Es regnet, es ist nass und kalt - eigentlich das typische Wetter einer Monte Carlo Rallye. Und das richtige Auto steht auch bereit, ein Fiat Abarth 124 Rally im Gruppe-4-Trimm aus dem Jahr 1973. Die rote und gelbe Lackierung spiegelt sich im dunklen Asphalt. Der Wagen scheint förmlich danach zu schreien, endlich losfahren zu können. Wir setzen uns hinter das kleine Lederlenkrad und blicken auf die klassischen Fiat-Rundinstrumente.
Der Motor wird per Zündschlüssel gestartet und verfällt sofort in einen leicht unruhigen und gut hörbaren Leerlauf. Der erste Gang rastet mit einem hörbaren Knacken ein, das Getriebe ist geradeverzahnt. Los geht’s. Der zweite Gang wird mit Zwischenkuppeln eingelegt, der dritte folgt sogleich. Der Vortrieb ist trotz glitschiger Fahrbahn eindrücklich, immerhin ist der Wagen über 40 Jahre alt. Schnelle Reaktionen auf Lenkbewegungen und nur geringe Seitenneigung in Kurven zeigen, dass wir es mit einem richtigen Sportgerät zu tun haben, einem das mehrfach auf das Podium der historischen Rallye-Schweizermeisterschaft fuhr.
So muss sich damals Markku Alén gefühlt haben, als er im Jahr 1975 die Rallye Monte Carlo auf Platz 3 beendete, knapp hinter Hannu Mikkola (auch im 124 Abarth) und Sandro Munari im Lancia Stratos HF.
Der kräftige Motorensound weist eindrücklich darauf hin, dass für eine Verständigung mit dem Kopiloten Mikrophone zu empfehlen sind und dass man nicht unbedingt nach Hamburg fahren möchte mit dem Rallye-Auto. Aber der Fahrspass ist enorm, kein Wunder auch, denn nur gerade etwa 950 kg stehen geschätzten 160 PS gegenüber, macht knapp 6 kg pro PS.
Von der Vergangenheit in die Neuzeit
Wir wechseln das Fahrzeug. Der schwarze Sportwagen trägt stolz das Abarth-Zeichen auf dem Bug. Wie sein Urgrossvater hat auch der moderne Abarth 124 Spider Heckantrieb und einen Vierzylindermotor im Bug. Allerdings leistet dieser dank Turbolader imposante 170 PS, was bei einem (für die Neuzeit tiefen) Leergewicht von 1060 kg rund 6,3 kg pro PS bedeutet. Der Motor wird per Knopf gestartet und schon der Leerlauf ist eindrücklich laut.

Auf dem engen Rundkurs zeigt der moderne Zweisitzer, dass er über ein gutes Fahrwerk und eine neutrale Gewichtsbalance verfügt.
Davonfahren kann der Rallye-Abarth von 1973 seinem Nachfahren, der übrigens über ein mechanisches Sperrdifferential verfügt, jedenfalls nicht. Der heutige Abarth hat einiges vom Urahnen übernommen, etwa die mattschwarze Lackierung von Motorhaube und Kofferraumdeckel. Aber als Strassenfahrzeug muss man ihn natürlich eher mit der damaligen Stradale-Version des Fiat Abarth 124 Rally vergleichen.
Homologationsserie
Dass es überhaupt eine Strassenversion des Fiat 124 Abarth Rally gab, war den damaligen Homologationsvorschriften für die Gruppe 4 zu verdanken. Diese besagten, dass 500 Exemplare zu bauen seien, um als Spezial-Gran-Turismo an den Rallye-Start gehen zu können. Die Basis lieferte der bereits 1966 vorgestellte Fiat 124 Spider, aber für den erfolgreichen Renneinsatz musste der Wagen umfangreich umgebaut werden.
Optisch zeigte Pininfarina den 124 Abarth bereits auf dem Genfer Autosalon von 1972, technisch wurde der Schleier dann im Spätherbst 1972 gelüftet, als die Serienversion des Wettbewerbswagen angekündigt wurde, vorerst nur für den italienischen Markt und 3,1 Millionen Lire teuer.
Leichter und stärker
Um rund 100 kg speckten die Abarth-Ingenieure den Serien-Spider ab, indem sie auf die hinteren Sitze verzichteten, die Front- und Heckdeckel durch Kunststoffteile ersetzten und dünnwandige Türen aus Alublech montierten. Auch ein Handschuhfachdeckel, die Serientürgriffe und Sonnenblenden fehlten, genauso wie die Stossstangen des Fiat Spiders.
Dass die Abarth-Version dann trotzdem gegen 950 kg schwer wurde, hatte damit zu tun, dass man einen Überrollbügel einbaute, ein Hardtop aufsetzte und die vorher starre Hinterachse durch Einzelradaufhängungen mit umgekehrten Dreieckslenkern, Längslenkern, Federbeinen und Schraubenfedern ersetzte.
Beim Motor schaffte man die Basis für Leistungssteigerungen und ersetzte den Registervergaser durch zwei Fallstrom-Doppelvergaser der Typen Weber 44 IDF 20 und 21. Zudem wurden die Ventile des Vierzylinders vergrössert und den Nockenwellen grössere Ventilzeitenüberschneidungen auf den Weg mitgegeben, so dass zusammen mit einer modifizierten Auspuffanlage 128 anstatt 118 PS resultierten, dies bei unveränderter Verdichtung von 9,8:1. Die Werks-Wagen machten allerdings noch deutlich mehr aus der Technik, denn zunächst 160, später 180 und gegen Ende mit Vierventilkopf sogar 210 PS zeigten, welches Potential der Motor bot.
Weder Fisch noch Vogel?
Obschon 1972 vorgestellt, dauerte es bis 1974, bis hiesige Zeitschriften eine Testfahrt im Strassen-Fiat 124 Abarth unternehmen durften. Als es soweit war, konnte Fiat bereits deutlich mehr als die angepeilten 500 verkauften Exemplare vermelden, tatsächlich stand man kurz vor der Homologierung zum Serien-GT, welche 1000 produzierte Autos voraussetzte.
Im Mai 1974 erschienen Götz Leyrers Fahrnotizen in der Zeitschrift Auto Motor und Sport. 8.7 Sekunden benötigte der Testwagen für den Sprint von 0 bis 100 km/h, als Spitze wurden 190,5 km/h gemessen, als Durchschnittsverbrauch 12,8 Liter pro 100 km.
"Im Fahrbetrieb hält das rally-Triebwerk, was seine Kennziffern versprechen: Zwar ist schon im unteren Drehzahlbereich ausreichend Leistung vorhanden, doch entfacht der ausserordentlich drehfreudige Zweinockenwellen-Motor sein Feuer erst richtig, wenn sich die Nadel des Drehzahlmessers zwischen 5000 und 7000 U/min bewegt. Das bei niedrigen Drehzahlen sanft schlürfende Ansauggeräusch verwandelt sich dann in lautstarkes Trompeten, gleichzeitig setzt kräftiger Schub ein, der dank kurzer Übersetzung und enger Abstufung des Fünfganggetriebes auch nach dem Schalten in den nächst-höheren Gang fast unvermindert anhält”, beschrieb Leyrer seine Fahreindrücke.
Als Strassensportwagen sei der DM 20’950 teure Fiat 124 Rally zweifelsfrei nur bedingt geeignet, schloss Leyrer seinen Bericht ab. Nur wer sportliche Ambitionen habe, sei mit diesem Wagen besser bedient als mit der Serienausführung des Fiat 124 Spiders.
Kritisiert hatte Leyrer das Fahrverhalten, das bei unebener Fahrbahn mit unerwartetem Übersteuern schnelle Reflexe erforderte.
Dieser Erkenntnis pflichtete auch die Automobil Revue bei, die ihren Bericht über den in der Schweiz 24’950 Franken kostenden 124 Abarth am 6. Juni 1974 publizierte. Eine deutliche Labilität um die Hochachse sei festzustellen, sobald die Strasse Wellen aufweise.
Trotz dieser Kritik äusserten sich die AR-Leute aber insgesamt sehr positiv: “Der Fiat Abarth 124 Rally bietet, obwohl er als reines Homologationsmodell eigentlich weder Fisch noch Vogel ist, ein hohes Mass an Fahrvergnügen. Seine überragenden Eigenschaften sind die ausgezeichneten Fahrleistungen und das sichere Fahrverhalten; auch bei peinlich genauer Befolgung von Tempolimiten und höchster Rücksichtnahme auf andere erlebt man das Vergnügen des echten sportlichen Fahrens, das heute so gerne in Misskredit gebracht wird.”
Gemischte Ergebnisse
Der Fiat 124 Abarth erfüllte die Hoffnungen von Fiat in sportlicher Hinsicht nicht ganz. Zwar konnten einige Rallyes, darunter die Hessen und die Akropolis Rallye im Jahr 1972, die Polen Rallye im Jahr 1973 und die portugiesische TAP Rallye im Jahr 1974 gewonnen werden, aber der angepeilte Titel in der Rallye-Weltmeisterschaft ging jeweils an Alpine-Renault respektive Lancia.
Immerhin konnte Maurizio Verini sich im Jahr 1975 den Europameistertitel sichern, als mit dem Fiat 131 Abarth der Nachfolger (ab 1976) schon fast vor der Türe stand.
Rarität
1018 Exemplare des Fiat 124 Abarth wurden zwischen 1972 und 1974 gebaut, erhältlich waren sie ausschliesslich in den Farben Rot, Weiss und Hellblau. Haube, Hardtop und Kofferraumdeckel waren jeweils mattschwarz gespritzt. Vom Werk gab es einiges an Zubehör zu kaufen, das den Fiat renn- und rallye-tauglicher machte, sogar ein geradeverzahntes Colotti-Getriebe stand zur Verfügung, genauso wie modifizierte Aufhängungen, ein Rollkäfig, offene Auspuffanlagen, usw..
Originalbelassene 124 Abarth sind daher selten und werden zu vergleichsweise hohen Preisen gehandelt. EUR 56’000 nennt aktuell Classic Data für einen CSA im Zustand 2.
Die Neuinterpretation
Der Abarth 124 Spider wurde erstmals am Genfer Autosalon im März 2016 gezeigt. Wiederum basierte die Abarth-Variante auf dem Fiat 124 Spider, welcher wiederum ein modifizierter Mazda MX-5 mit Fiat-Motorisierung und Styling ist. Traditionsbewusst behielt man den stärksten Motor der Abarth-Version vor, 170 PS leistet der 1368 cm3 grosse Turbo-Vierzylinder. Damit ist er deutlich schneller als sein Urahne, rund 230 km/h beträgt die Höchstgeschwindigkeit, 6,8 Sekunden benötigt der Wagen für den Spurt von 0 bis 100 km/h.
Und es gibt ihn sogar mit einer Sechsgang-Automatik, was ihn zwar komfortabler im Alltag, aber auch deutlich weniger sportlich macht. Denn nur mit handgeschalteten sechs Gängen kann man dem Abarth 124 Spider alle Motor-Tonalitäten gezielt entlocken, die so gut zu den nach wie vor mattschwarz gehaltenen Hauben passen.
War der Siebzigerjahre-Fiat 124 Abarth für den Rennsport gedacht, so ist der heutige Abarth 124 Spider eindeutig auf den Alltag ausgerichtet, allerdings steht auch eine Version in den Startlöchern, die an den einstigen Rallye-Sieger erinnert.
“Wir danken Peter Nägeli, Abarth Schweiz und das TCS Training & Events Zentrum in Lignières für die Unterstützung beim Vergleich der beiden Sportwagen.”
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 50 / 1972 vom 30.Nov.1972 - Seite 11: Vorstellung Fiat Abarth 124 Rally
- AR-Zeitung Nr. 25 / 1974 vom 06.Jun.1974 - Seite 17: Kurztest Fiat Abarth 124 Rally
- Auto Motor und Sport Heft 11/1974, ab Seite 68: Test Fiat Abarth 124 Rally
- SwissClassics Revue 1/2004 - Abarthiger Spider
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