Siata gehört zu den unbekannteren italienischen Automarken, obschon die Firma über 40 Jahre aktiv war und einige wunderschöne Automobile konstrierte. Typisch für Siata war die Nähe zu Fiat, die unter anderem zu Derivaten zum Fiat 500, aber auch zum Fiat 8V führte. Auch der (oder die?) Siata Daina entstand auf der Basis einer Fiat-Konstruktion, nämlich des Fiat 1400 . Und er schaffte es sogar ins Museum of Modern Art.
Schnelle Überraschung
Der Siata Daina 1400 war eine der Überraschungen auf dem Genfer Autosalon im März 1950. Schliesslich stellte sich nur wenige Meter weiter der neue Fiat 1400 zum ersten Mal den kritischen Augen des Publikums. Und der Daina war “derivata dalla Fiat 1400”, also eine Abwandlung der Turiner Konstruktion. Entsprechend gut wurde der Neuankömmling denn auch beachtet.
Die Automobil Revue schrieb anlässlich eines Salon-Rundgangs:
“Eine besonders gut vertretene Kategorie sind die eigentlichen Tourensportwagen mittlerer Grosse, von denen der fünfgängige, vom Fiat1400 abgeleitete Siata Daina der neueste und auch einer der schönsten ist.”
Etwas mehr ins Detail ging die Automobil Revue dann in der Nachlese zum Genfer Autosalon:
“Was dem Morris der MG Midget, das wird der neue Siata Daina dem Fiat 1400 sein, mit dem Unterschied, dass der Vater der Firma Siata, Ambrosini, auch sein eigener Herr bleibt und nur die notwendigen Teile von Fiat bezieht. Es bedurfte der Energie und der Begeisterung oberitalienischer Fachleute, um auf den Zeitpunkt, da der neue 1400 von Fiat erschien, auch gleich seine sportliche Abwandlung fertig zu haben, und es ist schwierig zu erklären, wie es die Leute anstellten, sogar einen fahrbereiten Prototyp in Genf zur Verfügung zu haben.
Ein kurzer Versuch mit der «Daina» zeigte rasch, dass dieses reizende Cabriolet das Temperament und die Lebhaftigkeit des typisch italienischen Vollblutes mit der Annehmlichkeit, dem Komfort und dem Innenraum eines Fahrzeuges von der Art und der Breite (natürlich nicht der Länge, da der Radstand verkürzt ist) des neuen Fiat verbindet. Mit dem fünften Schnellgang, der am Prototyp noch nicht vorhanden war, wird man nun mit einem nicht überzüchteten 1,4-Liter auf geeigneten Strassen mit Geschwindigkeiten von 100 bis 130 km/h fahren können, ohne befürchten zu müssen, dass der Motor diese Behandlung übelnimmt. Die Aufhängung ist genügend weich geblieben, um auch eine sehr lange Fahrstrecke zum Vergnügen für Fahrer und Insasse zu machen; die Kurvenhaltung aber ist erstaunlich und erlaubt es dem sicheren Fahrer, aus dem Wagen herauszuholen, was in ihm steckt.”
Mit leistungsstark, sicher, schnell, handlich, luxuriös und stattlich beschrieb der bereits in Genf abgegebene Verkaufsprospekt das neue Cabriolet und bereits darin stand, dass es auch ein Coupé geben würde.
Nur wenige Wochen später wurde am 32. Turiner Autosalon auf dem Stand von Stabilimenti Farina das Coupé Daina 1400 erstmals gezeigt. Mit der Coupé-Karosserie war Farina ein grosser Wurf gelungen.
Eines der schönsten Autos der Welt
Die Form des Daina Coupés erinnerte ein wenig an das Lancia Aurelia B20 Coupé, jenes kam allerdings deutlich später auf den Markt. Einige Designelemente erinnerten auch an die Coupés von Cisitalia, die etwas früher erschienen waren. In seiner Gesamterscheinung aber war das Daina Coupé äusserst elegant und modern.

Es wurde darum auch 1953 vom Museum of Modern Art New York in die Ausstellung “Ten Automobiles” integriert, zusammen mit anderen Schönheiten wie dem Cunningham C-4, dem Lancia B20 GT, dem Aston Martin DB2, dem Ford Comète, dem Simca Model 8 Sport, dem Arnolt MG TD, dem Nash Healey, dem Porsche 356 1500 Super oder dem Studebaker Commander V8.
Ausstellungskurator Dexler bezeichnete das Siata Daina Coupé als einen der schönsten Tourenwagen überhaupt und notierte im Katalog, dass der Wagen die Proportionen grosser amerikanischer Fahrzeuge hätte. Besonders strich er das effektive Design heraus mit den eleganten Türgriffen, den Lufteinlässen auf den vorderen Kotflügeln und dem hoch angeordneten Heckfenster.
Technisch abgeleitet und verbessert
Als Fiat-Partner hatte Siata ziemlich sicher schon deutlich vor der Präsentation des neuen Fiat 1400 Zugang zur Entwicklungsabteilung und zu Prototypen. Allerdings war der Fiat 1400 selbsttragend konstruiert und so bestand die Arbeit der Siata-Ingenieure aus mehr als einfach der Kürzung eines Chassis.
Bei Siata entstand im Prinzip ein eigenständiges Fahrgestell, dessen Radstand mit 2,4 Meter 25 cm kürzer war als bei der Limousine. Die Fahrwerkskomponenten, Trapez-Dreieckslenker mit Schraubenfedern vorne und Starrachse mit Blattfedern hinten, konnte genauso übernommen werden wie die Lenkung (Schnecke/Rolle) und die Bremsanlage.
Auch der Motor mit hängenden Ventilen, die über eine seitliche kettenangetriebene Nockenwelle angesteuert wurden, kam vom Fiat 1400. Allerdings hob Siata die Verdichtung des 1395 cm3 grossen Vierzylinder-Reihenmotors von 6,7:1 auf 7,2:1 an und montierte statt des einzelnen Fallstromvergasers deren zwei von Weber. So stieg die Leistung von 44 PS bei 4000 Umdrehungen auf eindrückliche 65 PS bei 5000 Umdrehungen. Auch das maximale Drehmoment nahm um über 10 Prozent zu.
Als Getriebe wurde die von Fiat ab dem 1900 eingesetzte Fünfgang-Lenkradschaltung genutzt. Angetrieben waren natürlich die Hinterräder. Die Handbremse wirkte übrigens auf den Kardantunnel.
Siata gab als Spitzengeschwindigkeit 150 km/h an und nannte einen Verbrauch von 12 Litern pro 100 km für das 950 kg schwere Coupé.
Sehr teuer
Die bei Stabilimenti Farina von Hand geformten Karosserien bestanden (vorwiegend) aus Aluminiumblech. Dies erklärt sicher teilweise, warum ein Coupé, das vorwiegend aus Grossserienteilen fast dreimal so teuer werden konnte wie die Serienlimousine. Mit CHF 25’500 kostete der Siata als Coupé in der Schweiz rund doppelt soviel wie ein Porsche 356 und lag auf dem Niveau eines Lancia Aurelia Sechszylinder-Cabriolets.
Fiat 1400 | Siata Daina 1400 | |
---|---|---|
Hubraum cm3 | 1393 | 1393 |
Leistung PS | 44 | 65 |
bei U/Min | 4400 | 5000 |
PS pro Liter Hubraum | 31.6 | 46.7 |
max. Drehmoment mkg | 8.85 | 9.9 |
bei U/Min | 3000 | 3900 |
Getriebe | 4-Gang | 5-Gang |
Elektrik | 12 Volt | 12 Volt |
Chassis/Bauweise | selbsttragend | Plattformrahmen |
Karosserie | Stahlblech | Aluminium |
Gewicht kg | 1090 | 950 |
Länge mm | 4240 | 4000 |
Breite mm | 1655 | 1580 |
Höhe mm | 1550 | 1450 |
Radstand mm | 2650 | 2400 |
Spitze km/h | 120 | 150 |
Verbrauch (l/100 km) | 10.5 | 12 |
Preis CHF (1951) | 9650 | 25500 |
Weitere Varianten und Formen
1952 wurde eine weitere Variation des Siata-Daina-Themas vorgestellt, nämlich der Siata Daina Gran Sport Derivata Fiat 1400 mit eleganter Coupé-Karosserie mit Stufenheck. Die Automobil Revue schrieb dazu:
“Das neueste Sporfcoupe der Turiner Sportwagenfirma ist ein zweisitziges, von den Stabilimenti Farina (Dr. Nino Farina, Grand-Prix-Fahrer und Juniorchef) karossierter Anderthalbliter, der nun etwa 70 PS leistet und 900 kg wiegt. Ein schnelles, bequemes und sicheres Gefährt für sportliche Automobilisten.”
Den Gran Sport gab es auch als Spider mit der schnelleren Maschine. Nach dem Ende von Stabilimenti Farina baute auch Bertone noch ein paar Karosserien für das Siata-1400/1500-Fahrgestell.
In der Geschichte des Siata Daina gibt es auch einige Motorsporterfolge zu verzeichnen, dies soll nicht unerwähnt bleiben. So schaute u.a. an der Mille Miglia ein dritter Platz in der Klasse oder bei den 12 Stunden von Sebring ein dritter Gesamtrang heraus. Und dies wäre nur die Spitze des Eisbergs.
Spannende Geschichte
Chassisnummer SL 0121 ist mit Jahrgang 1950 eines der ersten gebauten Daina-Coupés. Erstbesitzer war der italienische Verleger Tristano Torelli. Dieser machte Schlagzeilen wegen seines umstrittenen Comics "Piccolo Sceriffo", dem ersten Comic-Band, der wegen Gewaltdarstellung als jugendgefährdete Schriften indiziert wurde.
Torelli hielt dem Siata nur ein Jahr die Treue, dann ging der Wagen an den nächsten italienischen Besitzer und bis 1956 wurde er weitere vier Mal die Hand, bis er 1956 einen langjährigen Eigner fand. Bereits in den Achtzigerjahren wurde der Siata originalgetreu restauriert und kam dann über Stationen in den Niederlande und Deutschland schliesslich in die Schweiz.
Selten und rar
Offensichtlich gibt es keine klaren Aufzeichnungen, wieviele Dainas in welcher Form bis 1958 gebaut wurden. Man geht davon aus, dass es eher 50 als 100 waren und dass das Gros in den Jahren 1950 bis 1953 entstand, also mit Farina-Karosserien ausgerüstet war. Es wird spekuliert, dass rund 20 Coupés der 1950 vorgestellten Form fabriziert wurden, nur eine Handvoll soll überlebt haben. Wer also eine Daina Berlinetta auf offener Strasse erblickt, ist also sicherlich ein Glückspilz.
Am Lenkrad der Rarität
Die Leute waren 1950 kleiner als heute, dies merkt man sofort, wenn man sich in das vier Meter lange und knapp 1,6 Meter breite Coupé setzt. Ist man neuzeitliche 1,8 Meter gross, dann schabt das Haar bereits am Dachhimmel und man hat das Gefühl, zu weit oben zu sitzen. Die Enge setzt sich im Fussraum vor, wo grosse Schuhe nicht willkommen sind. Sowieso sollte man sich vor der Losfahrt mit der Pedalerie ausführlich beschäftigen, denn die Position der einzelnen Pedale ist ein wenig ungewohnt.
Sonst aber herrscht eitel Freude im Innenraum des Siatas. Das Lenkrad ist gut positioniert und das Fünfganggetriebe lässt sich problemlos schalten, wenn man sich einmal an das Gangschema der Lenkradschaltung gewöhnt hat.
Gestartet wird per Schlüsseldreh und Startzug (unter dem Armaturenbrett). Die zentral angeordnete Instrumentierung ist mit Drehzahlmesser, Tacho, Ampèremeter, Tankanzeige, Wassertemperatur und Öldruck vollständig, wenn auch das stilvolle Anzeigendesign den Erbauern wichtiger war als eine schnelle Ablesbarkeit.
Ein Blick in die nur gerade 18-seitige schreibmaschinen-geschriebene Bedienungsanleitung erübrigt sich, obschon diese durchaus interessant ist. Man hat ein wenig Mitleid mit den damaligen Käufern, die auf den ersten 500 km nicht über 3000 und bis 3000 km nicht über 4200 U/min drehen durften und damit natürlich nur von einem Teil des gebotenen Temperaments profitieren konnten.
Vom Heck ertönt ein fröhliches Röhren, das auf das vollständige Vorhandensein der 65 Pferde hinweist. Tatsächlich kommt man mit dem hübschen Coupé flott voran, ein Leistungsgewicht von 14,6 kg pro PS war 1950 meist nur Sportwagen vorbehalten und so fühlt sich der Siata auch an. Auch das Fahrwerk gibt sich keine Blösse und die Verzögerung geht auch ohne Schreckmomente vonstatten. Etwas überrascht ist man von der durchgehenden Sitzbank, denn sie vermittelt kaum Seitenhalt, wie man ihn von einem Sportwagen eigentlich erwarten würde. Aber offensichtlich hielten sich die Sportfahrer von damals dann halt einfach am Lenkrad fest.
Möchte man mit diesem Auto 1600 km fahren, z.B. an der Mille Miglia? Auf jeden Fall, die Daina Berlinetta gehört sicherlich zu den bequemeren (und zuverlässigeren) Autos, die zur Mille Miglia zugelassen sind.
Wir danken der Touring Garage in Oberweningen für die Gelegenheit, den Siata Daina fotografieren zu dürfen.
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