Das “Museum of Modern Art” (kurz “MoMA”) hat seit jeher eine unverkrampfte Einstellung zum Automobil. Schon 1951 hatte man acht Automobile besonderer Schönheit in einer Austellung gezeigt, darunter der Cisitalia 202, der es dann im Jahr 1973 in die permanente Sammlung des “MoMA” schaffte.
Im Jahr 1953 selektierte das “MoMa” wiederum zehn Autos - allesamt Coupés - und lud das Publikum zu einer “nicht kommerziellen Autoausstellung” nach New York ein, wie die Automobil Revue damals kommentierte.
Dass dem Automobil überhaupt so viel Ehre zuteil wurde, hatte damit zu tun, dass sich das Fahrzeugdesign stetig weiter entwickelte und gerade anfangs der Fünfzigerjahre mit beeindruckender Formenvielfalt auftrumpfen konnte. Wobei, so vielschichtig war das dann vielleicht nicht, denn der Kurator Arthur Drexler beschrieb im Katalog zur Ausstellung “Ten Automobiles” genau zwei Vorgehenswege.
Man könne ein Auto kastenförmig bauen und diesem schachtelförmigen Hauptraum weitere Teile - Kotflügel, Scheinwerfer, etc - anbauen und so die Grundform optimieren.
Oder, und dies wurde als zweite Möglichkeit vorgeschlagen, man schliesst alle Bauelemente in die Grundform ein, lässt die Aussenhülle darüber hinweggleiten, so dass das ganze Fahrzeuge eine Hülle werde, in welche man Schlitte, Öffnungen und Nebenteile hineinkonstruiere, so dass sich das Resultat möglichst dem Schönheitsideal nähere.
Während die Nachkriegs-Bentleys von Arthur Drexler dem ersten Designvorgehen zugeordnet wurden, nannte er den Cisitalia 202 als Beispiel für den zweiten Designprozess.
Für die Ausstellung 1953 sollten zehn Fahrzeuge ausgewählt werden, die sowohl bezüglich Sicherheit als auch Fahrleistungen den Ansprüchen der Zeit entsprachen. Die Auswahl ist auch aus historischer Sicht interessant, denn es stellt sich natürlich die Frage, ob uns diese zehn Exponate denn in Erinnerung geblieben sind und ob sie auch heute noch, also 60 Jahre später, als schön empfunden werden und zu den gesuchten Sammlerfahrzeugen gehören.
Der Berichterstatter der Automobil Revue meinte zwar damals, dass es weniger darauf ankäme, welche Autos gezeigt würden, als dass eine Debatte über das Design des Autos in Gang käme, aber 60 Jahre später interessiert es halt dann doch, welche Autos denn nun gezeigt wurden.
Sie kamen aus fünf Ländern - USA, Italien, England, Frankreich, Deutschland - und stammten von 10 verschiedenen Marken. Und sie enthielten zumindest einen Schuss kontinentales Design, tatsächlich hatten italienische Zeichner bei fast allen etwas beigetragen. Doch wollen wir jetzt den Leser nicht länger auf die Folger spannen und die zehn Fahrzeuge vorstellen.
Cunningham C-4 - italienisch-amerikanischer Hybrid
Im Jahr 1952 stellte Briggs Cunningham einen Strassensportwagen vor. Das Design stammte von Giovanni Michelotti, gebaut wurde der Wagen bei Vignale in Italien. Die Karosserie jedes der 26 produzierten Fahrzeuge wurde nach alter Väters Sitte von Hand geklopft und zusammengeschweisst, im Prinzip war jedes Auto ein Einzelstück.
Als Motor wurde ein Chrysler-V8 eingesetzt, der aus 5,4 Litern rund 220 PS schöpfte.
Ausgestellt wurde ein Coupé aus dem Jahr 1952, im Katalog C-4 genannt, und im Zweifarbenlack besonders elegant aussehend. Ein zeitgemässer Farbprospekt beschrieb den Wagen mit “Amerikanische Technik und italienische Kunst”, dies traf den Kern des Projektes ziemlich genau.
Lancia Gran Turismo (B20 GT) - Strassenrenner aus Italien
Wesentlich grössere Verbreitung, zumindest in Europa, fand der Lancia B20 GT, von dem im MoMa ein Modell des Jahres 1951 ausgestellt wurde. Das gedrungene Coupé trug die Handschrift von Pinin Farina und schöpfte Kraft aus einem Vollaluminium-Sechszylindermotor mit anfänglich knapp zwei, später bis 2,5 Litern Hubraum. Der Wagen war im Strassenrennsport erfolgreich und das Coupé brachte es von 1951 bis 1958 auf über 3’000 Produktionsexemplare.
Arthur Dexler hob im MoMa-Katalog das Einvolumen-Design hervor und die besondere Form der hinteren Kotflügel. Er beschrieb den Lancia als einen der handlichsten Wagen auf einer kurvigen Strasse.
Aston Martin DB 2 - die Geburt des modernen Astons
Der Aston Martin DB 2 war schon damals fast ein Klassiker und das ausgewählte Modell aus dem Jahr 1950 unterstricht dies noch besonders. Mit seinem gefälligen Aluminium-Kleid und dem modernen Reihen-Sechszylindermotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen gehörte der Aston damals sicher zur “Creme de la Creme”.
Der Kurator der Ausstellung hob besonders die Gestaltung der Heckpartie hervor, deren Mittelteil die Form der Kotflügel unterstreiche.
Studebaker Commander V8 - Amerikaner in kontinentalem Kleid
Raymond Loewy, respektive seine Firma, zeichnete die Karosserie des Studebaker Commander V8 Starliner Coupé von 1953, das neben Cunningham und Nash die amerikanische Flagge vertrat. Der Commander sei des erste amerikanische Grossserien-Fahrzeug, das typische europäische Designelemente übernommen habe, meinte Dexler im Katalog. Als besonders interessant empfand er die Tatsache, dass die Motorhaube tiefer verlief als die Kotflügel.
Studebaker selber verkündete im Verkaufsprospekt stolz, dass der Commander das niedrigste amerikanische in Serie produzierte Auto sei. Mit seinem V8-Motor und rund 120 PS war er auch komfortabel motorisiert.
Ford Comète - italienische Eleganz aus französischer Fertigung
Als Ford Frankreich nach einem eleganten Modell zur Ergänzung der Palette suchte, schlug Facel-Chef Jean Daninos vor, ein Coupé auf der technischen Basis des Vedette mit seitengesteuertem V8-2,2-Liter-Motor zu bauen. Als Design übernahm man einen Entwurf Stabilimenti Farina, gebaut wurde der Wagen aber in Paris bei Facel-Metallon.
Der kraftlose Motor bei amerikanisch anmutenden Dimensionen (und entsprechendem Gewicht) schränkte die Verbreitung ein, Leistungszuwachs gab es aber mit dem Modell Comète Monte Carlo (erkennbar am “Pommes-Frites-Messer-Kühlergrill”).
Die letzten Fahrzeuge wurden nach der Übernahme von Ford Frankreich durch Simca als Simca Comète verkauft, immerhin gut 3000 Fahrzeuge wurden insgesamt gebaut.
Das elegante Coupé mit Jahrgang 1952 hatte es auch den MoMa-Leuten angetan, nicht zuletzt wegen seiner sparsamen Konturierung und dem Vertrauen auf Form statt Ornamente und Verzierungen.
Simca Model 8 Sport - der Franzose im italienisch angehauchten Ausgangsanzug
Der französische Simca 8 basierte auf dem italienische Fiat 1100. Im Jahr 1948 ergänzten die Franzosen dann die Baureihe um die ausserordentlich hübschen Cabriolet/Coupés Simca 8 Sport, die bei Facel-Métallon produziert wurden. Das Design trug eindeutig italienische Züge (Pininfarina).
Für die MoMa-Ausstellung wurde ein Coupé von 1950 ausgewählt, an dem Dexler vor allem die trapezförmigen Seitenscheiben auffielen. Zudem gefiel ihm, wie die Linien des vorderen Kotflügels in die Türen flossen. Der Simca 8 Sport wurde von 1948 bis 1952 gebaut, mit 50 PS war er auch leistungsmässig der Limousine überlegen, doch konnte die Kraft der Motoren nie mit dem dynamischen Äussern des Sportwagens mithalten.
Bertones MG TD - italienische Eleganz für traditionelle englische Technik
66 oder 67 Arnolt MG Coupés wurden zwischen 1952 und 1955 auf der Basis des MG TD gebaut. Ausgelöst hatte diese Kleinserie Nuccio Bertone, der auf dem Turiner Salon von 1952 je eine Coupé- und eine Spiderversion des MG zeigte, der italienisches Design (Giovanni Michelotti) mit der bewährten englischen MG-Technik verband. Finanziert wurde die Kleinserie durch Stanley H. Arnolt.
Kurator Dexler gefiel die Coupé-Karosserie, die MG-Elemente wie den Kühler mit einer fliessenden und hinter den Türen überraschend ansteigenden Linie verband.
Nash Healey - Pininfarinas zweiter Wurf
Den Nash-Healey gab es in zwei Ausführungen. Bereits der erste Wurf von 1951 zeigte eine hübsche Cabriolet-Karosserie, unter der ein von Healey konzipiertes Chassis (angepasst vom Healey Silverstone) und der Motor aus dem Nash Ambassador mit 3,85 Litern Hubraum und ca. 125 PS sass. Die Wagen wurden in England gebaut und montiert, war aber hauptsächlich für den amerikanischen Markt bestimmt und wurde als der erste amerikanische Nachkriegssportwagen vermarktet.
Bereits 1952 beauftragte Nash Pinin Farina mit einem Redesign. Es wurde auf der Chicago Auto Show im selben Jahr vorgestellt. Dank vergrössertem Motor standen nun 140 PS zur Verfügung. 1953 wurde dem Cabriolet ein Coupé zur Seite gestellt, “Le Mans” genannt. Die Karosserien wurden nun in Italien gefertigt und bestanden weitgehend aus Stahlblech. Bereits 1954 wurde die Modellreihe nach insgesamt 507 produzierten Fahrzeugen eingestellt.
In der Ausstellung des Museums of Modern Art wurde ein Nash-Healey Coupé mit Jahrgang 1952 (?) ausgestellt, bei dem Dexler insbesondere die in die Türen laufenden vorderen Kotflügel und den ungewöhnlichen Kühlergrill im Katalog erwähnte.
Siata Daina - grösser scheinen als sein
Siata war ein italienischer Autohersteller, der als Tuningfirma bereits 1926 gegründet wurde, aber vor allem ab 1948 mit eigenen Fahrzeugen von sich reden machte. Der Siata Daina wurde ab 1950 mit Komponenten des Fiat 1400 gebaut. Die Karosserie wurde bei Stabilimenti Farina als Cabriolet und Coupé gefertigt. Mit 65 PS und knapp rund 950 kg Leergewicht entwickelte der Wagen Fahrleistungen, die man durchaus sportlich nennen konnte.
Als einen der schönsten Tourenwagen bezeichnete Dexler das Siata Diana Coupé aus dem Jahr 1951 und er bemerkte, dass der Wagen die Proportionen grosser amerikanischer Fahrzeuge hätte. Besonders strich er das effektive Design heraus mit den eleganten Türgriffen, den Lufteinlässen auf den vorderen Kotflügeln und dem hoch angeordneten Heckfenster.
Porsche 1500 Super - deutsche Effizienz
Ab 1952 war die Windschutzscheibe des Porsche 356 einteilig, was der Eleganz des Wagens sicher zuträglich war. Gebaut seit 1948 verkörpert die erste Modellserie bis 1955 unverfälschtes Design mit klar sichtbaren Aerodynamikeinflüssen, die es dem nicht besonders leistungsstarken Wagen erlaubten, überdurchschnittlich hohe Geschwindigkeiten zu erreichen. Der im MoMa ausgestellte Wagen mit Jahrgang 1952 wurde durch die Karosseriefirma Reutter produziert und überzeugte Dexler durch die konsequente Ausgestaltung ohne Firlefanz.
Immer noch die Schönsten?
Zehn Autos, zehn Design-Meilensteine, drei davon würde der Mann von der Strasse vielleicht auch heute noch auf Anhieb erkennen, was aber weniger mit der Qualität des Designs, als mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Marke und Produktpalette zu tun haben dürfte.
Ob man die zehn ausgesuchten Autos auch heute noch als schön und wohlgeformt empfindet, das soll jeder selber für sich entscheiden.
Die umfangreiche Bildergalerie und Prospekte zu fast allen gezeigten Fahrzeuge erlauben, neben dem Ausstellungskatalog und weiterführenden Artikeln ein umfangreiches Studium der einzelnen Fahrzeuge. Wir wünschen viel Vergnügen.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 42/1953 vom 30. Sept.1953 - Seite 11: Es führen fast alle Wege von Amerika nach Italien (Bemerkungen zu einer nicht kommerziellen Autoausstellung in New York
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