Die englische Rennserie "Masters Historic Racing" hat sich zum Ziel gesetzt, den Motorsport der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder aufleben zu lassen und veranstaltet Rennwochenenden auf den berühmtesten Rennstrecken der Welt. Am 28. und 29. Mai 2022 waren sie in Brands Hatch zu Gast. Die Rennstrecke in Kent begann in den Zwanzigerjahren als Grasbahn und hat eine entsprechend lange Motorsportgeschichte. Von 1964 bis 1986 wurde hier zweijährlich der Grosse Preis von Grossbritannien ausgetragen, von 1966 bis 1988 in wechselnden Abständen ein Langstreckenrennen über 1000 Kilometer. Hinzu kommen unzählige kleine Club- und Nationalmeisterschaften.
Tourenwagen, Sportprototypen und Formel-1-Renner sind hier einst gefahren. Zum "Masters Historic Festival" kamen sie alle noch einmal zusammen und wurden genauso wettbewerbsorientiert und mit Vollgas gefahren wie vor 50 Jahren. Auch die Streckenführung durch den Wald hat sich seither kaum verändert. Sechs Rennen standen an diesem Wochenende auf dem Programm, wobei der Samstagvormittag für das Qualifying genutzt wurde und der Sonntag der Hauptrenntag war.
Das erste Rennen des Wochenendes war am Samstagnachmittag der erste Lauf der "Masters Racing Legends" für Formel-1-Wagen von 1966 bis 1985. Einen Wagen aus den Sechzigern brachte jedoch keiner der neun Teilnehmer an den Start. Der Sieg ging an Miles Griffiths im 1978er Fittipaldi F5A mit 39 Sekunden Vorsprung vor Mark Hazell im Williams FW08 C von 1983. Dritter wurde Steve Brooks im Essex-Lotus 81 der Saison 1980.
Auf die Formelwagen folgte der erste Lauf der "Youngtimer Touring Car Challenge" für Tourenwagen bis 1990, die das heterogenste Feld vom Zakspeed-Escort zum feuerspuckenden Turbo-Volvo, vom Plymouth 'Cuda zum Trabant 601 bot. BTCC-Liebhaber wird's gefreut haben: das Rennen gewann Daniel Brown im Ford Sierra RS Cosworth. Glenn Dudley im Lola T90/90 folgte 14 Sekunden dahinter vor Aaron Moyce im TVR Tuscan.
Das Rennen der "Gentlemen Drivers" für GT-Sportwagen bis Baujahr 1966 war das längste und gleichzeitig letzte des Samstags. Ein 42 Fahrzeuge umfassendes Feld von Lotus Elan, Shelby Cobra, Jaguar E-Type und dergleichen behakte sich über 90 Minuten lang auf der schmalen Strecke. John Davidson im TVR Griffith ging nach 49 Runden als Erster über die Ziellinie. Zwölf Sekunden hinter ihm folgte Mike Whitaker, ebenfalls in einem TVR Griffith. Den dritten Platz belegte Ron Maydon im Ginetta G4 R.
Den Sonntag eröffneten die unmissverständlich benannten "Pre-66 Touring Cars", deren Feld von Ford Cortina Lotus und Mini Cooper von Austin und Morris dominiert wurde. Nur die wenigsten Kurven wurden hier auf vier Rädern durchfahren. Überholt wurde grundsätzlich mit "Vollkontakt"; ein kleiner Stupser ins Heck kündigte vor der Kurve die Überholabsicht an. Trotz der englischen Überzahl belegten drei amerikanische Fabrikate das Podium: Sam Tordoff im Ford Falcon stand ganz oben, flankiert von den Ford Mustang von Craig Davies und Alex Thistlethwayte.
Auf die "Endurance Legends" mit modernen Langstrecken-Prototypen folgte das Feld der "Sports Car Legends" mit ihren historischen Gegenstücken. Leo Voyazides und Simon Hadfield fuhren im Lola T70 Mark 3B mit 45 Sekunden Vorsprung zu einem überlegenen Sieg. Obwohl Chris Beighton das gleiche Modell fuhr, konnte der das Tempo über 60 Minuten nicht mitgehen. James Claridge und Gonçalo Gomes belegten im Chevron B23 Platz drei.
Den zweiten Lauf der "Racing Legends" entschied Steve Hartley im 1982er McLaren MP4/1 für sich, gefolgt vom Vortagessieger Miles Griffiths. Platz drei belegte Warren Briggs im 1980er McLaren M29. Das zweite Rennen der "Youngtimer Touring Car Challenge" wäre so ausgegangen wie das erste, wäre Daniel Brown nicht in Rund 15 ausgefallen. So fuhr Glenn Dudley mit einem komfortablen Vorsprung von 1:23 vor Aaron Moyce ins Ziel. Der lachende Dritte war Andy Robinson im Ford Falcon.
Den Abschluss des Wochenendes bildete die "Equipe GTS" für Sportwagen bis Baujahr 1966. Der Kampf von Triumph Spitfire und Shelby Cobra in einer Klasse schein zwar nicht ganz gerecht, war aber unterhaltsam. Mit dem TVR Girffith von Christian Douglas gewann denn auch eines der hubraumstärkeren Autos, gefolgt von zwei Lotus Elan 26R: Dem Werks-Coupé von Bruce White auf Rang zwei sowie dem Shapecraft-Coupé von Robin Ellis auf Rang drei.
Was vielen beim ADAC 24h-Classic auf dem Nürburgring fehlte, bekamen die Zuschauer beim Masters Historic Festival in Brands Hatch geboten: kompromisslosen historischen Motorsport mit einem abwechslungsreichen Feld. Für Fotograf Stuart Adams war es ein fantastischer Schritt zurück in die Vergangenheit und in die "goldene Ära" der englischen Clubrennen.