 212 WM-Zähler
- 28 Podestplätze
- 5 Grand-Prix-Siege
- 5 Pole Positions in F1 Grand Prix
- 15 schnellste Runden in F1-Grand Prix
- Formel-1-Vizeweltmeister 1974
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«Wörtlich von Clay: Mir war klar Quester kann die Kurve nicht mehr kriegen, aber ich konnte nicht mehr länger warten und musste Einlenken!»
Es war Ihm voll Bewusst das er damit mit Quester zusammen stösst!
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Edy Bürki, lebenslanger Clay-Fan
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