Das Zeitalter von Sonderkarosserien ging in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre schon lange dem Ende entgegen, nur noch wenige begüterte Kunden waren bereit, sich von Spezialisten individuelle Aufbauten/Umbauten erstellen zu lassen und auch die selbsttragenden Karosserien hatten der Zunft arg zugesetzt. Während sich Pininfarina und Bertone in die Serienfertigung stürzten, schlossen andere Karosseriebauer schlichtwegs ihre Pforten oder mutierten zu reinen Design- und Prototypenbau-Unternehmen.
Trotzdem entstanden nachwievor individuelle Fahrzeuge, für die oftmals bestehende Komplettfahrzeuge als Basis genommen wurden. Eines dieser Einzelstücke war der Ferrari 330 GT Shooting Brake aus dem Jahr 1967/1968. Wie der Name sagt, bot hier der Ferrari 330 GT 2+2 die technische Basis.
Ein schneller Sportwagen
Vorgestellt wurde der Ferrari 330 GT im Jahr 1964, gebaut wurde er in zwei Serien bis 1967. Ingesamt wurden über 1000 dieser 2+2-Sportwagen gebaut, etwas weniger als die Hälfte stammte aus der zweiten Serie, die ab Mitte 1965 das Werk verliess.
Mit seinem 300 PS, generiert bei 6600 Umdrehungen des vier Liter grossen V12-Motor, war der Granturismo zu seiner Zeit ein schnelles Auto. Sieben Sekunden reichten, um Tempo 100 km/h aus dem Stand zu erreichen, auf der Autostrada war erst bei über 240 km/h Schluss.
Billig war dieser Sportwagen natürlich nicht, DM 54’250 kostete er 1967 in Deutschland, CHF 54’000 in der Schweiz.
Dass man ein derartig wertvolles Fahrzeug nach nur zwei Jahren komplett neu karossieren würde, lag eigentlich nicht wirklich auf der Hand.
Hollywood-Design
Es ergab sich aber, dass ein im Jahr 1965 verkaufter Ferrari 330 GT 2+2 (Chassis 07963), ein früher Wagen der zweiten Serie ohne Doppelscheinwerfer, zurück zum Importeur Luigi Chinetti gelangte und dort von dessen Sohn als idealen Startpunkt für einen ganz besonderen Sportwagen-Kombi auserkoren wurde. Zusammen mit dem Illustrator Bob Peak zeichnete er einen dynamisch wirkenden Sportwagen. Bob Peak wurde vor allem durch seine Filmposter, u.a. für West Side Story, My Fair Lady, aber auch Start Trek, Superman oder Excalibur bekannt.
Die Entwurfszeichnungen wurden zusammen mit dem Ferrari 330 GT 2+2 nach Italien verschifft.
Italienische Handarbeit
Die Carozzeria Vignale erhielt den Auftrag, den Sportkombi aufzubauen. Alfredo und seine Blechklopfer machten sich an die Arbeit und am Ende des Tages soll kaum ein originales Blechteil überlebt haben.
Nur gerade ein Teil der Türen und die Windschutzscheibe konnten wiederverwendet werden. Auch die rote Aussenfarbe behielt der Wagen nicht, gespritzt wurde er schokadenbraun.
Gezeigt am 50. Turiner Autosalon
Der fertiggestellte Kombi stand schliesslich im Oktober 1968 anlässlich des 50. Turiner Autosalon auf dem Stand von Vignale.
Dort fiel er zwar auf, gefielt aber nicht unbedingt.
Die Automobil Revue notierte:
“Ferrari 330 zum Kombiwagen degradiert — Äusserst spärlich sind die Salonbesucher, die mit Wohlgefallen diesen schokoladefarbig lackierten viersitzigen Station Wagon von Vignale auf dem Chassis des Ferrari 330 bewundern. Der breitausladende hintere Dachträger will nicht zum zierlichen Wagenheck passen.”
Auto Motor und Sport notierte süffisant:
“Ein Stationwagen auf Ferrari 330 Chassis; man kann sich die Fahreigenschaften vorstellen, wenn der Heckraum entsprechend beladen ist!”
Spektakulär
Die Formensprache des Shooting Brakes entsprach sicherlich nicht dem allgemeinen Zeitgeschmack und lag weit von dem weg, was Tom Tjaarda beim originalen 330 GT vorgelegt hatte. Besonders die Front mit dem viereckigen Kühlergrill und von Lamellen verschleierten Scheinwerfern wirkte ungewohnt. Der Überrollbügel war ungewöhnlich kräftig ausgefallen, das Heck dann komplett in Glas gehalten.
Irgendwie passte das alles nicht so ganz zusammen, aber es ergaben sich damit sicherlich mehr Komfort für die Passagiere und vor allem deutlich mehr Gepäckraum, auch wenn umklappbare Rücksitze beim Umbau nicht möglich waren.
Zu welchem Zeitpunkt der originale Motor 7963 durch den Austauschmotor 9269 ersetzt worden war, ist nicht ganz klar, doch wird vermutet, dass dies beim Umbau geschah.
Zunächst für den Eigengebrauch
Die nächsten Jahre blieb der Shooting Brake im Besitz von Chinetti Junior, dann, um 1974 wurde er nach Philadelphia und später New York weiterverkauft.
Im Jahr 1990 wurde der Wagen von Jean-Claude Paturau aus Paris erworben, der den Wagen restaurieren liess. Vermutlich erhielt er zu diesem Zeitpunkt eine Lackierung in Grün-Metallic.
Paturau zeigte das Einzelstück u.a. am Bagatelle-Concours und am Concorso d’Eleganza Villa d’Este.
2011 kaufte Jason Cheetham, besser bekannt als Jay Kay von Jamiroquai, den eigenwilligen Kombi. Er präsentierte den Wagen 2012 am Salon Privé und 2015 am Cartier Style et Luxe Concours anlässlich des Goodwood Festival of Speed. Wenig später trennte er sich wieder vom Ferrari.
Im Jahr 2017 wurde der Wagen erneut umlackiert, dieses Mal wurde ein metallisierter Bronzeton gewählt.
Jetzt soll der einmalige Ferrari-Kombi einmal mehr einen neuen Besitzer finden. Nachdem in der Vergangenheit bereits Bonhams und Gooding & Co Gelegenheit hatten, den Wagen zu vermitteln, ist nun die Reihe an RM/Sotheby’s, die den Ferrari am 8. Dezember 2018 anlässlich der Peterson Automotive Museum Auction in Los Angeles unter den Hammer bringt.
Die Erwartungen an den vermutlich letzten von Vignale karossierter Ferrari mit einem sicherlich spektakulären Aufbau werden hoch sein. Bonhams hatte den Wagen 2008 auf USD 500’000 bis 600’000 eingeschätzt, Gooding & Co erwartete im Sommer 2017 USD 700’000 bis 900’000. RM/Sotheby’s hat den Schätzpreis zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben. Aber der Ferrari soll ohne Mindestpreis angeboten werden!
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 48 / 1968 vom 07.Nov.1968 - Seite 9: 50. Turiner Autosalon
- auto motor und sport / Nr. 24 / 1968 - Seite 39: Turiner Bilderbogen
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1951: 212 Export Giardinetta (Fontana, #0086E)
1961: 250 GT SWB Breadvan (Drogo, #2819GT), ein Rennsportwagen mit Kultstatus
1975: 365 GTB/4 Daytona Shooting Break (Panther, #15275), ein Daytona im Leichenwagendesign
1976: 365 GTC/4 Station Wagon (Felber-Michelotti, #16017), auf gleichem Chassis entstand auch das "Felber Beach Car"
1995: 456 GT Venice Station Wagon (Pininfarina, #103190), aus der Venice-Serie gab es auch ein 456 GT-Cabriolet (#104023)
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Selten so eine automobile Scheusslichkeit gesehen, sorry, my 2 cents.
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