Es ist noch nicht 8 Uhr früh, die Partygänger sind gerade erst ins Koma gefallen, werden aber gleich wieder geweckt. Mit rhythmischen Gasstössen spülen Rennfahrer aus aller Welt Vergaser durch, bringen Lunge und Herz ihrer Autos auf Temperatur. Nichts Ungewöhnliches für einen Rennplatz, nur dass dieser Rennplatz durchaus ungewöhnlich ist. Monaco. Das Fahrerlager befindet sich am Hafen-Quai, der PS-trächtige Puls hallt von den Mauern der Prunkhäuser und Wohnsilos des Fürstentums. Es ist Zeit für den GP von Monaco.
Alle zwei Jahre treffen sich, zwei Wochen vor dem Formel-1-Rennen, Rennlegenden von einst – nicht die Fahrer natürlich, aber die Maschinen. Der GP Historique de Monaco, 1997 ins Leben gerufen, ist fraglos eine der prestigeträchtigsten historischen Rennveranstaltungen der Welt.
Die rennmässige Ausfahrt auf dem 3,3 km kurzen Rundkurs zwischen Mirabeau und Rascasse ist heiss begehrt. Entsprechend findet man die Glücklichen nicht auf einer «Startliste», sondern auf der «liste des acceptés».
Mehr als nur ein Rennen
Weil das Ambiente so erlesen ist, eignet sich der GP Historique für ebenso erlesene Rahmenprogramme. Die finden in Bars statt oder auf Jachten. Oder im Grimaldi-Forum, wo eine Versteigerung von RM durchgeführt wurde. Nicht alle Fahrzeuge fanden einen Käufer, doch die höchsten Gebote waren nicht von schlechten Eltern. So trieben sich zwei Bieter für einen Ferrari 625 TRC Spider, Jahrgang 1957, auf das runde Sümmchen von 4,5 Millionen Euro hoch.
Demonstration des Auto Union Typ C
Ebenfalls vom Mythos des Ortes profitierte Audi. Bereits bei der ersten Austragung hatte ein Auto Union am GP Historique einen Auftritt. Dieses Jahr setzte sich Jacky Ickx ans Steuer des Kompressor-Monsters Typ C. Der Belgier fuhr das 520-PS-Auto mit Bedacht, das unbezahlbare Einzelstück sollte ja nicht in den Leitplanken enden. So leichtfüssig, wie der Rennwagen leicht ist (825 kg), lässt sich der Bolide allerdings nicht durch die Schikanen zirkeln.
Einfacher Modus
Trainings- und Qualifikations-Sessions wurden am Freitag und Samstag abgehalten, die Rennen wurden am Sonntag gestartet. Jedes Rennen dauerte 10 Runden oder maximal 30 Minuten, mit Ausnahme der Formel 1, die 15 Runden, respektive 45 Minuten fuhr.
Rennen verschiedener Klassen
Die Rennen selber bestritten rund 200 Teilnehmer in sieben Klassen. Die Spanne war weit. In der Serie A gingen Vorkriegswagen ab 1926 - das sind drei Jahre, bevor überhaupt der erste GP von Monaco stattfand – an den Start, die neuesten Erzeugnisse sind 2-Liter-Formel-3-Wagen bis 1984.
Angesichts solcher Jahrgänge ist der Begriff Veteranenrennen nur bedingt passend, und auch die Fahrweise beim GP Historique hatte wenig Beschauliches. So erkämpfte sich der Neuseeländer Roger Wills, in Monaco in drei Klassen am Start, mit seinem March 701 die Poleposition, versuchte sich aber weiter zu verbessern und geriet auf der letzten schnellen Runde an einen langsameren Konkurrenten. Ein fehlgeschlagenes Ausweichmanöver endete in der Leitplanke, an einen Start am Sonntag war nicht zu denken.
Materialprobleme in der Vorkriegsserie
Keineswegs materialschonend fuhren selbst die Piloten der ältesten Rennwagen. Der Schweizer Roland Portmann, mit dem Maserati 4CL von Georg Kaufmann am Start, fuhr im ersten Zeittraining auf Platz 2, im Abschlusstraining auf Rang 3, konnte aber nicht zum Rennen antreten. Ein Getriebeschaden gegen Ende des Qualifyings erwies sich als kapital.
Entsprechend enttäuscht zeigte sich der Klassik-Profi: «Vor zwei Jahren schied ich in Monaco im Rennen, an zweiter Stelle liegend, aus, jetzt wäre mir aufgrund der Trainingszeiten ein Podestplatz sicher gewesen. Nun muss ich es wohl in zwei Jahren nochmals versuchen, es wird Zeit, es diesen Briten mal zu zeigen.»
Damit meint Portmann zwei Briten, die sich auf englischen Autos am Sonntag ein heisses Rennen lieferten, weit vor der Konkurrenz. Das ganze Rennen blieb Julian Bronson vorn, doch stets sass ihm Paddins Dowling im Nacken. Bronson mit eine Era Type D von einem halben Liter mehr Hubraum profitierend, Dowling auf dem dahinter auf dem älteren Era Typ B mit spektakulärer Fahrweise, immer wieder wunderbar quer. Doch es half alles nichts, Bronson verteidigte wie eine italienische Fussballnationalmannschaft unter Trainer Bearzot.
Dahinter holte sich Michael Gans den dritten Podestplatz. Er fuhr mit einem weitere Era B auf den dritten Rang. «Ich kämpfte mit Ian Landy, bis sich dieser vor Ste Dévote verschaltete, danach verwaltete ich den Podestplatz.» Den Erfolg in Monaco feierte Gans mit einer heftigen Schampus-Schlacht mit Sieger Bronson.
In einer anderen Liga, wenn auch in derselben Serie, war Jürg König, unterwegs. Sein Bugatti 37 A von 1926 konnte wie immer leistungsmässig mit den zehn Jahre jüngeren Era nicht mithalten. So raufte sich König im hinteren Teil des Feldes fröhlich mit einem anderen Bugatti, bis links vorn die Umlenkhebelei fürs Bremskabel brach. Ohne taugliche Bremsen war er kampfunfähig, brachte sein Auto aber über die zehn Runden.
Ende im Regen
Ein weiterer Schweizer schlug sich in Monaco redlich: Hans Peter, ansonsten in der Historic-F2-EM unter- wegs, musste mit einem Tyrrell 008 von 1978 erst einmal die Strecke kennen ler- nen. Dazu kam, dass er im zweiten Quali nach nur drei Stunden mit streikender Elektrik stehen blieb. Peters Team, Phimmo Racing, war in der Box des Schweizer Formel-1-Teams von Peter Sauber untergebracht. Dort war man fürs Rennen wieder bereit. Pünktlich vor dem Start begann es zu regnen. Mit einer Mischung aus Vorsicht und Kühnheit arbeitete sich Hans Peter auf dem Tyrrell 008 von 1978 auf den 14. Rang (bei 29 Gewerteten) vor. Wie bei wohl vielen Teilnehmern halten sich bei Peter Zufriedenheit und Hunger auf mehr in etwa die Waage. In zwei Jahren jedenfalls werde er wieder angreifen, sagt der Racer.
Profitieren von der aktuellen Formel 1
Organisiert wird der historische GP vom Automobile Club de Monaco (ACM). Dabei ist die gesamte Maschinerie, inklusive Feuerwehr, Rettungswesen, Kontrollen an jeder Ecke, Tribünen sowie unzähligen Kilometern von Leitplanken und Absperrungen, in Betrieb, die danach den Formel-1-Zirkus empfängt. In Monaco wird jeweils für ein paar Wochen die Innenstadt umgebaut.
Wer heute diesen gigantischen Aufwand mit üppigem Kollateralschaden sieht, wundert sich, wie man überhaupt auf die Idee kommen konnte, ein derartiges Rennen um die Hausecken einer engen Stadt ins Leben zu rufen. Die Antwort ist Legende: Die Monegassen mussten, wollten sie dem Weltsportverband, der heutigen FIA beitreten. Denn die Bedingung für die Mitgliedschaft war ein vollständig auf dem eigenen Staatsgebiet durchgeführtes Rennen - die seit 1911 in Monacos Hinterland ausgetragene Rallye Monte-Carlo genügte dem elitären Verband nicht.
Die Rennergebnisse
Serie A - Voiturettes und Grand Prix Rennwagen vor 195
1. 36 BRONSON Julian GBR - ERA D 1938
2. 32 DOWLING Paddins IRL - ERA B 1936
3. 20 GANS Michael CHE - ERA B 1935
Serie B - Grand Prix Rennwagen und Formel-2-Fahrzeuge vor 1961
1. 60 WILLS Roger GBR - Cooper T51 (Climax) 1959
2. 30 PEARSON Gary GBR - BRM P25 1958
3. 34 BAXTER Barrie GBR - BRM P48 1960
Serie C - Sportwagen und Prototypen vor 1953
1. 66 BUNCOMBE Alex GBR - Jaguar C Type 1952
2. 28 URE John GBR - Frazer Nash Le Mans Replica Mk2 1952
3. 68 MONTEVERDE Carlos GBR - Jaguar C Type 1952
Serie D- Heckgetriebene Formel-1-Fahrzeuge vor 1966
1. 9 MIDDLEHURST Andy GBR - Lotus 25 (Climax) 1962
2. 19 HOOLE Sidney GBR - Cooper T66 (Climax) 1963
3. 14 DRAYSON Paul GBR - Lotus 24 (Climax) 1962
Serie E - Dreiliter-Formel-1-Fahrzeuge vor 1973
1. 8 DUNCAN Dayton USA - Brabahm BT33 1970
2. 27 FITZGERALD Michael USA - March 711 1971
3. 21 SMITH Andrew GBR - March 701 1970
Serie F - Dreiliter-Formel-1-Fahrzeuge von 1973-1978
1. 31 LYONS Michael GBR - Hesketh 308E 1977
2. 8 VERDON-ROE Bobby GBR - McLaren M26 1977
3. 26 PANE Mauro ITA - Lola T370 1974
Serie G - Formel 3 bis 1985
1. 10 BARKER Ben GBR - Lola T670 (Toyota) 1978
2. 47 MARZOTTO Matteo ITA - Ralt RT3 (VW) 1984
3. 25 BARILLA Paolo ITA - Martini Mk34 (Alfa-Romeo) 1981