Erdrückender hätte die Übermacht der Porsche 956 im Jahr 1983 kaum ausfallen können. Elf 956 waren am Start, neun kamen ins Ziel, auf den Plätzen 1-8 und 10.
Dabei sah es zumindest im Training gar nicht so eindeutig nach einer Porsche-Dominanz aus, denn die Lancia LC2 konnten sich durchaus positiv in Szene setzen. Michele Alboreto legte im Werks-Lancia eine Spitzenrunde von 3:20.79 hin und sicherte sich den Start aus der ersten Reihe. Doch der Traum vom Le-Mans-Sieg löste sich schon in der zweiten Stunde wegen eines Getriebeschadens in Luft auf.
Keine Zeit für Aberglauben
Zum ersten Mal seit 1926 war wieder ein Fahrzeug mit der Nummer 13 am Start, offenbar waren die Herren Alain de Cadenet, Yves Courage und Michel Dubois nicht abergläubisch, als sie sich mit ihrem Cougar C01B mit Ford-Cosworth-Motor an den Start begaben. Das Glück war ihnen aber trotzdem nicht hold, nach 86 Runden endete ihr Rennen wegen Zündproblemen vorzeitig.
Generell stand die 51. Auflage der 24 Stunden aber unter einem guten Stern. Schlimme Unfälle gab es keine und das Wetter spielte mit Sonne und nicht allzu heissen Temperaturen mit.
Wieder (fast) mit klassischem Le Mans Start
Für 1983 hatte man in Le Mans die Piste verbreitert, was wiederum den klassischen Le Mans Start mit auf der rechten Fahrbahnseite wartenden Fahrzeugen und über die Strecke sprintenden Piloten ermöglichte. Allerdings leitete der Spurt ins Fahrzeug zunächst nur eine Aufwärmrunde ein, bevor der reguläre fliegende Start ab Ford-Schikane erfolgte.
Kein Spaziergang trotz Markendominanz
Dass Porsche gewinnen würde, erwarteten eigentlich die meisten. Die Frage war eigentlich immer nur, welcher der 956-er als Sieger hervorgehen würde.
Als Siegeskandidat war der Werks-956 von Jacky Ickx und Derek Bell gehandelt worden. Doch eine unverschuldete Kollision kurz vor Mulsanne mit dem übereifrigen Le-Mans-Debütanten Jan Lammers warf das englisch-belgische Fahrerduo zurück und scheinbar aus dem Rennen um die Topposition.
Der Werks-956 #3 von Hurley Haywood, Vern Schuppan und Al Holbert übernahm in der dritten Stunde die Führung, dicht gefolgt vom "deutschen" Werks-956 mit Jochen Mass und Stefan Bellof (beides deutsche Rennfahrer). Kurz nach Mitternacht litt der 956 des deutschen Teams unter Zündungsproblemen und fiel zurück (und schied später dann ganz aus).
Fast unbeachtet kämpften sich aber dann Jacky Ickx und Derek Bell mit ultraschnellen Runden wieder nach vorne durch und übernahmen morgens um 6:00 die Führung! Diese Position konnten sie für 45 Minuten halten, bis ihr Porsche bei Mulsanne stehen blieb. Mit Müh und Not tuckerte der 956er zurück zu den Boxen (ein langer Weg von Mulsanne!) und wurde repariert. Ergebnis: 4 Runden Rückstand auf Platz 1.
Jacky Ickx reagierte mit einem neuen Rundenrekord auf das Malheur und startete eine weitere Aufholjagd.
Und als ob es nicht schon genug spannend gewesen wäre, schoss 40 Minuten vor Schluss Rauch aus dem Motorbereich des führenden Al Holbert 956ers.
Trotzdem wurde einfach weiter gefahren, auch wenn nicht mehr mit voller Leistung. Derek Bell wurde informiert und seine Runden wurden nochmals schneller, Platz 1 war plötzlich doch wieder möglich! Nervenzerreisende weitere 30 Minuten vergingen, bis beide in der letzten Runde waren, als plötzlich Derek Bells Porsche nicht mehr seine volle Leistung brachte! Schnell war klar, dass das Benzin knapp wurde. Also hiess die Devise nur noch "Ziel erreichen", um überhaupt noch eine Platzierung zu holen. Derek Bell fuhr schliesslich im fast leergefahrenen Porsche 956 knappe 17 Sekunden nach dem angeschlagenen Al Holbert im Ziel ein. Mit etwas weniger Pech hätten Ickx/Bell also deutlich gewonnen. Mit Vern Schuppan siegte übrigens erstmals ein Australier an der Sarthe.
Rekordleistungen
Zur Porsche-Dominanz passte, dass gleich auch noch einige Rekorde der Vergangenheit pulverisiert wurden: Jacky Ickx fuhr eine neue schnellste Runde in 3min29.7 mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 233,922 km/h. Seine Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden betrug 371 km/h. Der Gewinner-956er mit Al Holbert brach den Distanzrekord mit 5047 gefahrenen Kilometern (Distanz- und Durchschnittsgeschwindigkeitsrekorde werden immer ab der letzten Streckenänderung gemessen, diese Rekorde sind also nicht absolut zu verstehen sondern erst ab 1979). Und mit dem Achtfachsieg wurde auch der Rekord von Ferrari aus dem Jahr 1963, als die ersten sechs Plätze durch die Wagen mit dem springenden Pferd belegt worden waren, gebrochen.
Das Salz in der Suppe
Das Rennen spannend machten die vier Lancia (zwei Werks-LC2 und zwei private LC1). Einer der zwei brandneuen LC2-83 des Werkteams konnte für zehn Runden sehr gut mithalten.
Dass die Fahrzeuge aber eigentlich immer noch im Entwicklungs-Status waren und die Zuverlässigkeit deshalb die Achillesferse des LC2 war, zeigte sich in Runde 11, als die Leistung plötzlich nachliess und später der eine LC2 wegen blockierter Schaltung aufgeben musste.
Kurz darauf musste auch der zweite Werks-Lancia vom dritten Platz Abschied nehmen, fiel stetig zurück und schied schliesslich aus. 100 Runden später beendeten auch die Privatiers mit dem LC1 ihren Kampf, dies enttäuschte viele und das Rennen blieb, zumindest aus Sicht des Markenkampfs, ab diesem Zeitpunkt uninteressant.
Sauber als Spielverderber?
In die Porsche-Phalanx fuhr der überraschend zuverlässige Sauber C7 mit 3,5-Liter-BMW-M1-Motor. Obschon vor dem Le-Mans-Einsatz nur kurz in Hockenheim und Monza probegefahren absolvierte der Schweizer Gruppe-C-Sportwagen mit Ausnahme von geringfügigen Problemen mit dem Auspuffkollektor und dem Getriebe praktisch störungsfrei seine Runden und klassierte sich mit den drei Südamerikanern Garcia/Naon/ Montoya am Steuer auf dem guten 9. Platz.
Familienfest?
1983 waren gleich vier "Familien"-Teams am Start: Mario Andretti mit Sohn Michael (Kremer Racing Porsche 956), die französischen Alméras-Brüder Jacques und Jean-Marie (Porsche 930), die belgischen Brüder Philippe und Jean-Michel Martin (Porsche 936C) und die französischen Brüder Alain und Michel Ferté (Rondeau M482). Ganz nach vorne schafften es aber nur die Andrettis mit Rang 3 im Gesamtklassement.
Zu viele Pannen?
Zum ersten Mal in der Geschichte von Le Mans musste das Zeittraining für eine Stunde unterbrochen werden, da zuviele Fahrzeuge unterwegs stehengeblieben waren und diese eingesammelt werden mussten.
Nachwuchskategorie Gruppe C Junior
Die Dominanz der Werks-Gruppe-C-Fahrzeuge bedeutete für viele private Sport- und Rennwagen-Hersteller, deren Kerngeschäft zwar im Sportwagenbau lag aber denen nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung standen, praktisch chancenlos zu sein.
Daher führte die FIA 1983 die Gruppe C Junior ein, welche mit ein paar Zusatzregeln (mindestens 700kg, 55 Liter Tank, maximal 1430 Liter für die 24 Stunden) Rennsport zu einem deutlich tieferen Budget erlaubte. In Le Mans sah man dann kuriose Fahrzeuge mit eigenwilligen Silhouetten am Start, z.B. Mazda 717C (mit einem Zweischeiben-Wankelmotor), De Cadenet-Lola, Alba AR2, Sthemo SM01.
Die beiden Mazda erreichten dann allerdings als einzige das Ziel. Der grüne Alba AR2, entwickelt von Carlo Facetti und als erstes Fahrzeug mit Kohlefaser-Monocoque in Le Mans am Start, war zwar sehr schnell, litt aber früh an Motorproblemen, so dass das ganze Team bereits am frühen Sonntag Morgen abreiste.
Der rote Sthemo, die Namen der Entwickler Strieberg, Heuclin und Mössinger repräsentierend, war mit 705kg der leichteste Wagen in der Gruppe C Junior. Aber auch hier brachte ein Motorschaden das besondere Fahrzeug zum Stillstand.
Ab 1985 hiess die Junior Klasse dann C2, während die "grosse" Gruppe C in C1 umbenannt wurde.
Besonderheiten und Spezialitäten
Jean Rondeau trat mit drei neuen M482 an, welche durch ihr sehr spezielles Katamaran-Heck auffielen. Der Aerodynamiker Max Sardou entwickelte die Groundeffect-Bodengruppe für die M482, doch es stellte sich schnell heraus, dass sie auf der Hunaudières zu langsam waren.
Der EMKA C2 mit Aston-Martin-V8-Motor wurde von Pink Floyd Manager Steve O'Rourke auf die Beine gestellt, das Design stammte von Len Bailey. Allerdings erwies sich der Prototyp als zu schwer und Kinderkrankheiten an der hinteren Achse zwangen den EMKA einige Male unbeabsichtigt an die Boxe. Immerhin, der EMKA C2 hielt 24 Stunden durch und beendete das Rennen auf Platz 17.
Altmeister Vic Elford feierte ein Comeback, seit 1974 war er keine Rennen mehr gefahren. Dass er sein Talent nicht verloren hatte, bewies er im Zeittraining mit der besten Rondeau-Rundenzeit.
Der Prinz im M1
Nachdem sich Brun -Motorsport bereits am Tag des Zeittrainings von einem Sehcar (umgebaute Sauber C6) verabschieden musste (jener mit dem Porsche 956 Motor), verblieb die Hoffnung auf dem Sehcar mit Ford-Motor und dem BMW M1. Unter den Fahrern im M1 war ein leibhaftiger Prinz: Prinz Leopold von Bayern. Der Sehcar mit Jacques Villeneuve am Steuer, schied aber bereits nach 68 Runden aus.
Bis 23:00 lag der M1 an der Spitze der Gruppe B, als plötzliche Probleme mit dem Motor auftraten.
Die Führung übernahmen John Cooper und Paul Smith im Porsche 930, womit sie zum dritten Mal in Folge den Sieg in der Gruppe B und den 11. Platz im Gesamtklassement feiern durften.
Ergebnisse
1. Porsche 956 (Rothmans) - A. Holbert/H. Haywood/V. Schuppan (370 Runden, 5047,934 km)
2. Porsche 956 (Rothmans) - J. Ickx/D. Bell (370 Runden, 5044,584 km)
3. Porsche 956 (Kremer) - Mario Andretti/P. Alliot/Michael Andretti (354 Runden, 4962,650 km)
4. Porsche 956 (Scuderia Sorga) - C. Schickentanz/V.Merl/De Narvaoz (358 Runden, 4927,218 km)
5. Porsche 956 (J. Fitzpatrick Racing) - G. Edwards/R. Keegan/J. Fitzpatrick (358 Runden, 4887,404 km)
6. Porsche 956 (Scuderia Sorga) - K. Ludwig/S. Johannson/B. Wollek (354 Runden, 4829,829 km)
7. Porsche 956 (Obermaier Racing) - J. Lassig/A. Plankenhorn/D. Wilson (347 Runden, 4736,462 km)
8. Porsche 956 (Canon Racing) - JC. Palmer/J. Lammers/R. Lloyd (339 Runden, 4622,008 km)
9. Sauber C7 (Sauber Racing Switzerland) - T. Garcia/A. Naon/D. Montoya (338 Runden, 4606,032 km)
10. Porsche 956 (J. Fitzpatrick Racing) - P. Henn/Ballol-Lena/JL. Schlesser (327 Runden, 4463,447 km)
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Das stimmt so nicht ganz, denn 1971 legten Marko/van Lennep 5335.313 km zurück. Falls die Strecke zwischenzeitlich Änderungen in Form von Schikanen bekam, müsste dies in Ihrem Artikel erwähnt werden.
MfG
Martin Schröder
Martin Schröder
Den Text habe ich entsprechend korrigiert.
Zur Dokumentation:
- 1967 wurde zum ersten Mal die 5000er Marke geknackt: 5232,90km (letzte Streckenänderung 1956)
- 1968 wurde eine kleine Schikane eingangs Zielgerade eingeführt, deshalb ist der von Ihnen genannte Rekord 1971 ebenfalls einer.
- 1972 gab es eine drastische Streckenänderung: Maison Blanche wurde komplett umfahren ab Mulsanne und die Schikane eingangs Zielgerade wurde durch eine Doppelschikane erweitert (heutige Ford-Schikane).
- 1979 wurde Tertre Rouge weniger eng gemacht, somit ist der 1983 aufgestellte Rekord nur ab 1979 zu verstehen.
Besten Dank für Ihren wertvollen Kommentar.
MfG
Balz Schreier
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