Wenn man an Filmautos denkt, dann fällt den meisten Kinoenthusiasten zunächst der legendäre Aston Martin DB5 von James Bond ein. Im Vergleich dazu ist der Mercedes-Benz 190 SL allerdings ein richtiger Gassenhauer, denn er spielte in Hunderten von Filmen mit und stand immer wieder auch im Zentrum der Dreharbeiten.
Wer erinnert sich nicht an Grace Kelly, die Frank Sinatra im Film “High Society” herumchauffiert? Der Film-190 SL ist silberfarbig lackiert, genau wie der für diesen Bericht portraitierte (etwas jüngere) Wagen.

Downsizing in den Fünfzigern
Als der Mercedes-Benz 190 SL am 6. Februar 1954 dem stauenden Publikum auf dem Autosalon von New York präsentiert wurde, hatten die Stuttgarter Autobauer bereits einen grösseren Sportwagen im Programm, nämlich den 300 SL, abgeleitet aus der Rennsportversion und sicherlich nicht für grosse Stückzahlen bestimmt.
US-Importeur Max Hofmann aber wünschte sich ein kleineres Cabriolet für einen grösseren Käufermarkt.
In Windeseile wurde ein Prototyp gebaut, der dann in New York 1954 gezeigt werden konnte. Bis zur Serienversion sollte es dann aber noch bis Oktober 1955 dauern.
Eleganz für den Alltag
Die Karosserie hatten Karl Wilfert und Walter Höcker gezeichnet, sie lehnte sich optisch am 300 SL an, erheilt aber durch die gewählte technische Basis dann doch auch andere Proportionen. Hübsch war sie aber auf jeden Fall.
Technisch bediente der Rahmenbodenanlage vom 180, kürzte diese ein und montierte einen neu entwickelten 1,9-Liter-Vierzylinder mit obenliegender Nockenwelle. Die Vorderradaufhängungen konnte man ebenfalls samt Fahrschemel vom Typ 180/180 D übernehmen, hinten sorgte eine Pendelachse zum Einsatz.
Mehr Tourer als Sportwagen
105 PS auf ein Eigengewicht von 1170 kg (vollgetankt), das sind nicht unbedingt Sportwagenwerte, heute noch viel weniger als damals. 14,3 Sekunden vergingen für den Spurt von 0 bis 100 km/h, als Spitze notierte Auto Motor und Sport im Test im Jahr 1960 170 km/h. Als Verbrauch wurden 14,2 Liter im Schnitt gemessen. In Verbindung mit dem 65-Liter-Tank waren somit Etappen bis 500 km möglich, wenn man es etwas schonender angehen liess.
Reinhard Seiffert notierte in seinem Resümee: “Der 190 SL ist schwer zu beurteilen, weil er ganz gewiß kein schlechter Wagen ist. Er hat sich vieltausendfach bewährt, seine Besitzer sind zufrieden. Fahrsicherheit, Straßenlage, Fahrleistungen sind einwandfrei, Karosserie und Verarbeitung hervorragend. So gesehen, ist tatsächlich nichts an ihm aus zusetzen.”
Ganz zufrieden war der Testfahrer nicht, vielleicht auch, weil er nach fünf Jahren Bauzeit etwas mehr erwartet hatte. Aber für dieses “mehr” wurde 1963 ja dann der 230 SL vorgestellt.
Interessant ist übrigens, dass der 1960 als lärmig und giftig klingend empfundene Vierzylinder fünf Jahre vorher beim Road & Track Test in den USA überhaupt keine negativen Rückmeldungen auslöste, im Gegenteil: “Tatsächlich ist er (der Motor) einer der am weichsten und ruhigsten laufenden Vierzylindermotoren auf dem Markt und es ist absolut unmöglich, während der Fahrt die Anzahl Zylinder eindeutig zu beziffern.”
Der Liebling der Filmemacher
Schon 1960 vermerkte Seifert die Beliebtheit des 190 SL in der Filmindustrie:
“Allerdings scheint es ein ganz bestimmtes Publikum zu sein, das den 190 SL bevorzugt. Seine Beliebtheit als Film-Requisit, als Hintergrund in Modejournalen, seine Häufigkeit in der Hand von Stars verschiedenster Schattierungen deuten die Richtung an – keineswegs immer zur ungeteilten Freude seiner Erzeuger. Aber es besteht wohl kein Zweifel, daß der 190 SL auf Boulevards mehr zuhause ist als auf Rennpisten. Das gehört zu seiner Eigenart.”
Dass sich die Filmregisseure immer gerne dem 190 SL zuwandten, hatte natürlich gute Gründe. Einerseits war er aussergewöhnlich hübsch anzuschauen und liess die Schauspieler immer gut aussehen. Andererseits hatte er eben jene Mercedes-Qualitäten, die gerade auch auf dem Filmset von grosser Bedeutung sind. Der 190 SL läuft stets zuverlässig und ohne Probleme. Er kann von jedermann gefahren werden, also auch von zarten Filmsternchen.
Wohl aus diesen Gründen machte ein silberner 190 SL auch seine Aufwartung im Film “High Society”. Am Lenkrad sass Grace Kelly (als verwöhnte Tochter aus gutem Hause), auf dem Beifahrersitz Frank Sinatra (als Journalist).
Die Liste an Filmeinsätzen ist aber ellenlang. Sie reicht von Heimatfilmen (z.B. Die Zwillinge vom Zillertal, Die Fischerin vom Bodensee), über Biopics (Das Mädchen Rosemarie) und Krimis (z.B. Edgar Wallace - Whiteface) bis zu Fernsehserien (z.B. I Spy, The Man from U.N.C.L.E). Beliebte Farben waren Rot, Weiss, Blau und Silber.
Beliebt auch bei den Oldtimerfans
25’881 Exemplare des 190 SL wurden von 1955 bis 1963 gebaut, die meisten wurden nach Amerika exportiert, einige kamen wieder zurück. Viele dürften überlebt haben, denn schliesslich gehört der kleine SL schon seit Jahrzehnten zu den Lieblingen der Oldtimerfans.
Kein Wunder hat sich der Wert seit 1989 versechsfacht! Ein guter 190 SL kostet heute mehr als ein aktueller gut ausgestatteter SL 500 als Neuwagen.
Fahren wie Kelly und Sinatra
Wer gerne nachvollziehen wollte, wie es sich in der “High Society” lebt, konnte den fotografierten Mercedes-Benz 190 SL aus dem Jahr 1960 anlässlich der Swiss Classic World am 25. Mai 2019 bei der Oldtimer Galerie Auktion ersteigern. Wir danken der Oldtimer Galerie Toffen für die Gelegenheit zum Foto-Shooting.
Der Schätzpreis beträgt CHF 115’000 bis 120’500 (EUR 101’200 bis 106’040) sind geschätzt, das sollte durchaus machbar sein. Nur Grace Kelly wird dabei leider nicht mitgeliefert, Sinatra genausowenig.
In einem früheren Artikel sind wir ausführlicher auf Geschichte und Werdegang des Mercedes-Benz 190 SL eingegangen.
Weitere Informationen
- Road & Track October 1955, ab Seite 12: Test Mercedes-Benz 190 SL
- Auto Motor und Sport Heft 15/1960, ab Seite14: Test Mercedes-Benz 190 SL
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der Bruder eines Bekannten, in den 70er Jahren Ingenieur bei Mercedes hat so einen 190SL "etwas" verbessert.
Gasdruckstoßdämpfer von Bilstein in Rally-Ausführung rundum waren eine erste Maßnahme nebst Gürtelreifen und dann einen Mercedes-4-Zylinder mit 5-fach gelagerter Kurbelwelle, auf Reparaturstufe 4 aufgebohrte Zylinder und fein ausgewuchtet haben den Wagen deutlich verbessert in Richtung Alltagstauglichkeit.
Viele Jahre später hat ein Oldtimer-Fachbetrieb im Remstal etwas ähnliches angeboten, mit welchem Erfolg weiß ich leider nicht.
Puristen fanden bzw. finden das vermutlich ja auch nicht angebracht.
Es gab eine Zeit, da erschien vielen die Form des 190SL irgendwie überholt, ganz im Gegensatz zum 300SL, egal ob Flügeltürer oder Roadster.
Inzwischen ist das, warum auch immer, wieder anders.
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