Ein Ferrari hat einen Zwölfzylindermotor und er ist rot, so die vorherrschende Meinung, die sich über Jahrzehnte hielt. Doch schon vor 50 Jahren gab es interessante Ausnahmen.
Im Herbst 1973 hatte Ferrari den Dino-246-GT-Nachfolger 308 GT4 in Paris vorgestellt, der anstatt eines Sechszylindermotors nun einen V8 quer hinter den neuerdings vier Passagieren aufwies. Die Karosserie war bei Bertone entstanden, doch die Dino-246-Fans waren vom neuen Wagen nicht so begeistert, wie es sich Enzo Ferrari vermutlich erhofft hatte.
Also musste Pininfarina wieder in die Bresche springen und in Windeseile einen zweisitzigen 308 auf die Beine stellen, der natürlich den 255 PS starken V8 des 308 GT4 sowie auch dessen Fahrwerkstechnik übernehmen durfte.
Bereits im Herbst 1975 konnte der 308 GTB – das “B” stand für Berlinetta, also Coupé – am Pariser Autosalon präsentiert werden. Die Automobil Revue notierte damals:
“Grosses Interesse fand der neue, von Pininfarina eingekleidete und von Scaglietti gebaute Zweisitzer Ferrari 308 GTB, der entgegen der Ferrari-Tradition nicht über ein V12-Aggregat verfügt, sondern sich mit einem zentral angeordneten 3-Liter-V8 bescheidet und als erster Ferrari eine Kunststoffkarosserie besitzt.
Der äusserst schnittige Aufbau erinnert hinsichtlich Buggestaltung stark an den Ferrari 365 GT4/BB, während Wagenlängsseite und Heck Anklänge an den Dino 246 GT zeigen. Trotz der bescheidenen Höhe von nur 112 cm gelang es, eine auch grösseren Fahrern zusagende Sitzposition zu erreichen. Bei 1100 kg Gewicht erreicht der 255 PS starke Zweisitzer eine Spitze von 252 km/h.”
Für die Formgebung war Hausdesigner Leonardo Fioravanti zuständig und er hatte ganze Arbeit geleistet. Dass die Karosserie aus GFK bestand, war mehr der Eile als einer neuen Strategie geschuldet.
Aus Kunststoff wird Blech
Bereits nach etwa zwei Jahren und gegen 800 Exemplaren wechselte man bei Scaglietti von Formen für die laminierten Glasfasermatten zur traditionellen Karosseriepresse, der 308 GTB wurde mit der Stahlblechkarosserie allerdings ein bisschen schwerer.
Fast gleichzeitig wurde auch die Targa-Version 308 GTS eingeführt, die es nur mit Blechkleid gab.
Mit oder ohne Trockensumpf
Natürlich wurde der Ferrari 308 GTB fast in die ganze Welt hinaus exportiert, allerdings gab es gewisse Unterschiede zwischen den Versionen. Die europäischen Modelle mit Vergaserbestückung wiesen eine Trockensumpfschmierung mit rund 12 Liter Ölinhalt auf, während die GTB-Modelle für die USA, aber auch Australien oder Japan eine herkömmliche Nasssumpf-Schmierung eingebaut hatten, die mit etwa neun Liter Motorenöl auskam. Die Begründung für die unterschiedlichen Versionen lagen in den Anforderungen an die Abgasreinigung und den dafür nötigen Platzbedarf im Motorraum.
Beim 308 GTS ging man den einfacheren Weg und baute gleich alle Versionen auf Nasssumpf-Basis, auch weil das Gros sowieso in die USA ging. Die Trockensumpfschmierung hatte im Rennsport und bei hartem Einsatz gewisse Vorteile und war daher auch für die FIA-Homologierung nötig, aber es reichte natürlich, wenn die europäischen Versionen davon Gebrauch machten.
Dass die USA-Modelle aber nicht nur durch eine andere Schmiertechnologie benachteiligt waren, sondern wegen Sicherheits- und Abgasemissionsvorschriften auch durch mehr Gewicht und niedrigere PS-Zahlen, dies zeigten die erzielbaren Fahrleistungen in mehreren Testberichten der Zeitschrift Road&Track:
März 1976 | Feb. 1977 | 1979 | |
---|---|---|---|
Leistung bhp | 243 | 240 | 205 |
bei U/min | 7700 | 6600 | 6600 |
Karosserie | GFK | GFK | Stahlblech |
Gewicht (kg) | 1200 | 1399 | 1497 |
0-30 mph | 2.6 | 3.9 | 2.3 |
0-60 mph | 6.4 | 9.4 | 7.3 |
0-100 mph | 15.9 | 22.6 | 19.8 |
Spitze mph | 154 | 132 | 145 |
Spitze km/h | 248 | 212 | 233 |
Verbrauch mpg | 12.5 | 13 | 15 |
Verbrauch l/100 km | 18.8 | 18.1 | 15.7 |
Preis USD | 25000 | 28500 | 33641 |
Kommentar | europäische Version (Trockensumpf), getestet durch Paul Frère, Angeben Gewicht/Preis ungefähr | US-Version, Nasssumpf, abgasgereinigt | US-Version, Nasssumpf, abgasgereinigt |
Während Paul Frère bei seiner Testfahrt im März 1976 noch eine europäische Version verwenden konnte, mussten sich die amerikanischen Redakteure mit der GFK-US-Version beschäftigen. Der Wagen vom Februar 1977 muss ein ganz besonderes Biest gewesen sein, denn nicht nur liess er sich kaum sportlich beschleunigen, beim Gangwechsel bei hohen Drehzahlen stimmte oftmals der eingelegte Gang nicht mehr mit der Position in der offenen Schaltkulisse überein. So richtig glücklich wurden die Testfahrer mit diesem Auto jedenfalls nicht.
Im Jahr 1979 aber wurde der Ferrari 308 GTB rehabilitiert. Obschon nominell leistungsschwächer deklariert, beschleunigte der nun weitere 100 kg schwerere Stahlblech-GTB besser und erreichte eine deutlich höhere Spitzengeschwindigkeit. Bei alledem war er auch noch sparsamer, kein Wunder vermochte das italienische Vollblut nun deutlich mehr zu begeistern. Trotzdem mahnte das Resümee zur Vernunft:
“Der 308 ist, wie auch alle anderen Ferrari, nicht ein Auto, das man im Halbschlaf oder so nebenbei fahren kann. Alle Bedienungselemente – Lenkung, Kupplung, Bremsen, Schaltung, Gaspedal – verlangen nach Bestimmtheit und Entscheidungsfreudigkeit. Im Stadtverkehr macht der Wagen wenig Spass. Erst wenn man seine kurvige Lieblingsstrecke erreicht, kann man entdecken, um was es bei diesem Auto geht. Dann beginnt man den Ferrari-Mythos zu verstehen und kann erkennen, warum Enthusiasten über 30’000 USD ausgeben, um einen Ferrari zu besitzen. Aber oh, welch’ eine Fahrfreude!”
Vor allem rot
Den Ferrari 308 GTB gab es in einer Vielzahl an Farben, eine Lackierung aber dominierte typischerweise die Verkaufsräume: Rot oder genauer gesagt “Rosso Corsa”. Zwischen 1975 und 1980 entstanden fast 2900 Ferrari 308 GTB und nur wenige wurden in speziellen Farben wie “Blue Montecarlo”, “Marrone Dino” oder “Rosso Rubino” gespritzt.
Der Farbton “Verde Medio” (106-G-29), ein metallisiertes Dunkelgrün, soll nur elfmal auf dem Blech eines 308 GTB aufgetragen worden sein. Einer dieser elf GTBs wurde in US-Konfiguration am 31. Oktober 1977 nach Fairbanks (Alaska, USA) ausgeliefert.
Aus Grün wird Weiss
Einige Jahre später wurde Don Vesco Besitzer des grünen Ferraris und er liess ihn, wie alle seine Autos, umlackieren. In weisser Farbe eignete sich das Coupé besser für Vescos Zwecke, denn er verbrachte viel Zeit auf heissen Salzseen. Don Vesco, geboren im April 1939, war nämlich ein Geschwindigkeitsrekordfahrer auf zwei und vier Rädern.
Immerhin 18 Motorrad- und sechs Automobil-Geschwindigkeitsrekorde gingen auf sein Konto. So fuhr er 1975 480 km/h auf einem Zweirad und 2001 737,8 km/h im “Turbinator”,
Aus Weiss wird wieder Grün
Vesco nutzte den Ferrari 308 GTB für seine Fahrten zu den Rennplätzen. Erst nach seinem Tod im Jahr 2002 wurde der Wagen weiterverkauft und von einem Sammler in Kalifornien komplett restauriert. Anlässlich dieser Arbeiten erhielt das Coupé auch seine ursprüngliche grüne Farbe zurück.
Im Jahr 2015 dann wechselte der Ferrari erneut den Besitzer und gelangte nach Grossbritannien. In den folgenden Jahren wurde der Wagen schrittweise technisch verbessert und schliesslich auch mit den kompakteren europäischen Stossfängern versehen, die deutlich besser aussehen als die amerikanischen “Safety Bumpers”.
Als schönes Detail liess man das Lenkrad während all der Jahre unberührt, schliesslich hatte ja Don Vesco daran gedreht, da durfte es auch weiterhin ein paar Schrammen und Alterungsspuren zeigen.
Vesco hatte sicher viel Freude am schnellen Achtzylinder-Coupé. Im Vergleich zu modernen Sportwagen mag es ein bisschen an Punch fehlen, aber dies wird kompensiert durch den unnachahmlichen Webervergaser-Achtzylinder-Sound, den man am besten geniesst, indem man die Seitenfenster ein wenig öffnet. Die ungefilterte Lenkung und das Klicken der Schaltkulisse beim Wechseln der Gänge erhöhen das Vergnügen. Die Rundumsicht ist für einen Mittelmotorsportwagen sehr gut und im Heck gibt’s sogar etwas Platz für Gepäck, Das können manche Nachfahren des 308 deutlich weniger gut.
Jetzt soll der grüne Ferrari 308 GTB mit Chassisnummer 22183 an der Bonhams-Online-Versteigerung “Les Grandes Marques du Monde à Paris” vom 3. bis 10. März 2021 einen neuen Besitzer finden. Der Schätzpreis für den Wagen, der auch schon in Magazinen porträtiert wurde, lautet auf EUR 75’000 bis 95’000 (CHF 81’000 bis 100’000).
Und da sind nicht nur alle Dokumente und ein komplettes Werkzeugset dabei, sondern auch ein passendes Gepäckset. Dazu muss man wissen, dass das erste Schedoni-Kofferset 1976 entstand, als Franco Folli seinen Schwager Mauro Schedoni, der in Modena Schuhe, Gepäck und Modeaccessoires fabrizierte, bat, ihm ein paar für seinen Ferrari 308 GTB passend dimensionierte Koffer zu fertigen. Der Rest ist Geschichte seit 1977 ist Schedoni der offizielle Anbieter von Massgepäck für Ferrari.
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