Vignale war einer der grössten und bekanntesten italienischen Karosseriebauer in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Alfredo Vignale war ein Meister seines Fachs und seine Aufbauten zählten zu den attraktivsten und gesuchtesten. Ob Fiat oder Ferrari, Triumph oder Cunningham, Alfa Romeo oder Maserati, Vignale nutzte Fahrgestelle von italienischen, aber auch von ausländischen Autoherstellern. Auch Lancia gehörte zu den Chassis-Lieferanten und vor allem auf der Aurelia lieferte Vignale einige seiner schönsten Kreationen.
Lancia und die Karosseriebauer
Eigentlich war mit der im Mai 1950 auf dem Turiner Autosalon präsentierten neuen Lancia Aurelia das Schicksal der Karosseriebauer fast schon besiegelt. Die selbstragende Werks-Limousine mit dem neu entwickelten V6-Motor mit 1,8 Litern Hubraum, 56 PS und Transaxle-Kraftübertragung erfüllte fast alle Bedürfnisse und Abwandlungen zum Coupé oder Cabriolet waren wegen der Unibody-Konstruktion nur schwer anzufertigen. Doch Lancia dachte natürlich auch an ihre treuen Geschäftspartner, die Carrozzerias, und kann zudem die eklektischen Wünsche ihrer anspruchsvolleren Kunden. Und so entwickelten die Lancia-Ingenieure um Vittorio Jano auch ein eigenständiges Fahrgestell B50, auf dem dann individuelle Karosserien entstehen konnten.
1952 bereits wurde eine verbesserte Version mit der Bezeichnung B52 verkauft, dieses profitierte vom auf 1991 cm3 vergrösserten Motor mit 90 PS. Allerdings konnten von 1952 bis 1953 nur gerade 98 dieser Chassis an die Karosseriebauer abgegeben werden, ein deutlicher Rückschritt von den 485 produzierten B50-Fahrgestellen, was natürlich nicht zuletzt auch an den Werks-Coupés (B20 GT) lag, die deutlich günstiger als die aufwändig gefertigten Spezialkarosserien verkauft werden konnten. Hauptabnehmer war Pinin Farina, aber auch Vignale sorgte für einige aufregende Karosserien auf dem verbesserten Chassis.
Der B52 und Alfredo Vignale
Rund 20 B52-Fahrgestelle - die Zahlen variieren je nach Quelle - sollen bei Alfredo Vignale ihren Aufbau erhalten haben. Dort war Giovanni Michelotti für die Gestaltung zuständig und die meisten der B52 wurden nach seinen Ideen als Coupé oder als Cabriolet eingekleidet. Doch es gab eine Ausnahme, Chassis B52-1054, das eine geschlossene Karosserie nach einem Design Rodolfo Bonettos erhielt. Der kleinere Teil der von Vignale eingekleideten Fahrgestelle waren Coupés:
Fahrgestell |
Baujahr | Karosseriebauer | Designer | Kommentare |
---|---|---|---|---|
B52-1015 | 1952 | Vignale | Giovanni Michelotti | Ehemals Sleeping Beauty Collection (Dovaz), Museum Carlet (1989-1991), evtl. der Gina Lollobrigida Wagen, evtl. im Film "La Provinciale", ausgestellt in Het Loo (2006), an der Techno Classica (2003), Hutze kam nachträglich auf die Haube |
B52-1026 | 1952 | Vignale | Giovanni Michelotti | ehemals Blackhawk Collection, Klassensieger Pebble Beach (1995), KCA Milano Restaurierung, 2014 nach Europa |
B52-1054 | 1952 | Vignale | Rodolfo Bonetto | komplett anderes Design, einmal (ausser einer zweiten Version auf Alfa Romeo Basis), verkauft durch RM/Sotheby's an der Villa Erba Versteigerung 2017 |
B52-10xx (A) | 1952 | Vignale | Giovanni Michelotti | weisser/heller Wagen mit dunklem Dach, nur zwei Scheinwerfer (keine aktuellen Bilder) |
B52-1072 | 1953 | Vignale | Giovanni Michelotti | heute grün, mit dunklem Dach, hoher Kühlergrill, Vieraugengesicht, geschwungene Zierliste seitlich, sonst ähnlich zu B52-10xx (C), Sammlung Lopresto, gezeigt u.a. an Rétromobile 2015 |
B52-10xx (B) | 1953 | Vignale | Giovanni Michelotti | dunkle Karosserie mit weissem/hellen Dach, relativ kurzer Zierstreifen zwischen den Radhäusern, vier Scheinwerfer (abgebildet im Vignale Buch auf Seite 148) |
B52-10xx (C) | 1953 | Vignale | Giovanni Michelotti | gezeigt in Turin im Jahr 1953 (?), helle Karosserie, dunkles Dach, hoher Kühlergrill, vier Scheinwerfer |
Während einige Spezialisten und Quellen von insgesamt zwei Vignale-Coupés auf dem B52-Chassis sprechen, nennen andere deren vier. Wer sich aber die Mühe macht, länger nachzuforschen, kommt auf mindestens sieben Coupés. Allerdings sind Doppelnennungen immer möglich, denn Karosserieschneider überarbeiteten und verbesserten auch immer wieder bereits bestehende Fahrzeuge, um an den Salons oder als Reaktion auf Kundenwünsche auch etwas bieten zu können.
Sieben Coupés?
Von den sieben fotografisch dokumentierten Coupés wurden, wie bereits erwähnt, deren sechs von Giovanni Michelotti gezeichnet.
Michelotti gilt als einer der produktivsten Zeichner der Fünfziger- und Sechzigerjahre und viele heutige Klassiker sind auf seine Handschrift zurückzuführen, darunter manches Ferrari-Modell jener Zeit, bis Pininfarina das Ruder übernahm, Triumph-Sportwagen oder Fiat-Karosserien. Seine sechs Vignale-B52-Coupés lassen sich wiederholende Gestaltungsmuster erkennen.
So tragen alle einen ähnlichen Dachaufbau, der mit grossen Fensterflächen und einer insgesamt leicht wirkenden Überdachung an die Ferrari-Modelle 250 Europa (z.B. 0295 EU) und 212 Export (z.B. 0111 ES) erinnerte, die Giovanni Michelotti ebenfalls karossierte.
Hinten wiesen einige Coupés senkrechte Heckleuchten auf, während andere mit kleinen versenkten Rundrücklichtern aufwarteten. Die Seitenverzierungen wiesen unterschiedliche Gestaltungen auf.
Am deutlichsten aber waren die Unterschiede bei der Frontgestaltung. Während zwei Coupés einen flachen, abgerundeten Kühlergrill aufwiesen und damit eher an die Michelotti-Ferrari-Modelle der frühen Fünfzigerjahre erinnerten, warteten die übrigen (und später gebauten) Varianten mit einem eher klassischen Lancia-Gesicht mit mittig angeordnetem aufrecht stehenden Kühlergrill in Wappenform auf.
Bei diesen Modellen (mit Jahrgang 1953) wurden meist vier Scheinwerfer in die Karosserie eingelassen, die Ausnahme stellt das vermutlich zuerst gebaute Modell aus dem Jahr 1952 dar, das nur zwei Scheinwerfer aufweist, dafür aber vorne an den Kotflügeln Ausbuchtungen wie beim Ferrari 212 Export von Michelotti zeigt.
Flachkühler-Coupé mit Star-Appeal
Chassis B52-1015 und B52-1026 gehören zu den früh produzierten Fahrgestellen des Typs. Beide erhielten eine fast identische Coupé-Karosserie im “Michelotti-Ferrari-Look” jener Zeit. Sie unterscheiden sich hauptsächlich durch das Schiebedach, das nur der zweite (blaue) Wagen aufweist.
Das berühmtere der beiden Coupés gehörte vermutlich einst der italienischen Schauspielerin Gina Lollobrigida und hatte einen Auftritt im Film “La Provinciale” von Mario Soldati, der dafür neben Gina Lollobrigida auch Gabriele Ferzetti und Franco Interlenghi als Schauspieler verpflichtete. Allerdings war der Wagen im Film relativ hell mit dunklem Dach, es handelt sich aber eindeutig um ein Coupé, das B52-1015 und B52-1026 wie aus dem Gesicht geschnitten gleicht.
Heute weist B52-1015 eine metallisch-rote Lackierung auf, wurde u.a. in Het Loo (2006) und an der Techno Classica (2003) gezeigt.
Das Coupé B52-1026
Das in Zweifarben-Aufmachung daherkommende blau lackierte Coupé B52-1026 war einst Teil der Blackhawk Collection und soll bei KCA Milano restauriert worden sein.
Im Jahr 1995 wurde es am Pebble Beach Concours d’Elégance ausgezeichnet, 2014 gelangte der Wagen von den USA nach Europa. Als Besonderheit weist es das bereits angesprochene Falt-/Schiebedach auf, das den gesamten Dachaufbau überspannt.
Am Lenkrad eines Concours-Siegers
Zuerst muss man sich ja einmal von aussen am eleganten Lancia-Coupé sattsehen, bevor man die rechte Türe, alle B52-Fahrgestelle wurden als Rechtslenker ausgeliefert, öffnet und sich auf den braunen Ledersitz im lichtdurchfluteten Interieur niedersetzt. Vor dem Holzlenkrad gibt es zwei riesige Rundinstrumente, in denen neben der Anzeige von Geschwindigkeit und Drehzahl zusätzliche Instrumente für Benzinstand, Wassertemperatur, Uhrzeit und Öldruck eingearbeitet sind. Eine Reihe von Zugknöpfen und Reglern sind unbeschriftet.
Angelassen wird der zwei Liter grosse V6-Zylindermotor per Zündschlossdrehung und Startknopf. Alsbald lässt er sein melodisches Röhren erklingen. Geschaltet wird mit dem links am Lenkrad, das Schaltschema entspricht dem üblichen “H”, der Rückwärts ist auf der zum Fahrer hin angeordneten dritten Ebene, der Ganghebel muss dafür nach unten geschoben werden.
Das Flanieren auf dem Concours d’Elégance dürfte dem Wagen leicht fallen, auch das Befahren von Landstrassen ist ein ungetrübtes Vergnügen. Üppig motorisiert ist das vermutlich rund 1,2 Tonnen schweren mit 70 PS natürlich nicht, aber mit dem Verkehr kann man problemlos mitschwimmen.
Dank der grossen Fensterflächen wirkt der immerhin rund 4,75 Meter lange und 1,65 Meter breite Wagen kompakter als er es in Wahrheit ist. Auch dem Einparken zwischen anderen Concours-Schönheiten steht also nichts entgegen.
Wir danken der Oldtimer Galerie Toffen für die Gelegenheit, das Lancia Aurelia B52 Vignale Coupé mit Fahrgestellnummer B52-1026 fotografieren zu können.
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noch einigen daten fuer die B52-1015:
-total restauriert in Italie in 2004-2005
-das erste modell B52-1015 hatte ursprunglich auch 4 scheinwerfer , die sind bei der restauration wieder zuruck ertellt worden (foto's sind davon vorhanden)
- im film war der wagen auch metallisch rot mit schwarzen dach (foto's vorhanden) und bei der restaurierung sind die urspunglichen farben wieder in "ehre " erstellt)
-45.Essen motor show 2012 -concours délegance - best of show - coupe
mit fruendlichen gruss eric staartjes (jetzigen besitzer der B52-1015)
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