Um im Rennsport Erfolg zu haben, gehen Autohersteller manchmal weit, sehr weit. So entwickelte Mercedes-Benz in den frühen Achtzigerjahren mit Unterstützung von Cosworth eine sportliche Version des 190E (Baureihe W201) namens 2.3-16, um bei Rallyes antreten zu können. Zu vielen Rallye-Einsätzen kam es nicht, doch nach einer eindrücklichen Rekorddemonstration in Nardo im Jahr 1983 über 50’000 km entschied man sich in Stuttgart, den 190E 2.3-16 im Tourenwagensport einzusetzen.
Allerdings zog man in der 1984 ins Leben gerufenen Deutschen Tourenwagenmeisterschaft (DTM) immer wieder den Kürzeren gegen stärkere Gegner und so rüstete man bei Mercedes-Benz nach, um gegen BMW M3 und Audi V8 eine Chance zu haben.
Das Gruppe-A-Reglement verlangte nach 5000 produzierten Basismodellen, im DTM-Reglement waren aber zusätzliche Evolutionsvarianten zugelassen, die mindestens 500 Mal gefertigt werden mussten.
Von 2.3 auf 2.5 Liter
1988 präsentierte Mercedes daher eine 2,5-Liter-Variante des 16-Ventilers, der nun in der Kat-Version 195 PS stark war und hubraumtechnisch bessere Chancen versprach. Die 5000 Exemplare waren schnell gebaut und auf den Genfer Automobilsalon 1989 schob man gleich ein Evolutionsmodell nach, das sich hinsichtlich Leistung und Hubraum nicht vom Basis-2.5-16 zu unterscheiden schien.
Kurzhuber
Um die im Rennsport nötigen höheren Drehzahlen zu ermöglichen, hatte man aber den Hub von 87,2 mm auf 82,8 mm reduziert, was natürlich auch die Kolbengeschwindigkeit bei Höchstdrehzahl senkte und somit deutlich gesünder für die angepeilten Leistungssteigerungen der Rennsportversion war. Durch Erhöhung der Bohrung stellte man sicher, dass sich der resultierende Hubraum nicht veränderte.
Man beliess aber die Leistung bei 195 Kat-PS bei 6800 Umdrehungen pro Minute, zumindest im Normalfall. AMG offerierte für leistungshungrige Kunden ein “Power Pack”, das weitere 30 PS bei entsprechend höheren Drehzahlen (7200 U/min) ermöglichte.
Optische Retuschen
Um den für die Renneinsätze nötigen dicken Räder genügend Raum zu verschaffen, erhielt der “EV” (diesen Zusatz erhielt das Evolutionsmodell im Namen) dicke Kotflügelverbreiterungen und zur Erhöhung des Abtriebs brachte man vorne einen tiefen Frontspoiler und auf dem Heck einen auffälligen Flügel an.
Ansonsten änderte sich optisch - auch innen - kaum etwas. Unter der Karosserie allerdings schon, denn um den Wagen mit dem um 19 mm abgesenkten Fahrwerk alltagstauglich zu trimmen, hatten die Daimler-Techniker vorne und hinten eine Niveauregulierung eingebaut.
Sportlich
Die Fachpresse riss sich natürlich darum, das Evolutionsmodell zu testen und war ein wenig enttäuscht. Denn statt schneller, fuhr das neue Modell langsamer. Dies lag einerseits am gestiegenen Gewicht, so wog der Testwagen der Automobil Revue 1420 kg oder 100 kg mehr als der früher geprüfte 2.3-16. Entsprechend benötigte der Evo 7,7 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h und auch in der Höchstgeschwindigkeit lag man mit 226 km/h leicht unter den Herstellerangaben von 230 km/h.
Dies schmälerte die Fahrfreude im “überraschend komfortablen” Sport-Benz aber nur wenig. Das knackige Fahrwerk und die gut abgestimmte Bremsanlage machten den kompakten 190E zu einem regelrechten Kurvenräuber.
Limitiert
Allerdings konnten nur wenige Kunden davon profitieren. 502 Exemplare wurden gebaut, die 100 für die Schweiz bestimmten Autos waren in Kürze ausverkauft und dies trotz eines Grundpreises von DM 87’204,30 oder CHF 74’045 (11’525 Franken mehr als der “normale” 2,5-16).
Die Automobil Revue stellte daher schon 1989 eine zweite Serie in Aussicht, die kam aber nicht in der selben Form sondern als Evolution II am Genfer Automobilsalon 1990. Und sie war teurer (DM DM 115’259,70 ohne Klimaanlage, CHF 117’800 voll ausgestattet), stärker (235 PS), schneller (ca. 250 km/h) und deutlich auffälliger, denn der Heckflügel hatte nun wahrlich monströse Ausmasse angenommen, die Räder waren nun 17 Zoll gross und die Verbreiterungen und Schweller fast schon auf Rennsportniveau.
Und wiederum wurden 502 Exemplare hergestellt und wiederum waren sie alle inBlauschwarz-Metallic lackiert mit Ausnahme der letzten beiden Fahrzeuge, die Silber waren.
Endlich Meister
Und mit dem Evo II gelang es 1992 dann endlich, den DTM-Titel zu erringen. Klaus Ludwig kam die Ehre zuteil, mit dem Über-Benz die M3 einzubremsen und den verdienten Meistertitel einzufahren.
Mit dem Evo auf der Strasse
Die meisten der 1004 Evolutionsmodelle aber fuhren mehr oder weniger brav auf der Strasse, respektive landeten in einer Sammlergarage und wurden geschont. Nicht allerdings das Modell, das an einem warmen Frühlingstag zur Probefahrt einlud. Über 120'000 km zeigte die Uhr, aber der hochgezüchtete Motor des Evo startete brav wie ein Kleinwagen. Man ist fast etwas enttäuscht, dass es nicht kräftiger aus dem Motorraum und dem Auspuff tönt, schon in zeitgenössischen Testberichten wurde die Laufkultur gelobt.
Langeweile kommt allerdings nicht auf, sobald der erste Gang links hinten eingerastet hat und sich der Wagen kraftvoll nach vorne zu bewegen beginnt. Der Unterschied zum häufigeren 2.5-16 zeigt sich vor allem beim Blick in den Rückspiegel, denn auf dem Heckdeckel thront unübersehbar der Heckspoiler. Ansonsten erkennt man im Interieur kaum Veränderungen, alles wie gehabt.
Sobald die ersten Kurven heranfliegen, stellt sich automatisch ein sportliches Fahrgefühl ein, und man kann dieses mit drei weiteren, bequem untergebrachten Passagieren teilen. Und dies ohne sich vor den Untugenden eines Rennmotors fürchten zu müssen, denn der Vierzylinder tut seinen Dienst unauffällig und mit Bravour.
Der Seltenheit ist es geschuldet, dass die Evo I und Evo II Modelle deutlich teurer sind als die Serien-Pendants ohne Flügel und Verbreiterungen. Und nur selten auftauchen.
Wir danken der Oldtimer Galerie Toffen für die Gelegenheit, dem Mercedes-Benz 190E 2.5-16 EV auf den Zahn fühlen zu dürfen.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 28 / 1989 vom 06.Jul.1989 - Seite 27: Test Mercedes-Benz 190E 2.5-16 Evo I
- AR-Zeitung Nr. 35 / 1990 vom 23.Aug.1990 - Seite 39: Test Mercedes-Benz 190E 2.5-16 Evo II
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Leider ist das gezeigte Fahrzeug wirklich keine Zierde seiner Baureihe, denn das verbaute Gummilenkrad ist genausowenig original oder passend, wie der Zubehörschaltknauf aus Holz, das Schaltbrettchen aus einem Automatic-Fahrzeug, die Felgen vom EVO II oder der Zubehörauspuff Marke Krawall. Der Tacho mit seinen abfallenden Ziffern sieht deutlich zurückgedreht aus, die Naht hinten links zwischen Seitenteil und Heckblech wurde auch schon mal überarbeitet... Hoffen wir, dass sich niemand über den Tisch ziehen läßt.
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