Im Jahr 2001 wurden unter anderem zwei neue italienische Automobile vorgestellt, der Fiat Stilo und der Lamborghini Murciélago. Eine der ganz wenigen Gemeinsamkeiten, welche die beiden hatten, war das Jahr ihrer Premiere. Wir lassen den Turiner vorerst links liegen, und packen den Stier aus Sant'Agata, der längst zum Neoklassiker gereift ist, an den Hörnern.
Naheliegende Namesfindung
Das spanische Wort “Murciélago" wird mit "Fledermaus" übersetzt, war aber auch der Name eines spanischen Kampfstiers aus der Zucht von Joaquín del Val de Navarra. Lamborghini, die Marke mit dem Stier im Firmenlogo, hatte bereits eine lange Tradition in der Typenbezeichnung mit Namen von Kampfstieren oder deren Züchter.
Am 20. Februar 1993 verstarb Firmengründer Ferruccio Lamborghini, den Brauch der Namensgebung für neue Modelle behielt man aber bei. Man sagte Ferruccio eine gewisse Dickköpfigkeit nach, er war im Sternzeichen des Stiers geboren, und so war es naheliegend, diese Tradition der Typenbezeichnung weiterzupflegen.
Diablo wird abgelöst
Im Jahr 2001 löste der Murciélago den Diablo ab, der für manche Fans der Marke der letzte "echte" Lamborghini war, und markierte das Spitzenmodell der Italiener.
Das neue Modell entstand unter der Fittiche des Volkswagen-Konzerns, der den Sportwagenhersteller 1998 übernommen hatte. Das Coupé wurde 2004 mit einem Roadster ergänzt, mit dem bei geschlossenem Dach mit maximal 160 km/h gefahren werden durfte, was aber für die meisten Fahrten auf öffentlichen Strassen gereicht haben dürfte.
Wie ein Tarnkappenbomber
Der belgische Designer Luc Donckerwolke übernahm die spektakulären Scherentüren der Vorgänger, die nach oben öffneten, und seit dem Countach zu einer Art Markenzeichen geworden waren. Er zeichnete dem neuen Stier eine aggressive Karbon-Karosserie, bei der die Türen aus Aluminium und das Dach aus Stahl gefertigt wurden.
Am Zeichentisch liess er sich laut eigener Aussage vom Tarnkappenbomber Northrop B-2, einer Wally-Yacht der gleichnamigen monegassischen Werft und dem «Ciutat de les Arts i les Ciències», einem Kultur- und Architekturtempel in Valencia, inspirieren. Kein Wunder, sah der neue Renner aus Sant'Agata wie kein anderer Sportwagen aus. Die Front blickte einem grimmig mit bösen Xenon Scheinwerfern an, während ihn auf der Strasse die meisten nur von hinten sahen, wo grosse Wabengitter und Rückleuchten das Heck des Murciélago dominierten.
Mehr Einfädeln denn Einsteigen
Obwohl der Seitenschweller im Vergleich zum Diablo um 2.5 cm abgesenkt wurde, musste man gelenkig sein, um auf den Sportschalensitzen Platz nehmen zu können.
Nicht gerade ein Leichtgewicht
Unter der leichten Karbonhaut sorgte ein Gitterrohrrahmen für die nötige Steifigkeit, trotzdem wog der Kampfstier, je nach Ausführung, mindestens 1735 Kilogramm. Er bekam als erster Sportwagen der Marke von Produktionsbeginn an einen Allradantrieb, wenn man den SUV-Vorreiter LM002 als Geländewagen definiert.

Ausreichend motorisiert
Zur Premiere sorgte ein 6.2 Liter V12 Saugmotor für die beeindruckende Geräuschkulisse und den spektakulären Vortrieb. Der Sprint von null auf 100 km/h war in 3.8 Sekunden erledigt, die Spitzengeschwindigkeit gab das Werk mit atemberaubenden 332 km/h an. Die Höchstleistung von 580 PS stand bei der Nenndrehzahl von 7500 U/min zur Verfügung, aber schon bei 5400 U/min wurde das maximale Drehmoment von 650 Newtonmeter auf die Kurbelwelle gewuchtet, wobei 70% der Leistung an die Hinterräder abgegeben wurde, und 30% an die Vorderräder.
Bei späteren Modellen wie dem LP 640-4, dem LP 650-4 oder dem LP 670-4 wurde der Hubraum leicht vergrössert, womit auch die Leistung etwas erhöht werden konnte, was aber vom durchschnittlich begabten, ambitionierten Sportwagenfahrer kaum bemerkt worden sein dürfte. Der ergänzte Name wurde abgeleitet von "Longitudinale Posteriore" (LP, längs eingebauter Motor), der PS-Zahl und der Anzahl der angetriebenen Räder.
Ausgeklügelte Technik
Geschaltet wurde über ein Sechsganggetriebe, dessen Schaltstock in einer wunderschönen, offenen Schaltkulisse geführt wurde, oder über ein sequenzielles Automatikgetriebe. Um die gewaltige Kraft auf die Strasse zu bekommen, rollte der Lamborghini vorne auf 245/35 ZR 18 und hinten 335/30 ZR 18 Walzen. Das Fahrwerk mit Einzelradaufhängung, Trapezlenkern und hydraulischen Stossdämpfern mit elektronischer Steuerung der Zugstufe sorgte auch bei hohem Tempo für eine sichere Strassenlage.
Der elektrische Heckflügel wurde automatisch aus- und eingefahren, und die Lufteinlässe hinter den Türen öffneten und schlossen ebenfalls selbstständig. Sie dienten bei Bedarf der Belüftung von Ölkühler und Motor, und waren zudem eine aerodynamische Hilfe bei hohen Geschwindigkeiten.
Verzögert wurde das Geschoss mit vier innenbelüfteten Scheibenbremsen, die über vier Kolben pro Sattel und ein Antiblockiersystem verfügten.
Mit dem Lanbo in die City?
Für den Stadtverkehr spendierte man dem Renner ein sogenanntes "Lifting System", mit dem das Fahrwerk bei niedriger Geschwindigkeitauf Knopfdruck um 45 Millimeter angehoben werden konnte. Obwohl er mit knapp 4.60 Meter Länge kein Riese war, dürfte er mit über 2 Meter Breite manchen Fahrer auf schmalen Strassen nervös gemacht haben.
Den Murciélago im Alltagsverkehr zu fahren bedeutete nicht nur eitel Freude, aber in vieler Hinsicht war er moderner und zivilisierter als der Diablo. Nach zehn Jahren und knapp über 4000 gebauten Fahrzeugen wurde der Murciélago vom Aventador abgelöst.
Die Zukunft des Kampfstieres
Wie sich die Preise für den Murciélago entwickeln, steht noch nicht fest. Heute, im Jahr 2020, sind im deutschsprachigen Raum mindestens CHF 118'000 in der Schweiz, EUR 138'000 in Deutschland auszulegen, und in Österreich konnten wir in den einschlägigen Online-Portalen derzeit keinen Murciélago finden. Ob der Neoklassiker die Talsohle bereits erreicht hat, und die Preise bald anziehen werden, wird die Zukunft zeigen. Wir wagen die Prognose, dass die Handschalter, Sondermodelle und späten Varianten wie der Super Veloce am gesuchtesten sein werden.
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2006 war längst Schluss mit Lustig respektive Diablo
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