Als Ernst und Fritz Beutler kurz nach dem Krieg im Jahr 1946 ihre eigene Karosseriefirma in Thun gründeten, gingen die beiden ein erhebliches Risiko ein, denn kaum jemand hatte in jenen Jahren das Geld, sich einen Wagen nach eigenem Geschmack fertigen zu lassen. Aber die beiden Karosseriekünstler gingen ihren Weg und karossierten unter anderem auch einige der ersten Porsche-Sportwagen überhaupt.
Fritz Beutler war ein aussergewöhnlich begabter Bleckünstler, während Ernst ein gutes Gefühl für Formen zeigte und die Karosserien entwarf.
Pontonform auf Jaguar-Chassis
Am Genfer Automobilsalon von 1953 wurde auf dem Beutler-Stand ein Cabriolet auf Basis der Jaguar Mk VII Limousine (Chassisnummer 737908 BW) gezeigt.
Die Automobil Revue beschrieb über den damals rot lackierten Wagen in der Salonberichterstattung:
“Die Gebrüder Beutler beschränken sich auf ihrem Stand auf ein Cabriolet Jaguar Mark VII, das nun einmal die Abmessungen des grossen Wagens mit der Eleganz und leichten Linie vieler kleiner Spitzenschöpfungen verbindet. Durch kleine Kunstgriffe ist dem doch imposanten Wagen jede Schwere genommen.”
Die Form kam offensichtlich an.So wurde das Beutler Jaguar Cabriolet dann auch an der internationalen Schönheitskonkurrenz von Genf im Rahmen der Genfer Rosenwoche Ende Juni 1953 mit einem Preis in der Kategorie III (Spezialkarosserien, Cabriolets) ausgezeichnet, zusammen mit einem Fiat, den Ghia eingekleidet hatte.
Leistungsfähige Basis
Der Jaguar MK VII war 1950 an der London Motor Show vorgestellt worden und hiess als Nachfolger des Mark V nicht Mark VI, weil es unter dieser Bezeichnung bereits einen Bentley gab. Ausgerüstet mit einem 3,5-Liter-Reihensechszylindermotor aus dem XK 120 mit zwei obenliegenden Nockenwellen, gehörte der Jaguar zu den schnellen Limousinen der damaligen Zeit und konkurrierte direkt mit den Autos aus Amerika.
166 km/h erreichte die Automobil Revue mit demontiertem Luftfilter und italienischem Superbenzin. Den Sprint von 0 bis 100 km/h absolvierte die über 1,7 Tonnen schwere fünfsitzige Limousine in 15,6 Sekunden, auch dies ein beeindruckender Wert für eine Zeit, als die meisten Autos gar keine 100 km/h schafften.
"Der kurze Schalthebel, der zwischen den beiden Sitzen liegt und das Ein- und Aussteigen nach beiden Seiten unbehindert lässt, verlangt etwas Gewöhnung. Die drei oberen Gänge sind synchronisiert, besitzen jedoch keine Sperrsynchronisation, so dass nicht allzu rasch geschaltet werden sollte. Beim Herunterschalten in den zweiten Gang empfiehlt sich Zwischengas ...", schrieben die AR-Redakteure nach ihrer Fahrt im Jaguar.
Das Chassis des Mark VII wies kastenförmige Längsträger und X-Traversen auf. Die vorderen Räder waren an Trapezquerlenkern und Längstorsionsstäben einzeln aufgehängt, während hinten eine Starrachse mit Halbelliptikfedern für die Radführung sorgte.
Mit 3,05 Meter Radstand, 4,97 Meter Länge und 1,87 Meter Breite gehörte der Jaguar Mark VII zu den grössten Fahrzeugen jener Zeit, mit 20’500 Franken Grundpreis (inklusive Heizung) auch zu den teuren.
Leichter und flacher
Mit dem stabilen Chassis und dem starken Motor verfügten die Brüder Beutler über gute Voraussetzungen für eine Sonderkarosserie. Ernst (auch “Aschi” genannt”) Beutler zeichnete eine elegante Ponton-Karosserie, die mit Alublech zum Leben erweckt wurde. Die offene Variante dürfte sowohl leichter als auch flacher - die Limousine war 1,59 Meter hoch - gewesen sein und damit auch (noch) bessere Fahrleistungen geboten haben als die geschlossene Serienversion.
Für die Vorstellung auf dem Genfer Salon war das Cabriolet granatrot gespritzt und mit einem beigen Lederinterieur ausgerüstet. Die Instrumentierung hatte man von der Limousine übernommen, das Armaturenbrett war aber im Gegensatz zur Limousine nicht in Holz gehalten, sondern mit Leder überzogen.
Fast die Blaupause für eine Serienproduktion?
Nach der Präsentation auf dem Genfer Autosalon soll der Beutler-MK VII einige Zeit im Jaguar-Werk in Coventry verbracht haben. Gut möglich, dass Jaguar über eine Serienfertigung des anmutigen Cabriolets nachdachte. Dazu kam es aber nicht.
Der Wagen wurde schliesslich verkauft und ging durch mehrere Hände. Einer der Besitzer war Roland Urban, der den Wagen in seinem Buch über Jaguar-Derivate (“Les Métamorphoses du JAGUAR / Roland Urban”, 1993) auch eingehend beschrieb.
Zu jenem Zeitpunkt war das Cabriolet bereits weiss.
Idealer Concours-Kandidat
Am 5. Juli 2014 hat Artcurial den Wagen anlässlich der Le Mans Classics Auktion versteigert. Der Schätzpreis lag bei Euro 60’000 bis 80’000 angesetzt. Gemäss Auktionskatalog soll sich immer noch der originale Motor im Wagen befinden, der 1996 und 2000 überarbeitet wurde.
Im Jahr 1996 wurde auch das Leder des Wagens ersetzt, das Interieur präsentiert sich heute in dunkelgrüner Farbe, wobei das Leder auf dem Armaturenbrett in beige geblieben ist.
Artcurial beschreibt den Wagen als “fahrbar”, empfiehlt aber, vor der Nutzung notwendige Wartungsarbeiten nachzuholen. Zudem fiel den Artcurial-Leuten das einfach zu bedienende Dach auf, was als Auszeichnung für die konstruktiven und handwerkliche Qualität der Beutler-Kreationen verstanden werden darf.
Ein Käufer war am 5. Juli 2014 an der Le-Mans-Classic-Versteigerung bereit Euro 160'900 (ca. CHF 196'000, inklusive Aufpreis/Kommission) für den Wagen zu bezahlen.
Das Beutler Cabriolet dürfte als Einzelstück ein ideales Vehikel sein, um an den grossen Concours d’Elégance dieser Welt aufzutreten und es wäre natürlich schön, wenn man den Wagen in Zukunft von Zeit zu Zeit sehen könnte.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 30 / 1952 vom 09.Jul.1952 - Seite 9: Langstreckentest Jaguar Mark VII 3.5 Litre
- AR-Zeitung Nr. 12 / 1953 vom 11.Mrz.1953 - Seite 2: Beutler am Genfer Salon 1953
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