Spätestens seit des Erfolgs des VW Golf zählen kompakte Heckklappenlimousinen zu den beliebtesten Fahrzeugen im Markt. Mit dem VW Golf GTI erfreute Volkswagen auch die sportlich veranlagten Käufer, die gerne ein praktisches Auto fuhren. Peugeot setzte mit dem 205 dagegen und überzeugte manchen GTI-Interessierten vom Löwen auf der Kühlermaske.
Obschon der Peugeot 205 GTI ein schnelles Auto war, reichte dieser aber als Basis für die nach der Gruppe B organisierten Rallye-Weltmeisterschaft nicht aus.

So konstruierten die Franzosen den Peugeot 205 Turbo 16, der mit seinem Bruder aber nur noch Typennummer, Türen, Frontscheibe, Scheinwerfer, Kühlermaske und einige Kleinteile gemeinsam hatte.
Die Silhouettenformel
Anfangs Achtzigerjahre beschloss die FIA die Gruppe 4 durch die Gruppe B zu ersetzen. Innerhalb dieses Regulativs reichte es, 200 Autos als Basis zu produzieren. Aufbauend konnten dann Evolutionsserien aufgelegt werden, von denen jeweils 20 Fahrzeuge entstehen mussten. Ab 1982 wurde die Rallye-Weltmeisterschaft nach dem Reglement der Gruppe B gefahren.
Am 29. März 1984 präsentierte Peugeot 200 identische Modelle des 205 Turbo 16 und erfüllte damit die Anforderungen der FIA. Während die 200 Fahrzeuge für den Privateinsatz bestimmt waren und z.B. in Deutschland für DM 94’400 an 15 Kunden verkauft wurden, waren die Evolutionsmodelle reinrassige Rennwagen, die einen Wert von rund CHF 450’000 darstellten.
Renntechnik vom Feinsten
Der Peugeot 205 Turbo 16 war die Demonstration des Machbaren im Jahr 1984. So gesehen war das Auto fast schon ein Sonderangebot, denn abgesehen von der Silhouette und einiger weniger Gleichteile, war die Basisversion für den Rallye-Sport eine komplett neue Konstruktion.
Statt Frontmotor und -antrieb gab es einen Mittelmotor und Vierradantrieb. Statt einer selbsttragenden Stahlblechkarosserie gab es Hilfsrahmen und Kunststoffteile. Statt eines saugenden 1,6-Liter-Motors, der im GTI knapp über 100 PS abgab, standen dank Turboaufladung, zwei obenliegenden Nockenwellen, vier Ventilen pro Zylinder und 1775 cm3 nun 200 PS zur Verfügung, die bei 6750 U/min produziert wurden.
Vorne und hinten waren die Räder einzeln an Doppel-Dreieckslenkern aufgehängt und es gab Sperren für jede Achse. Zwischen den beiden angetriebenen Achsen sorgte ein Mitteldifferential von Ferguson für die optimale Kraftverteilung, bei der 2/3 der Kraft nach hinten gelenkt werden.
Und etwas Alltagskomfort
Für die Verwendung im Alltag spendierte Peugeot eine durchaus wirksame Schallisolation, nett anzuschauende Verkleidungen und Stoffe sowie eine Antenne für das nicht serienmässige Radio. Sogar einige wenige Ablagen gab es, doch reichten diese gerade einmal für ein paar Papiertaschentücher und eine Sonnenbrille, während grössere Gegenstände bei Nutzung durch zwei Personen weder im Innern noch im nicht vorhandenen Kofferraum Platz hatten. Dies soll sogar dazu geführt haben, dass die Helme der Rallyefahrer bei Verbindungsetappen im Begleitfahrzeug mitgeführt werden mussten.
Überzeugende Fahreigenschaften
Was interessiert einen Sportfahrer fehlendes Stauvolumen? Es geht ja um’s Fahren. Und diese Aufgabe meisterte der Peugeot 205 Turbo 16 auch im Strassentrimm meisterhaft.
“Schon eine kurze Bekanntschaft mit dem Wagen lässt erahnen, dass der Peugeot auf kurvenreichen Strecken wohl kaum ernsthaft einen Gegner zu fürchten hat. Mit minimalen Lenkausschlägen lässt er sich präzis dirigieren, die Gänge rasten leicht und sicher ein, die Lenkung erfordert relativ wenig Kraftaufwand. Auch mit dem Fahrverhalten kommt man auf Anhieb zurecht, denn im Gegensatz zu anderen allradangetriebenen Autos legt der Peugeot ein genau definiertes Eigenlenkverhalten an den Tag ... das Ergebnis jedenfalls wirkt überzeugend; der Peugeot erinnert in seinem Fahrverhalten an herkömmliche Mittelmotor-Autos, besitzt aber dennoch den Vorzug unnachgiebiger Traktion auf losem Untergrund.” So schrieb Götz Leyrer in seinem Bericht im Jahr 1984.
Die Fahrleistungen waren mit einer Beschleunigungszeit von 7,3 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h und einer Höchstgeschwindigkeit von rund 211 km/h nicht gerade überirdisch, dies änderte sich aber, sobald der Untergrund feucht oder lose war, denn dann gab es auch für die Serienversion kaum mehr würdige Gegner.
Steigerungsfähig
Die Rallye-Version konnte alles noch viel besser, wobei unter der Gewichtserleichterung auf unter 1000 kg natürlich der Komfort ein wenig litt. Rund 350 PS standen Leuten wie Vatanen und Nicolas zur Verfügung, um Rallye-Siege einzufahren. Die 980 kg schweren Werkswagen konnten in rund 4,4 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen und die Qualität des Untergrunds spielte dabei nur eine bescheidene Rolle. Noch viel wichtiger aber war die unglaubliche Handlichkeit, die der nur 382,5 cm lange und 167,5 cm breite Wagen trotz 2,54 Meter grossen Radstand dank kleiner Überhänge an den Tag legte.
“Ein leichtes Einlenken, und spontan folgt der 205 dem Befehl des Piloten, keine Spur von Untersteuern. Traditionelle Allradautos mit Frontmotor fühlen sich dagegen wie antiquierte Lastwagen an, gegen die extremen Mittelmotorboliden müssen sie auf winkligen Rallyegässchen zwangsläufig den Kürzeren ziehen. Für den Alltagsbetrieb wäre dieser Mangel an Stabilität jedoch kaum empfehlenswert. Während man sich als «Gelegenheitsrennfahrer» in einem Monoposto oder einem kräftigen Sportwagen nur mit Mühe in den Bereich der Haftgrenze vortastet, ist Driften beim Peugeot auf Schotter schon nach wenigen Metern die natürlichste Sache der Welt”, schilderte Jürg Kaufmann seine Erfahrungen mit dem Rallye-Einsatzwagen in der Automobil Revue.
Erfolgreich
In den Jahren 1985 und 1986 war der Peugeot 205 Turbo 16 der Rallyewagen, den es zu schlagen gab. Schon 1984 hatte Ari Vatanen drei Siege in der Rallye-Weltmeisterschaft einfahren können, im Jahr 1985 und 1986 trug Peugeot den Markentitel nachhause, 1986 mit Juha Kankkunen auch den Fahrertitel.
Spezialversionen starteten zudem am Pikes Peak und an der Rallye Paris-Dakar.
Sammlerfahrzeuge
Über den damaligen Neupreis von DM 94’400 kann man heute nur lachen, denn längst sind gut erhaltene Fahrzeuge wesentlich teurer geworden und es würde wohl niemanden erstaunen, wenn das 117. produzierte Exemplar, das RM an der Versteigerung vom 8. September 2014 in London anbietet, deutlich jenseits von Euro 200’000 oder Franken 250’000 einen neuen Besitzer finden würde.
Allerdings, wer günstige Unterhaltskosten und problemlose Teileverfügbarkeit erwartet, sollte im September nicht mitbieten, denn damit kann der Peugeot 205 Turbo 16 nun sicher nicht dienen, genausowenig wie mit Familientauglichkeit oder Benzinökonomie - im Rallye-Einsatz liefen 30, 40 und mehr Liter Benzin durch die Einspritzung.
Es war wohl kein Zufall, dass auf den in Frankreich ausgelieferten Exemplaren ein Kleber prangte mit “Un Constructeur sort ses griffes” (übersetzt: Ein Hersteller schärft seine Krallen), denn der Peugeot 205 Turbo 16 war vor 30 Jahren das Mass aller Dinge im Rallye-Rennsport.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 49/1985, Seite 3: Driften als Normalzustand - AR fuhr Siegerauto der Rallye-WM 1985
- AR-Zeitung Nr. 1/1985 , Seite 7: Gut gebrüllt Löwe
- AR-Zeitung Nr. 49/1986, Seite 39: Der Peugeot 205 “Grand Raid”
- ADAC Motorwelt 8/1985, ab Seite 46: Der Löwe schlägt zu
- Auto Motor und Sport Heft 23/1984, ab Seite 116: Test Peugeot 205 Turbo 16
- Rallye Racing Heft 5/1984, ab Seite 116: Die Krallen geschärft: Peugeot 205 Turbo 16
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