Die Gebrüder Tüscher gehören zu den wichtigsten Karosseriebauern der Schweiz und ihre Fahrzeuge überzeugten stets durch Eleganz und Bauqualität. Die Tüschers setzten Aufbauten auf Fahrgestelle der Hersteller Delahaye, SS Jaguar, Plymouth, Buick, nebst vielen anderen. Und, obschon die Firma Tüscher in den Vorkriegsjahren Alfa-Romeo-Fahrzeuge in die Schweiz einführte, sollen nur zwei Tüscher-Karosserien ihren Weg auf Chassis der Mailänder Automarke gefunden haben.
Der Alfa-Romeo-Höhepunkt vor dem Krieg
1938 präsentierte der Mailänder Hersteller Alfa Romeo seine ultimative Ausbaustufe des bereits im Rennsport und auf der Strasse über lange Jahre erprobten Sechszylinders vor. Statt der ursprünglich 1,5 Liter Hubraum standen nun 2443 cm3 zur Verfügung, was mindestens 90 PS Leistung entsprach in der Einvergaser-Version. Mit drei Vergasern durften es auch 145 PS sein.
Die Motoren wurden in Fahrgestelle mit drei unterschiedlichen Radständen montiert, 2,75, 3 oder 3,25 Meter standen zur Auswahl.
Auf diese kompletten Fahrgestelle - der Motor trieb die starre Hinterachse an, die Vorderräder waren einzeln aufgehängt, die Bremsen wurden hydraulisch angesteuert - setzten dann die verschiedensten Karosseriefirmen individuelle Aufbauten, darunter Touring Superleggera, Pinin Farina, Graber, Worblaufen oder eben die Gebrüder Tüscher.
Elegantes Cabriolet
Am 1. November 1939 wurde der Wagen mit Chassis-Nummer 913014 und Motorennummer 923059 an Herrn Direktor Weber ausgeliefert, zweifarbig grau und hellblau lackiert. Als geräumiges Cabriolet - Radstand 3,25 Meter - offerierte der Wagen eine elegante Karosserieform und viel Licht im Innern. Vermutlich hatte wie immer Konstrukteur Hans Dinkel die Form gestaltet und sein Kollege Paul Lötscher die Zeichnungen im Massstab 1:1 umgesetzt. Und wie auch bei anderen Entwürfen aus dem Hause Tüscher fehlten marktschreierische Accessoires und Formausschweifungen und die Gesamterscheinung überzeugte mit zurückhaltender Eleganz.
Herr Weber verkaufte den Alfa Romeo später weiter und auf mehr oder weniger mysteriöse Weise gelangte der Wagen nach England, wo er schlussendlich mit einer orange-farbigen Lackierung auf einem Parkplatz des Flughafens London Heathrow abgestellt wurde.
Ein gewisser Peter Piper löste den Wagen dann für 50 englische Pfund aus. Eine Reparatur der Hinterachse reichte, um das Fahrzeug wieder gangbar zu machen. Piper verkaufte den fahrfähigen Alfa an einen Freund namens Bill Little weiter, der das Auto zum Schleppen seines Rennwagens nutzte. Schliesslich tauschte Little den Wagen bei Piper für einen anderen 6C 2500 mit kurzem Chassis ein und 913014 erhielt mit Richard Bonney einen weiteren englischen Besitzer.
Über einen Händler in Peterborough gelangte das Alfa Romeo Cabriolet dann in den Sechzigerjahren in die Hände eines kanadischen Marineoffizier, der den Wagen restaurierten wollte, aber verstarb, noch bevor der einst elegante Wagen wieder Gestalt angenommen hätte.
Im Garten des verschiedenen Besitzers fand ihn schliesslich ein kanadischer Ingenieur, der das Fahrzeug trotz erbärmlichen Zustands zusammen mit vielen Kisten voll Material von der Witwe erstand.
Identitätssuche
Der mutige Bernie McDonald begann, die Identität seines Wagens zu erforschen. Nach vielen falschen Spuren, verschiedene Experten hatten entweder auf eine Worblaufen- oder eine Touring-Karosserie getippt, konnte schliesslich der Hersteller Tüscher anhand der Löcher identifiziert werden, mit der die Herstellerplakette auf der Wagenflanke angebracht worden war. Nur Tüschers Plaketten passten in die trapezförmig angeordneten Löcher, die bei der Restaurierung gefunden wurden.
Restaurierung über acht Jahre
Die Restaurierung begann 1976 und endete rund acht Jahre später. Dank vieler helfender Hände, Alfa-Clubmitgliedern und begabten Handwerkern konnte viel von der bestehenden Substanz gerettet werden. Zudem waren fast alle Originalteile noch vorhanden und konnten zumindest noch als Muster für eine Neuanfertigung dienen, wie es beim Interieur zum Beispiel nötig wurde.
Dank der Informationen, die Bernie McDonald im Firmenarchiv der Gebrüder Tüscher gefunden hatte, konnte auch die Lackierung wieder in ähnlichen Farbtönen erfolgen, wie sie sich bei der Auslieferung im Jahr 1939 auf dem Fahrzeug befunden hatten.
Nur eine vordere Stossstange erhielt der Wagen nicht, obschon praktisch alle bekannten Tüscher-Kreationen über eine solche verfügen. Ob diese ursprünglich am Wagen montiert war und ob sie eine v-förmige Gestalt hatte wie z.B. beim Delahaye 135 Coupes des Alpes von 1938 oder gradlinig geführt gewesen war wie beim SS Jaguar 2,5 Lire von 1937, darüber kann nur gerätselt werden, bis irgendwann eine Originalfotografie des Autos auftaucht.
Von Kanada in die Schweiz und nach Paris
Bernie McDonald zeigte den restaurierten Wagen u.a. an einer Zusammenkunft des Alfa Romeo Owners Club im Jahr 1997 und gewann dabei die Vorkriegsklasse und wurde auch vom Publikum mit einem Preis bedacht. 2001 verkaufte er den Alfa in die Schweiz und 13 Jahre später wird er nun an RM Auctions Versteigerung in Paris am 5. Februar 2014 unter den Hammer kommen, zum Schätzpreis von Euro 250’000 bis 320’000.
Angesichts der Vermutung, dass es sich hier um den ältesten noch existierenden Alfa Romeo 6C 2500 handelt, der dazu noch mit einer einmaligen Karosserie eingekleidet ist, erscheint dieser Preis mehr als realistisch.
Wir danken dem Swiss Car Register für die Unterstützung bei den Recherchen.
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