Mit 2,74 Meter Radstand ist er nicht ausladender als ein moderner Audi A4, mit 1,73 Metern Breite unterbietet er selbst einen einen 10 Jahre alten VW Golf und mit 4,61 Metern Länge untertrifft er die meisten heutigen Sportwagen deutlich. Eigentlich ist der Ford Mustang, der 1964 vorgestellt wurde, also ein Vertreter der Kompaktklasse und dies obschon im Jahr seiner Geburt das typische amerikanische Automobil durchaus monumentale Dimensionen aufwies.
Im Vergleich zum ersten Ford Mustang Prototyp, den die Ford-Macher noch mit V4-Mittelmotor konzipiert hatten, war der Produktions-Mustang aber eine ganze Nummer grösser und mit genügend Platz gesegnet, um eine moderne kleine Familie samt Gepäck zu transportieren. Genauso hatte es sich Lee Iacocca gewünscht, als er das Pflichtenheft umriss.
Erster Prototyp mit Mittelmotor zu teuer
Die Marktlücke im Bauprogramm hatte Lee Iacocca schon früh geortet. Mit dem Prototyp Ford Mustang I stellten die Ford-Macher 1962 einen atemberaubend gezeichneten rennmässig aussehenden Sportler mit modernen Fahrwerkskomponenten und einem V4-Mittelmotor vor.
Doch das offene und nur minimal windgeschützte Fahrzeug taugte zwar für die Showbühne, aber nicht für den Transport einer Familie bei allen Wetterbedingungen. Auch wäre der kleine Sportwagen (Radstand 228,6 cm, Länge 391,9 cm) mit Rohrrahmen und rennmässigen Aufhängungselementen viel zu teuer zu produzieren gewesen. Er blieb ein Showcar.
Zweiter Prototyp fast im Ziel
Nur ein gutes Jahr später, im Oktober 1963, präsentierte Ford einen deutlich gewachsenen, aber immer noch kompakten Ford Mustang II . Lee Iacoccas Pflichtenheft - niedriger Preis, Platz für vier Personen, grosser Kofferraum, hohe Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit, aparte Formgebung und weitestgehende Anpassbarkeit in Bezug auf Ausstattung und Motorisierung - war bei diesem Prototypen schon weitestgehend umgesetzt.
Mit 4,74 Metern Länge und einem Radstand von 2,74 Metern Länge war er schon nahe am geplanten Serienmodell, wenn auch das Interieur und die Frontgestaltung noch erheblich davon abwichen. Man wolle das Publikumsinteresse testen, sagte man bei Ford und warf als möglichen Preis schon einmal “weniger als USD 3’000” in die Runde.
Spätestens da hätte eigentlich die Konkurrenz aufhorchen sollen, aber man nahm den Neuankömmling nicht ernst und selbst bei Ford war viel Überzeugungsarbeit nötig, um das “Go” für die Produktion eines neuen kompakten Familiensportwagens zu erhalten.
Weltpremiere in Bern!
Eigentlich erfolgte die Weltpremiere des Mustangs ja an der Weltausstellung in New York, tatsächlich aber taufte der Schweizer Ford-Generaldirektor John Hirsch das brandneue Modell bereits am 12. April 1964, also einen Tag vor der New-York-Premiere im Beisein des amerikanischen Botschafters im Berner Kursaal mit Champagner, nachdem einige hundert Ballons aufgestiegen waren und ein rotes Viersitzercabrio freigaben.
Begeisterung rund um die Welt
Die Amerikaner nahmen den neuen Sportwagen begeistert auf, tatkräftig angefeuert von zahlreichen Fernseh-Werbespots, Berichten in Newsweek und anderen Magazinen. Lee Iacocca überliess nichts dem Zufall. Dass der Wagen auch noch weniger als USD 2’500 (ab USD 2’368) kostete und damit knapp die Hälfte einer Chevrolet Corvette tat ein Übriges, einen wahren Kaufrausch auszulösen. Aber nicht nur in den Staaten wurde der Mustang frenetisch aufgenommen, sondern auch in Europa, denn insbesondere in der ursprünglich stärksten Ausführung mit 210 SAE-PS bot der Mustang Spitzen-Fahrleistungen zum Budget-Preis.
Eine neue Fahrzeugkategorie - Pony Cars
Mit dem Mustang schuf Ford eine neue Fahrzeugkategorie, die anspielend auf den Namen des Rudelsführer von Ford “Pony Cars” genannt wurde. Die Konkurrenz konnte nicht anders, als nachziehen, aber es war schwer dem Erfolg von Ford - eine Millionen Fahrzeuge waren schon nach weniger als zwei Jahren verkauft - zu folgen.
Design als primäres Verkaufsargument
Seinen Erfolg verdankte der Mustang primär seinem Design. Die Herren Dave Ash und Joe Oros leisteten ganze Arbeit und kleideten den Sportwagen sportlich mit langer Fronthaube, kurzer Kabine und breitem Heck. Namen und Typenembleme übernahm man vom ersten Mustang-Prototyp, doch mehr blieb vom revolutionären Entwurf von 1962 nicht übrig. Anfänglich wurde der Mustang als Cabrio oder Hardtop-Coupé angeboten, aber schon 1965 kam eine Fastback-Version (Schrägheck) dazu, die von vielen als die schönste Abwandlung des Mustang-Themas gesehen wird.
Einfache technische Basis
Die technische Ausgangslage lieferten bestehende Ford-Modelle wie Falcon und Fairlane. Ein Plattformrahmen bildete einen verwindungsfesten Aufbau, die Vorderräder waren einzeln an oberen Dreieckslenkern und unteren Querlenkern geführt, während hinten eine starre Banjo-Achse mit halbelliptischen Blattfedern zum Einsatz kam.
Auch beim Antrieb lieferte das Ford-Motorenprogramm Altbewährtes. Reihensechs- und V8-Zylinder-Motoren mit 101 bis 271 PS (SAE) wurden von Anfang an angeboten, gekoppelt an Drei- oder Viergang-Handschaltgetriebe oder an die Cruise-O-Matic-Wandlerautomatik. Zum Verlangsamen waren Trommelbremsen vorgesehen, Scheibenbremsen vorne folgten allerdings schon bald gegen Aufpreis.
Wunsch-Mustang nach Bedarf
Von Anfang an konnte der Mustang durch verschiedenste Ausrüstungsoptionen “verbessert”, der Kaufpreis von DM 17’660 (1964) oder CHF 19’500 (1965) für die Viergang-210-SAE-PS-Version aber auch wesentlich gesteigert werden. Da gab es zum Beispiel die “Sports Console” und die Möglichkeit statt des Bandtachos Rundinstrumente zu bestellen. Ein “Special Handling Package” beinhaltete verstärkte Federn, Stabilisatoren, breitere Reifen und eine direktere Lenkung. Scheibenbremsen vorne konnten für DM 190.- zugerüstet werden, das Cabrio-Dach liess sich mit Elektromotoren-Hilfe einfacher öffnen. Servolenkung, Klimaanlage, ein “Rallye Package”, andere Reifen und Räder, fast jeder Wunsch konnte erfüllt werden. Viele dieser Optionen waren aber durchaus empfehlenswert, sollte der Mustang denn herzhaft auf europäischen Strassen bewegt werden.
Fragwürdiges Fahrverhalten?
Die Fachzeitschrift “Auto Motor und Sport” hielt sich nicht zurück, als sie über ihre ersten Fahrerfahrungen mit dem schnellen Mustang berichtete. Zwar war der Wagen 194 km/h schnell und beschleunigte in 9,2 Sekunden von 0 bis 100 km/h sowie in 17,8 Sekunden auf 140 km/h, womit er die europäische Sportwagenelite wie Ford 2300 S Coupé, Mercedes-Benz 230SL und sogar den Porsche 911 in die Defensive dränge, aber diese Fahrleistungen waren gemäss Reinhard Seiffert nur für sehr mutige Fahrer erreichbar.
“Es ist typisch für die Unbekümmertheit amerikanischer Auto-Leute, dass sie einen so starken Motor (190 PS) in das gleiche Fahrwerk einbauen, das gewöhnlich die 105 PS-Normalverbraucherausführung aufnimmt. .... Die Bremsen reichten bei dieser Geschwindigkeit (190 km/h) bei weiten nicht für eine Abbremsung bis zum Stillstand aus, und bei nur leichten Unebenheiten brauchte man die ganze Briete der Strasse, um den Wagen auf der Fahrbahn zu halten.” So stand es damals im AMS.
Das waren deutliche Worte und Seiffert verwies auf diverse Verbesserungen aus dem Zubehörsortiment und auf eine hoffentlich besser an europäische Version für die hiesigen Kunden.
Adhäsion an den Antriebsrädern Mangelware
In das gleiche Horn blies einige Monate später die Automobil Revue, die aber bereits ein mit vorderen Scheibenbremsen und verstärkten Aufhängungen verbessertes Fahrzeug zum Testen erhielt. “Bei rennmässigem Start mit Vollgas drehen die Antriebsräder auch auf trockener Strasse wild durch, und auf Geraden, wo sich der Mustang nicht besonders richtungsstabil erweist, hat man wegen der zu indirekten Lenkung einige Mühe, den Wagen auf Kurs zu halten.”
Dank des niedrigen Gewichts von 1’335 kg für die V8-Version blieb der Verbrauch vor allem auch im Vergleich zu den gebotenen Fahrleistungen mit 13 bis 18 Liter tief und auch an der Langlebigkeit der kaum geforderten Maschine wurde nicht gezweifelt.
Rennsportliche Ableitungen
Dass man dem Mustang sehr wohl auch rennsporttaugliche Manieren anerziehen konnte, bewies Carrol Shelby mit dem GT 350. Bis 360 SAE-PS wurden an die verstärkte Hinterachse geliefert und mit einem günstigen Einstiegspreis eine ausserordentlich konkurrenzfähige Möglichkeit geboten, im Rennsport nicht nur die feindlichen Chevrolet Corvette sondern auch die etablierte europäische Konkurrenz abzutrocknen.
Evolution und Wachstum in allen Dimensionen
Um der aufkommenden Konkurrenz - Chevrolet Camaro, Pontiac Firebord, AMC Javelin - entwickelte Ford den Mustang, der in Deutschland übrigens wegen Namensstreitigkeiten mit Kreidler schlicht “T 5” genannt wurde, stetig weiter. Jährliche, mehr oder weniger umfangreiche Styling-Retouchen hielten den Sportwagen auf der Höhe der Zeit. Bis er 1974 durch ein komplett neues Nachfolgemodell ersetzt wurde, wuchs der Mustang der ersten Generation vier Mal - 1967, 1969, 1971 und 1973 - in Länge und Breite und wurde damit auch schwerer. Während dieses Wachstum anfänglich meist mit mehr Motorleistung kompensiert werden konnte, die BOSS-Versionen und andere Motoren mit bis zu 7’033 cm3 brauchten es auf beinahe 400 PS, ging dem Ponycar gegen Schluss seiner Bauzeit wegen der zunehmend restriktiven amerikanischen Abgasgesetzgebung buchstäblich die Puste aus.
1974 wurde der Mustang II vorgestellt, schmächtiger motorisiert und “downgesized”.
Mustang mit Vierradantrieb, einer mit Wankelmotor
Dass der Ford Mustang einst zu Demonstrationszwecken mit dem Vierradsystem von Ferguson ausgerüstet wurde und dass sogar ein Exemplar zum Wankelsportwagen umgebaut wurde, zeigt, wie wichtig, vielfältig und anpassungsfähig der Mustang war.
Beliebter Klassiker
Fast drei Millionen Erstgenerations-Mustang verliessen die Ford-Montagehallen zwischen 1964 und 1973. Viele haben überlebt und wurden nicht nur zu einem der beliebtesten amerikanischen Oldtimer sondern auch zu einem interessanten Geschäftsfeld für Teile- und Zubehörlieferanten. Es gibt fast nichts, was man nicht kaufen könnte und die Preise sind moderat bis günstig.
Die damaligen Schwächen sind den heute gefahrenen Mustang-Cabrios und -Coupés entweder ausgetrieben worden oder stören beim nostalgischen Cruisen kaum mehr. Die Preise für gut erhaltene Mustangs bewegen sich zwischen Euro 25’000 und 40’000, respektive CHF 30’000 bis 50’000 je nach Ausführung und Motorisierung, die gesuchten Shelby-Versionen GT 350 werden schon länger in sechsstellige Dollarsummen gehandelt.
Das hier gezeigte rote Fahrzeug kann am 6. Mai 2012 im Rahmen des 30. Durchführung des Schweizer US-Autotreffens “American Live” in der Tombola gewonnen werden. Viel günstiger (10 Franken pro Los) kommt man wohl nie mehr zu einem fahrbereiten Mustang!
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 46/1963 vom 24. Oktober 1963, Seite 14: Ford Mustang II (neuer Prototyp)
- AR-Zeitung Nr. 18/1964 vom 16. April 1964, ab Seite 21: Mustang - der neue Sportwagen von Ford
- AR-Zeitung Nr. 51/1964 vom 3. Dezember 1964, Seite 17: Ford USA 1965 à la Suisse
- AR-Zeitung Nr. 21/1965 vom 6. Mai 1965, Seite 17: Kurzteste vom Genfer Salon 1965 - Ford Mustang V8
- AR-Zeitung Nr. 41/1966 vom 22. September 1966, Seite 19: Ford 1967
- AR-Zeitung Nr. 41/1967 vom 21. September 1967, Seite 45: USA-Jahrgang 1968 - Fünfte Serie des Ford Mustang
- AR-Zeitung Nr. 43/1969 vom 9. Oktober 1969, Seite 23: Ford 1970
- ADAC Motorwelt Nr. 9/1964, Seite 42: Was gibt’s Neues? (Ford T5)
- Hobby 10/1966 vom 4. Mai 1966, ab Seite 78: Test und Analyse eines Millionenerfolges - Ford Mustang
- Auto Motor und Sport Heft 17/1964, ab Seite 20: Test Ford T 5 (Mustang)
- Motor Klassik Heft 11/2009, Seite 10: Ford Mustang I (V8)
- Motor Klassik Heft 11/2006, Seite 10: Ford Mustang
- Motor Klassik Heft 5/1998, ab Seite 140: Ford Mustang
- Oldtimer Markt Heft 4/2004, ab Seite 10: 40 Jahre Ford Mustang
- Oldtimer Markt Heft 10/1994, ab Siete 28: Ford Mustang (Historie)
- Oldtimer Markt Heft 6/1987, ab Seite 144: Ford Mustang I
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Fuer mich eines der tollsten Autos die in USA
Gebaut wurden. Sehr interessanter Bericht. Merci
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