Der Lancia Ardea war einer der fortschrittlichsten und ökonomischsten Kleinwagen seiner Zeit. Selbst heute, fast 80 Jahre nach seiner Lancierung, überrascht und betört der elegante Wagen, als rare Cabriolet-Ausführung sowieso. Da hätte auch Vincenzo Lancia zustimmend genickt.
Verkleinerte Aprilia
Optisch und auch technisch war der Lancia Ardea im Prinzip eine verkleinerte Aprilia und demselben Gedankengut - gute Aerodynamik, viel Platz und günstig im Verbrauch - verpflichtet. Auf nur 3,62 Metern Aussenlänge brachte man einen Radstand von 2,4 Metern unter, welcher weitgehend den Passagieren zugute kam.
Eine selbsttragende Ganzstahl-Karosserie war mit dem Rahmen verschweisst und bot dank Stromlinienheck und geringer Querschnittsfläche dem Wind nur wenig Widerstand. Die Limousine war pfostenlos mit vier gegenläufig öffnenden Türen ausgebildet. Die Variante Furgoncino wies wie das Cabriolet zwei Türen auf, allerdings waren diese beim Kombi vorne, bei der offenen Variante hinten angeschlagen.
Geniale Konstruktion
Ähnlich wie bei der Aprilia half auch dem Ardea der kurz bauende Motor zu einer optimalen Raumausnutzung. Der V4-Motor wies einen Hubraum von 903 cm3 (Bohrung/Hub: 65/68 mm). Als V4-Motor mit kleinem Gabelwinkel konnten die Ventile über den halbkugelförmigen Brennräume durch eine obenliegende Nockenwelle angesteuert werden. Gleichzeitig baute der Motor sehr kurz. Mit einer Leistung von rund 28 PS bei 4500 U/min, die per Vierganggetriebe und Kardan auf die Hinterachse geleitet wurden, war der Lancia Ardea gut für über 100 km/h (die Automobil Revue notierte 1940 103.5 km/h). Gleichzeitig zeigte er sich mit rund 7 Litern pro 100 km sehr sparsam.
Auch die Beschleunigungswerte überzeugten. Nach rund 13 Sekunden waren im dritten Gang 60 km/h erreicht, bis 80 km/h, die im vierten Gang erreicht wurden, vergingen aus dem Stand knapp unter 30 Sekunden.
Sicher auf der Strasse
Auch beim Fahrwerk setzten die Lancia-Ingenieure auf bewährte, aber gleichzeitig fortschrittliche Lösungen. Vorne führten Einzelradaufhängungen mit Schraubenfedern und hydraulischen Stossdämpfern die Räder, hinten eine Starrachse mit Halbelliptikfedern.
Gelenkt wurde über Schnecke und Zahnrad, gebremst hydraulisch mit vier Trommeln. Der Wendekreis lag unter neun Metern, was den nur rund 725 kg schweren Wagen ausserordentlich handlich machte.
Die Ausstattung war weitgehend komplett und lag über dem Durchschnitt der Konkurrenz. So waren eine Zeituhr und ein Ölddruckmesser genauso an Bord wie ein “Blinkapparat” und ein zugfreies Belüftungssystem.
Und viel grösser als das Lob der Testfahrer der Automobil Revue kann ein grossartiges Auto eigentlich nicht beschrieben werden: “Wir gestehen offen, dass uns das neue Modell «Ardea» in jeder Beziehung einen vorzüglichen Eindruck macht und werden uns nicht wundern, wenn dieser ebenso sparsame wie rassige Wagen gerade in der heutigen Zeit sich bald einen grossen Kreis begeisterter Freunde erwirbt.
In vier Serien gebaut
Der Lancia Ardea wurde insgesamt in vier Serien gebaut. Bereits zwei Jahre nach seiner Vorstellung wurde das Modell verbessert und ihm ein einfacher zugänglicher Kofferraum mit grosser Klappe hinten zugestanden.
Die grössten Modellanpassungen folgten dann für die dritte Serie im Jahr 1948, welche die Automobil Revue so kommentierte:
“Auch der Lancia-Stand steht im Zeichen der Detailverbesserungen, die sich auf den kleineren Typ Ardea beziehen, von dem nunmehr die dritte Serie gebaut wird. Die Hauptänderung betrifft das Getriebe, das neuerdings einen fünften Gang bekommen hat, der gegenüber dem gleichgebliebenen vierten, direkten Gang (Hinterachsuntersetzung 4,78:1) eine Drehzahlreduktion von etwa 12% mit sich bringt. Dadurch erhöht sich nicht die Höchstgeschwindigkeit, aber die zulässige Dauergeschwindigkeit auf der Autostrasse, die nunmehr praktisch bei der Höchstgeschwindigkeit liegen dürfte. Äusserlich erkennt man die neue Ardea-Serienlimousine am Heck, wo die Mittelrippe verschwunden ist und innen angebrachten Verstärkungen Platz gemacht hat und ferner an Stelle der zwei kleinen hinteren Fenster ein grosses Heckfenster getreten ist. Auch die hinteren Stossdämpfer sind verbessert worden.”
Weitere vor allem optische Modellpflegemassnahmen folgten bereits 1949 und leiteten damit die vierte und letzte Serie ein.
Der Preis der Ardea Limousine bewegte sich während der ganzen Bauzeit bei etwa CHF 12’500, womit der Lancia rund 40% teuer als ein Fiat 1100 war. Allerdings gab es für etwas weniger Geld auch einen Mercedes Benz 170, richtig günstig war der kleine Lancia also nicht.
Insgesamt wurden 22’730 Exemplare aller vier Serien (2992, 4438, 3600, 11’700) bis 1952/1953 hergestellt, ein nicht unerheblicher Teil davon als Leicht-Nutzfahrzeuge (“Furgoncino”) und Taxis mit bis zu sechs Sitzplätzen.
Das Cabriolet von Pininfarina
Eine ganze besondere Rolle nimmt das Cabriolet ein, das Pininfarina auf Basis der Ardea-Limousine entwickelte. Mit zwei nach hinten öffnenden Türen und einem fast vollständig versenkbarem Dach, erlaubte es den Transport von vier Personen unter freiem Himmel.
Das Cabriolet blieb ausgesprochen rar, es wurde nur eine sehr geringe Zahl gebaut. Trotz dem abgeschnittenen Dach entfaltet die offene Varianten ihren ganz eigenen Charme. Nur mit geschlossenem Dach leidet die Eleganz, aber vor allem die Rundumsicht.
70 Jahre und viel Geld später
Und wie fährt sich das niedliche Cabriolet? Viel besser als das Alter erwarten lassen würde. Dies dürfte sicher auch an der sehr gewissenhaften Restaurierung des bewegten Lancia Ardeas mit Jahrgang 1945 gelegen haben. Aber man muss den Lancia-Entwicklern ein wirklich gutes Zeugnis machen, sie haben ein erstaunlich fortschrittliches Automobil konzipiert, das auch moderne Autofahrer kaum vor unlösbare Probleme stellt, wenn man einmal von der Umgewöhnung auf Rechtslenkung, die damals bei Lancia noch Standard war, absieht.
Gestartet wird per Schlüssel und Drahtzug. Der zweite und dritte Gang sind “geräuscharm” ausgelegt, aber das Getriebe dankt konsequenten Zwischengas- und Doppelkupplungseinsatz in allen Fahrstufen, lässt sich aber exakt schalten. Richtig schnell fühlt man sich im kleinen Lancia natürlich nie, aber die grossartige Übersichtlichkeit (im offenen Wagen) und die stupende Handlichkeit dank des engen Wendekreis macht die Fahrt zum Vergnügen. Der Motor lässt ein fröhliches Lieder erklingen, das sportlicher klingt als die Leistung erwartet lässt.
Die Platzverhältnisse im schmalen Auto sind erstaunlich generös und auch der Wind zerzaust die Frisur bis 60 km/h nicht über Gebühr.
Was könnte man sich Schöneres vorstellen, als mit dem hübschen Italiener beim Seerestaurant vorzufahren?
Wir danken der Firma allcarta , die uns das hübsche Fiat Ardea Pininfarina Cabriolet mit Jahrgang 1945 für diesen Bericht zur Verfügung stellte.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 19 / 1940 vom 07.Mai.1940 - Seite 10: Wir prüfen Lancia Ardea
- The Motor, June 12, 1940, ab Seite 21: A new 1-litre Car - Lancia Ardea
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Unter den deutschsprachigen Clubmitgliedern halten wir es so:
Der Lancia Ardea, aber die Ardea
Der Lancia Fulvia, das Lancia Fulvia Coupé, die Fulvia
Was fast immer falsch gemacht wird, viele bezeichnen sich als einen Lancisti (= Plural), manchmal auch als einen Lancisto.
Lancisto gibt es garnicht. Der Wortursprung la Lancia sorgt für das -a auch beim Lancista. Der Artikel ist die Unterscheidung.
il lancista (Singular/männl.), i lancisti (Plural/männl. oder gemischt männl./weibl.)
la lancista (Singular/weibl.), le lanciste (Plural/ nur weibl.)
Unser Clubmagazin heißt IL LANCISTA LANCIATO (lanciato bedeutet bereit sein, auch in voller Fahrt)
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"die Ardea".
Na gut, wir sagen auf Schweizerdeutsch "de Butter", "de Migros" und auf Hochdeutsch (manchmal) die Butter, die Migros.
Wenn wir italienisch sprachen, sagten wir natürlich "la machina", "la Lancia", "la Ardea".
Schon unser Italienischlehrer hat schliesslich gesagt "alle gefährlichen Dinge sind weiblich".
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