Der Porsche 911 wurde früh zur Ikone, daran konnte selbst der Hersteller mit attraktiven Alternativen kaum etwas rütteln. Doch immer wieder präsentierte man Fahrzeuge, die eigentlich vieles besser konnten als der 911. 1985 setzte der 944 Turbo an, den Altherren vom Thron zu stossen, war aber trotz guter Anlagen nicht erfolgreich.

Vom 924 zum 944
Bereits 1976 präsentierte Porsche mit dem Modell 924 einen Nachfolger für den VW-Porsche 914. Mit einem Vierzylinder-Frontmotor und an der Hinterachse verblocktem Getriebe (Transaxle) offerierte der moderne Sportwagen zeitgemässe Fahrdynamik, nur die 125 PS hinderten ihn an grossen Tagen. Dem wurde 1978 mit dem 924 Turbo abgeholfen, nun standen rund 170 PS an, doch noch immer galt der 924 nicht als richtiger Porsche.
Mit Renneinsätzen sollte dem Image-Problem abgeholfen werden und so standen 1980 in Le Mans mehrere 924-Derivate am Start und mit den Plätzen 6, 12 und 13 auch unverhofft weit oben auf den Ergebnislisten. Für die Homologation in der Gruppe 4 baute Porsche dann 406 Porsche 924 Carrera GT, die optisch schon den 1981 vorgestellten 944 erahnen liessen. Mit ihm nahm ein neuer Vierzylinder-Alumotor Einzug in den Bug, bei dem man soweit wie Möglich auf Teile der Porsche-928-Motors zurückgriff. 163 PS leistete der Vierzylinder, zwei gegenläufige Lanchester-Ausgleichswellen brachten ihm Manieren bei.
Erfolgreiche Renneinsätze mit Prototypen
Den neuen Motor setzte man natürlich auch im Rennsport ein und rüstete ihn zu diesem Zweck gleich mit einem Turbolader auf.
Walter Röhrl und Jürgen Barth setzten sich hinter das Lenkrad des 924 GTP und wurden, nicht zuletzt dank der insgesamt kürzesten Standzeit aller Teilnehmer an den Boxen, beachtliche Siebte im Gesamtklassement. Ein Einstand nach Mass.
Von der Rennstrecke auf die Strasse
Was für die Rennstrecke gut war, sollte auch dem Porsche-Kunden dienen. Vom Rennsport übernahm man die Turboaufladung. Mit einer elektronischen Steuerung und einem Klopfsensor wurde im laufenden Betrieb der Zündwinkel optimiert, um eine höhere Verdichtung zu ermöglichen. Auch der Ladedruck wurde elektronisch beeinflusst. Die Leistung betrug mit oder ohne Katalysator 220 PS bei 5800 U/min.
Die 944-Karosse wurde vorne und hinten überarbeitet, ein geglätteter Bug mit integrierten Leuchteinheiten, eine Heckschürze und aerodynamisch optimierte Spoiler senkten den cw-Wert von 0.35 auf 0.33. Eine Neuentwicklung war die leichte Vierkolben- Festsattelbremse aus warmfester Alu-Legierung. Auch beim Fahrwerk senkte Leichtmetall die ungefederte Masse. Vorne rollte der 944 Turbo auf Reifen der Dimension 205/55 VR 16, hinten auf 225/50 VR 16.
Im Innern übernahm der 1280 kg schwere Turbo die Verbesserungen, von denen bereits das 1985-er Modell des “normalen” 944 profitierte.
Mit offenen Armen empfangen
Natürlich rissen sich die Autoredakteure rund um die Welt darum, den schnellen 944 zu testen. Die Ergebnisse waren (vor allem für Porsche) durchwegs erfreulich. Auch die Automobil Revue setzte sich hinter das Lederlenkrad und staunte vor allem über den günstigen Treibstoffverbrauch im Teillastbereich. Insgesamt benötigten die flott fahrenden Tester dann aber doch 14,9 Liter pro 100 km und erreichten 6.2 Sekunden für den schnellsten Spurt von 0 bis 100 km/h. Als Höchstgeschwindigkeit wurden 248 km/h notiert. Positiv fielen der gute Durchzug auf, den das mit 330 Nm stämmige Drehmoment ermöglichte, sobald der Turbo seine Arbeit aufgenommen hatte. So las sich denn auch das Resumé der AR sehr positiv:
“Trotz der vorgenommenen optischen Retouchen sieht man dem 944 Turbo nicht an, dass unter seiner Bughaube ein aufwendiges Hochleistungstriebwerk installiert ist, das den Charakter des Wagens im Vergleich zum normalen 944 derart radikal verändert. Tatsächlich aber ist der 944 Turbo nicht nur preislich, sondern auch punkto Fahrleistungen ein ganz direkter Konkurrent zum 911 aus gleichem Haus ge-worden. Und ein wesentlich modernerer, wie die «AR»-Prüfung zeigte; den Nimbus des 911er hat er aber noch nicht.”
Showdown zwischen Brüdern
Die Zeitschrift Auto Motor und Sport liess den Platzhirschen 911 Carrera im Frühjahr 1985 gegen seinen modernen Widersacher 944 Turbo antreten, um herauszufinden, ob der Vierzylinder eine echte Alternative sei. Wolfgang König schrieb den Artikel und der Vergleich endete in einem Patt. Fahrleistungsmässig lagen beide Porsche auf gleichem Niveau - 5.9 Sekunden nahm sich der 944 Turbo für den Sprint auf 100 km/h, 5.9 Sekunden benötigte der 911 Carrera. Auch bei der Höchstgeschwindigkeit mit 252 respektive 254 km/h waren die Unterschiede irrelevant.
Sein niedrigeres Gewicht, die leicht höhere Leistung und den geringeren Querschnitt konnte der 911 in leichte Vorteile beim Beschleunigen ab 160 km/h umsetzen und sein Verbrauch lag mit 14,2 statt 15,4 Liter pro 100 km auch deutlich tiefer. Zudem gefiel Tester König die überlegene Übersichtlichkeit und die insgesamt bessere Karosseriequalität beim 911 besser, ansonsten aber überzeugte der 944 Turbo mit Reisequalitäten und Komfortattributen, an die der 911 nicht herankam. Bei 130 km/h etwa hörte sich der Frontmotor-944 im Innern nur halb so laut an wie sein Heckmotorbruder. Harmonie, Federungskomfort und vor allem niedrige Bedienungskräfte überzeugten den Vielfahrer König.
Wäre der 944 Turbo deutlich günstiger gewesen als der 911, vielleicht wäre sein Erfolg grösser gewesen. Tatsächlich aber lag der Preis mit DM 72’500 sogar höher als beim 911 mit DM 68’560. interessanterweise kostete der 944 Turbo im November 1985 in der Schweiz mit CHF 67’900 fast gleich viel wie der 911 Carrera mit CHF 67’000.
Stärkung
Wem die 220 PS nicht reichten, der konnte sich ab 1988 mit dem aus der Cup-Serie abgeleiteten 944 Turbo S 30 zusätzliche Pferdestärken kaufen, ab 1989 wurde diese Mehrleistung dann zum Standard. 1991 wurde der 968 als Nachfolger des 944 präsentiert, die Zeiten der Aufladung waren allerdings vorerst vorbei.
Granturismo par excellence
“Eine ganz neue Definition des sportlichen Fahrkomfortes” schrieb Porsche damals in der Werbung und fügte an: “Und eine ebenso neue Definnition des reinen Fahrvergnügens”. Tatsächlich ist der Porsche 944 Turbo kein Wagen, der maximale Konzentration oder ermüdende Muskelarbeit erfordern würde. Alles geht vergleichsweise leicht von der Hand, auch 30 Jahre nach seiner Vorstellung überzeugt der Wagen durch gute Manieren und angenehme Komfortmerkmale.

Wenn der Motor gelegentlich trotz der Ausgleichswellen etwas schüttelt, dann sind dies heute Charakter-Kennzeichen, genauso wie die durchaus hörbaren Abrollgeräusche. Mit dem Transaxle-Sportwagen kann jeder auf Anhieb schnell (genug) sein und auch lange Strecken sind in diesem mit 4,23 Meter Länge und 1,74 Meter Breite kompakten Wagen kein Greuel. Man kann kaum glauben, dass dieses Auto bereits ein Veteran und Oldtimer sein kann.
Warten auf den Aufschwung
Rund 18’000 Turbo Coupés wurden von 1985 bis 1988 gebaut, dazu kamen bis 1991 5’373 Turbo S Varianten und 528 Cabriolets mit Turbolader. Überschaubare Stückzahlen also, da würde man eine vorteilhafte Wertentwicklung erwarten. Doch im Gegensatz zum 911 Carrera aus derselben Epoche, liegen die Preise für den 944 Turbo deutlich tiefer und steigen auch deutlich weniger stark an. Es scheint also, dass selbst im zweiten Frühling der klassische 911er die Nase vorn hat, wenn es um die Gunst der Klassikerkäufer geht. Dabei gereichen die Vorzüge des moderneren Konzepts doch auch dem Oldtimer zum Vorteil.
Wir danken dem Besitzer des portraitierten 944 Turbo für seine Unterstützung.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 6 / 1985 vom 07.Feb.1985 - Seite 19: Viel mehr als nur ein Turbo - Vorstellung Porsche 944 Turbo
- AR-Zeitung Nr. 36 / 1985 vom 29.Aug.1985 - Seite 17: Test Porsche 944 Turbo
- Auto Motor und Sport Heft 3/1985, ab Seite 22: Fahrbericht Porsche 944 Turbo
- Auto Motor und Sport Heft 7/1985, ab Seite 8: Vergleichstest Porsche 944 Turbo gegen 911 Carrera
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