Die Väter der beiden Familien, die an der Frauenfelderstrasse in Steckborn vom Garten ihres Hauses die vorbeidonnernden Boliden beobachten, sind kaum in der Lage, ihren Kopf schnell genug zu wenden. Mit atemberaubender Geschwindigkeit flitzen Motorräder und Autos aus den Jahren 1917 bis heute vorbei. Während die Kinder ihr Augenmerk auf die Chips und Guacamole richten, kommentieren die Väter die Rennwagen.
Mit voller Geschwindigkeit durchs Mehrfamilienhausquartier
Die Bergrennstrecke von Steckborn nach Eichhölzli ist rund 2.9 km lang und hat vergleichsweise wenig Kurven aufzuweisen. Die erreichbaren Geschwindigkeiten werden mit drei Schikanen limitiert, doch die Bestzeit von Reto Meisel gefahren mit seinem bergerprobten Mercedes C Judd-V8 in 1:07.68 lässt auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 150 km/h schliessen. Beeindruckend! Und dies mitten durch ein Mehrfamilienhausquartier. Das Video zeigt die Strecke aus Fahrerperspektive und gibt einen Eindruck, wie sich die Geschwindigkeit anfühlt.
Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass Veranstaltungen wie diese heute noch möglich sind. Und es zeugt vom grossen Interesse und von der ansteckenden Freude der Thurgauer an historischen Automobilen und Motorrädern. Dies zeigen sie auch durch den hohen Anteil einheimischer Fahrer und Fahrzeuge - rund ein Drittel aller Teilnehmer stammen aus dem Thurgau. Und manch einer nimmt sein Schätzchen nur selten und ausgerechnet an diesem Wochenende aus der Garage.
Tolle Fahrzeuge aus allen Epochen
Das Feld konnte sich sehen lassen. Eingeteilt in verschiedenste Gruppen buhlten Vorkriegssport- und Rennwagen, Motorräder, alte und moderne Wettbewerbsfahrzeuge, aber auch Alltagsklassiker und Museumsfahrzeuge um die Gunst der Zuschauer.
Edy Wyss zum Beispiel brachte seinen Abarth 1000BA von 1960 mit nach Steckborn. Noch eine Woche vorher nahm das Fahrzeug am Goodwood Revival in England teil. Mit Teilnahmen in Le Mans 1960 oder der Targa Florio 1967 darf dieser wunderschön restaurierte Abarth als eines der Highlights des diesjährigen Steckborn-Bergrennens gesehen werden. Beeindruckend auch die Fiat Otto Vu Werksberlinetta, die von Daniel Bossart an den Start gebracht wurde. Und Kurt Hasler liess es sich nicht nehmen, seinen Maserati 8CM Vorkriegsrennwagen den Berg hochzutreiben. Toll und selten in Europa anzutreffen war auch der Hudson Hornet, den Harry Wohlgroth fuhr. Manchem (jungen) Zuschauer dürfte das Fahrzeug aus dem Pixar-Film Cars bekannt sein. Als Ehrengast war auch Jockel Winkelhock mit einem Rallye-Opel Ascona B400 von 1983, der sein Auto ordentlich fliegen liess.
Das Teilnehmerfeld liess kaum Wünsche offen, speziell die Freunde von italienischen Sportwagen und die Anhänger von Porsche kamen auf ihre Rechnung, konnten doch unzählige Varianten dieser Fahrzeuge in kurzer Zeit begutachtet werden.
Drei Veranstaltungskategorien
Die Veranstaltung wurde in drei Kategorien gefahren: Corso, Gleichmässigkeit und Rennklasse. Wie üblich fand sich das Gros der Teilnehmer in der Gleichmässigkeitsklasse wieder und versuchte am Sonntag möglichst zwei identische Zeiten hinzulegen. Das verregnete Training vom Samstag war dabei nur wenig dienlich und auch die Tatsachen, dass die ersten Fahrer am Sonntag morgen noch immer mit nasser Strasse kämpfen mussten. Nichtsdestotrotz schafften zwei Teilnehmer eine Laufzeitdifferenz von nur 2 Hunderstel! Aber auch in der Gleichmässigkeitsklasse wurde richtig schnell gefahren und manche Laufzeit hätte wohl auch für gute Platzierung in der Rennklasse gereicht. Viele Teilnehmer der Gleichmässigkeitsklasse nehmen auch nur aus administrativen Gründen (Notwendigkeit einer internationalen FIA-Oldtimer-Fahrer-Lizenz und FIA-HTP für das Fahrzeug) nicht in der Rennklasse teil. Die Rennklasse wurde durch den bekannten Markus Hotz auf seinem March 762 in 1:11.84 gewonnen, wie so oft fanden sich pro Kategorie/Periode nur wenige Teilnehmer ein, so dass fast jeder in seiner Klasse Erster oder Zweiter werden konnte.
Kaum Unterbrüche und Unfälle
Die Veranstaltung lief fast nach Plan ab, nur vereinzelt führten Ausritte oder das Verändern der Schikane zu kurzen Unterbrüchen. Das Material konnte so weitgehend geschont werde, die Reparaturarbeiten halten sich damit in Grenzen. Insbesondere waren keine schlimmen Unfälle zu verzeichnen, wichtig für zukünftige Veranstaltungen.
Wenig Zuschauer am Samstag, Begeisterung am Sonntag
Glänzten die Zuschauer am vollständig verregneten Samstag noch durch Abwesenheit, strömten sie am Sonntag zahlreich ins Start-/Zielgelände und zu den Tribünen im Mittelteil. Gegenüber 2007 dürfte die Zuschauerzahl jedoch klar tiefer sein, ausschlaggebend hier war sicher das Wetter.
Hoffentlich bald wieder
Das Bergrennen Steckborn-Eichhölzli hat seinen Platz im schweizerischen Oldtimer-Rennsport gefunden. Die Organisation ist professionell und man spürt den Eifer und die Freude aller Beteiligten. Die Strecke macht den Fahrern und dem Publikum Spass. Das Wetterglück kann halt nicht garantiert werden, aber nächstes Mal wäre dann ja turnusgemäss wieder herrliches Herbstwetter zu wünschen.