Liebe Leserinnen und Leser,
gegen Ende des Jahres 1979 gab es dann doch nochmal zwei ordentliche Paukenschläge in der deutschen Motorsport-Szene. Das waren einmal der große Sparhammer bei BMW und zum anderen der völlig überraschende Wechsel von DRM-Rekordsieger Klaus Ludwig von Kremer-Porsche zurück zu Ford inklusive Rechtsstreit und Strafgeld-Forderungen als Begleitmusik.
Beginnen wir mit BMW. Aus Kostengründen wurde das seit 1977 zunächst in der DRM und danach in der Formel 2-EM so erfolgreiche und beim Publikum beliebte Junior-Team nicht fortgeführt und die Fahrer freigestellt. Was BMW-Sportchef Jochen Neerpasch einst voller Stolz als Experiment gestartet hatte, wurde zu einer Erfolgsgeschichte, um den ihn viele seiner Kollegen beneidet haben.
Und dann trifft es den armen Neerpasch gleich noch doppelt, denn auch sein schon weit fortgeschrittenes Projekt „Formel 1 Turbo Motor“ wird vom BMW-Vorstand gestoppt. Für Jochen war das damals ein Schock, der nur wenig später bei ihm zur Entscheidung führte, BMW nach acht Jahren zu verlassen und mit dem Turbo-Triebwerk im Handgepäck bei der PSA-Gruppe (Peugeot, Talbot, Citroen) ein Formel 1-Team unter dem Namen Talbot aufzubauen.
Der F1-Technik-Transfer fand mit Genehmigung des BMW-Vorstands statt, was in den Wochen und Monaten danach zu einer Art Revolte der „Hinterbliebenen“ im eigenen Haus führte. Nach verbissenem internen Kampf der Herren Paul Rosche, Dieter Stappert & Co. um die Rettung der F1-Technologie lenkten die BMW-Oberen dann doch noch ein und ermöglichten so den Verbleib des F1-Pakets im eigenen Haus. Was sich dann bis 1983 daraus für eine Erfolgsstory entwickelt hat, dürfte bekannt sein…
Nun zum Thema Kremer/Ludwig/Ford, für die Kölner Boulevard-Presse ein wahrer Leckerbissen in den an Schlagzeilen armen Wintermonaten. Was war passiert? Klaus Ludwig, bekanntlich für 1979 und 1980 bei Porsche-Kremer unter Vertrag, hatte mal eben schnell wieder bei seinem alten Partner Ford unterschrieben, um mit einem neuen Monster-Capri (1,7 Liter Turbo, bis zu 700 PS) in der DRM 1980 gegen die Porsche 935 Turbo in der großen Division anzutreten.
Als die Kremer-Brüder Erwin und Manfred so nebenbei erfuhren, dass ihr Nummer 1-Pilot bei Ford unterschrieben hatte, machten sich bei den beiden Empörung, Wut und Enttäuschung breit. „Wir haben Klaus mit unserem Porsche K3 die beste Saison seines Lebens ermöglicht – und das ist nun der Dank dafür“, haderte Erwin im Kölner „Express“.
Dort und in „Bild Köln“ gab es im weiteren Verlauf noch ganz andere Schlagzeilen wie „Wir werden Klaus Ludwig verklagen“ oder „Ford hat unseren Fahrer gestohlen“. Ford-Sportchef Kranefuss freilich ließ mit Unschuldsmiene verlauten, „dass der Klaus sein Problem mit Kremer schon alleine lösen muss“.
Derweil hatte Ludwig eine Kremer-Klage auf Zahlung von 50.000 D-Mark am Hals. Anschließend scheitern mehrere Vergleichsversuche vorm Amtsgericht Bonn, bis es schließlich drei Monate später zur Hauptverhandlung kommen sollte. Die wude allerdings noch vor dem Aufruf der Parteien abgesetzt, weil der neben dem Beklagten Ludwig und dem Kläger Kremer Racing erschienene Bevollmächtigte des Hauses Ford eine Zahlungsgarantie über die strittige Summe von 50.000 DM präsentierte.
Damit war der leidige Fall vom Tisch und Ludwig für Ford und den neuen Super-Capri frei. Ein bitterer Nachgeschmack blieb trotzdem – und im verwaisten Ludwig-Porsche, 1980 im neuen Jägermeister-Outfit, saß schließlich Axel Plankenhorn.
Zum Schluss dieses Kommentars nutze ich die Gelegenheit, um mich in Sachen „Rückspiegel“ von den Lesern zu verabschieden. Ich habe der Redaktion mitgeteilt, dass ich ab sofort kürzer treten und mehr Zeit für mich und meine Familie haben möchte. Wenn man wie ich im nächsten Jahr die 80 Lenze vollmacht, ist diese Entscheidung sicher nachvollziehbar. So habe ich mich entschlossen, zumindest mal zeitintensive und belastende Wiederholungstermine aufzugeben, wozu auch das monatliche Durchstöbern alter Magazine für den „Rückspiegel“, die Bildersuche, das Analysieren und Kommentieren zählt. Und schließlich müssen die Ereignisse auch zu lesenswerten Meldungen verarbeitet werden. Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen in den zwei Jahren der Serie ein bisschen Rennsport-Historie aus den Siebziger-Jahren zurückbringen konnte und Sie als Leser Verständnis für meine Entscheidung haben. Und so ganz geht man bekanntlich ja nie – durchaus denkbar, dass ich der Redaktion je nach Lust, Laune und Zeit noch die eine oder andere Lesegeschichte liefere oder mich für dieses oder jenes Thema begeistern lasse. Wie schon gesagt, dazu braucht es bei mir jetzt Zeit, Lust und Laune.
Herzlichst
Rainer Braun
F-1-WM: Surer zu ATS, Stuck ohne Team
Große Chance für Formel-2-Europameister Marc Surer: Der Schweizer steigt 1980 in die Formel 1 auf und erhält einen Vertrag beim deutschen ATS-Team. Sein Teamkollege wird der Holländer Jan Lammers. Dafür muss Hans-Joachim Stuck seinen Platz bei ATS räumen und steht fürs nächste Jahr ohne Formel 1-Sitz da. Stattdessen plant der Grainauer mit BMW eine Rückkehr in die Deutsche Rennsport-Meisterschaft, wo er für Schnitzer mit einem 320-Turbo starten soll.
Rallye-WM: Ford siegt und steigt aus
Mit einem Doppelsieg bei der RAC-Rallye und dem Gewinn der Fahrer- und Markenwertung durch Björn Waldegaard und Hannu Mikkola verabschiedet sich das britische Ford-Werksteam nach mehr als 15-jähriger Präsenz aus der Rallye-WM. Obwohl der Escort RS 1979 eines seiner besten Rallye-Jahre erlebt, will Ford das Auto nicht mehr werksseitig einsetzen. Eventuell sollen die bisherigen Werkswagen samt der Piloten an ein Privatteam abgegeben werden. Beim letzten WM-Lauf an der Elfenbeinküste im Dezember startet Ford bereits nicht mehr und leiht seine Top-Piloten Waldegaard und Mikkola an Mercedes aus. Damit können die Stuttgarter mit dem neuen Welt- und Vize-Weltmeister zum Großangriff mit insgesamt vier 450 SLC antreten.
DRM I: Riesenwirbel um Ludwig-Wechsel zu Ford
Trotz eines rechtsgültigen Vertrags mit dem Kölner Porsche-Kremer-Team für 1980 wechselt Rennsportmeister Klaus Ludwig völlig überraschend zurück zu seinem alten Arbeitgeber Ford. Dort soll er in der neuen Saison mit einem so-genannten „Super-Capri-Turbo“ die Dominanz der Porsche 935 in der großen Division beenden. Erwin Kremer: „Wir sind unglaublich enttäuscht, dass Klaus nach einem so erfolgreich Jahr bei uns seinen Vertrag bricht. Abgesehen von den 50.000 DM Vertragsstrafe werden wir rechtliche Schritte prüfen lassen. Ich glaube, er wird diesen unüberlegten Schritt noch bereuen.“

Ford-Sportchef Mike Kranefuss hält sich vornehm zurück: „Falls es Probleme mit Kremer gibt, muss der Klaus das alleine regeln. Wir schalten uns da nicht ein.“ Als Konsequenz des Ludwig-Wechsels zu Ford wird Hans Heyer die Kölner nach fünf erfolgreichen Jahren verlassen und dem Vernehmen nach zu Lancia wechseln. Nochmals Kranefuss: „Ludwig und Heyer in einem Team – das war schon in der Escort-Zeit Mitte der Siebziger-Jahre schwierig und würde jetzt noch problematischer.“
DRM II: Vertragszoff Ludwig vs. Kremer eskaliert
Im Vertragsstreit zwischen Klaus Ludwig und Porsche-Kremer verhärten sich die Fronten. Kremer pocht auf Erfüllung der gültigen Zweijahres-Vereinbarung mit Ludwig und verlangt von seinem zu Ford übergelaufenen Nummer-1-Piloten eine Ablösezahlung von 50.000 Mark. Nachdem der erste Gerichtstermin trotz Vergleichsvorschlags des Richters gescheitert ist, geht das Verfahren in die nächste Runde. Erwin Kremer präzisiert empört: „Klaus hatte bei uns mit dem Gewinn der DRM und Le Mans sein bisher bestes Jahr und als Dank dafür begeht er Vertragsbruch. Uns geht es vorrangig gar nicht ums Geld, sondern wir wollen nur unseren rechtmäßigen Fahrer zurück haben.“
Das Kölner Porsche-Team zieht inzwischen sogar in Erwägung, Ludwigs Starts für Ford notfalls mit einer Einstweiligen Verfügung zu blockieren. Seitens Ford betont Sportchef Mike Kranefuss nochmals ausdrücklich: „Wir werden keinesfalls in die juristische Auseinandersetzung zwischen Kremer und Ludwig eingreifen – das müssen die Parteien alleine regeln. Von Abwerben kann jedenfalls keine Rede sein.“ Ein neuer Gerichtstermin ist nicht vor Ende Februar 1980 zu erwarten.
CanAm-Serie: Ickx und Rosberg machen Kasse
Jacky Ickx (Lola-Chevy) hat sich im letzten Rennen der der CanAm-Serie gegen Keke Rosberg durchgesetzt und dem Finnen den Gesamtsieg vor der Nase weggeschnappt. Die beiden Formel-1-Stars kassieren auch den Löwenanteil des Preisgelds – Ickx knapp 210.000 und Rosberg rund 100.000 Dollar. Gleichzeitig gibt Jacky Ickx nach 13 Jahren Formel 1 seinen Rücktritt aus dem Grand-Prix-Sport bekannt. Er möchte künftig nur noch Sportwagen-Rennen fahren.
BMW I: Vorstand kippt Formel-1-Motorenprojekt
Weiterentwicklung und Test-Einsätze des BMW-Turbo-Motors für die Formel 1 sind einem Vorstandsbeschluss zufolge gestoppt. Die Entscheidung hat in München bei Sportchef Jochen Neerpasch und dem Entwicklungsteam um Paul Rosche große Enttäuschung ausgelöst. Das 1.4-Liter-Turbo-Triebwerk zeigte auf dem Prüfstand bereits hohe Leistungswerte und erstaunliche Standfestigkeit. Testrennen im Werks-BMW 320 von Markus Höttinger bei DRM-Läufen brachten wertvolle Erkenntnisse für die Ingenieure der Projektgruppe. Ein Formel-1-Engagement von BMW als Motoren-Lieferant ist damit zunächst gestorben.
BMW II: Kein Junior-Team, keine Werksautos
Großes Sparprogramm bei BMW. Das Junior-Team, seit seiner Premiere 1977 in der DRM und in den beiden letzten Jahren in der Formel- 2-EM festes Standbein der Münchner, wird zum Jahresende aufgelöst. Pech für das schon in den Startlöchern stehende neue Nachwuchs-Trio Höttinger, Bürger und Winkelhock. Die drei sollten eigentlich 1980 als neue F2-Juniortruppe im March-BMW-Werksteam ausrücken. Obwohl die Junioren Bruno Giacomelli (1978) und Marc Surer (1979) für BMW den EM-Titel einfuhren, wird das erfolgreiche Nachwuchsprogramm aus Kostengründen nicht fortgeführt.
BMW bleibt allerdings Motoren-Lieferant gegen Bezahlung bei ausgesuchten Teams. Auch in anderen Rennserien gibt es kaum noch Werks-Einsätze, aber auch hier soll die Unterstützung der Tuner-Teams mit Material bestehen bleiben. Sogar die hauseigene M1-Procar-Serie wird nach nur einem Jahr ausgelagert und unter externer Regie weiter betrieben. BMW übernimmt lediglich noch den Ersatzteil-Service an den Rennplätzen, Gagen für F1-Piloten im Procar-Feld werden zumindest nicht mehr von BMW übernommen.
Nachwuchs: Cassani holt R5-Talent Christian Danner
Viel Mut beweist der Münchner Markisen-Fabrikant und Rennstall-Besitzer Manfred Cassani mit der Verpflichtung des 21jährigen Renault 5-Cup-Vizemeisters Christian Danner. Der Sohn des berühmten Münchner Unfall-forschers Max Danner soll 1980 eine volle Saison im Cassani-BMW M1 und über-dies sporadische Rennen im Ralt-BMW-Formel 2 bestreiten.
Jung-Profi Danner, der nebenbei noch Maschinen-bau studiert, muss sich von 90 PS im Renault 5 Cup-Auto auf rund 300 PS im Formel 2 und gar auf knapp 500 PS im Procar-M1 umstellen.
In aller Kürze
Claude Haldi (Porsche 911) ist Schweizer Rallye-Meister und überdies Gewinner der begehrten BP-Trophy +++ Österreichs Nachwuchstalent Markus Höttinger fährt 1980 eine volle F2-EM-Saison für das deutsche Maurer-Team
+++ Bernard Darniche siegt zum fünften Mal bei der Rallye Korsika – diesmal mit Lancia +++ Jean-Pierre Nicolas (34) gibt nach 16 Jahren im Rallyesport seinen Rücktritt bekannt +++ Rallye-Europameister Jochi Kleint erhält mit dem „Großen ONS-Pokal“ die höchste Auszeichnung im deutschen Motorsport +++ BMW M1-Doppelsieg beim 6 h-Rennen in Kyalami - Kelleners/ Keizan (D/RSA) im Eggen-berger-M1 vor Stuck/ Winkelhock im Cassani-M1 +++ Das Indy-Projekt von Porsche nimmt Gestalt an - in Cooperation mit dem US-Team Interscope lassen die Stuttgarter einen kompletten Indy-Rennwagen bauen. Premiere soll beim Indy 500 Ende Mai mit dem amerikanischen Oval-Spezialisten Danny Ongais im Cockpit sein. Danach soll der Indy-Porsche noch bei weiteren Läufen der USAC-Serie starten. Der von Porsche konstruierte Sechs-Zylinder-Turbo-Motor schöpft aus 2,6 Litern Hubraum etwa 630 PS
+++ Vierfach-Sieg der vier eingesetzten Mercedes 450 SLC 5.0 beim Schlusslauf der Rallye-WM an der Elfenbeinküste: Mikkola/Hertz (SF/S) gewinnen vor Waldegaard/Thorszelius (S), Cowan/Kaiser /GB/D) und Preston/Doughty (RSA).
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wer weitere unterhaltsame Berichte und Interviews von und mit Rainer Braun sucht, der findet diese auf dem Youtube Kanal "Alte Schule-die goldene Ära des Automobils". Sehr zu empfehlen!
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herzlichen Dank an Rainer Braun für die tollen Berichte.
Waren immer schöne Erinnerungen an meine Jugendzeit, die ich teilweise Live erlebt habe.
Mit 80 darf man schon mal kürzer tretten, trotzdem vermisse ich Rainer Braun hier.
Danke und liebe Grüße
Franz Wendel
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