Im Jahr 1960 wagen vier Chevrolet Corvette den Sprung über den Atlantik, um bei den 24 Stunden von Le Mans teilzunehmen. Von den Europäern wurden die vergleichsweise schweren und grossen amerikanischen Sportwagen zuerst belächelt, doch schon bald lernten sie die amerikanischen Donnerbolzen fürchten.
Mit einem Klassensieg und dem achten Gesamtrang bewies die seriennahe Corvette deutlich, dass sie ein echter Sportwagen war. Und dabei kostete der amerikanische Kunststoff-Sportwagen nur einen nur einen Bruchteil dessen, was die geschlagenen Konkurrenten für ihre Autos haben wollten.
Neun Jahre der Evolution
Als auf der General Motors Motorama im Januar 1953 die erste Corvette als Prototyp stand, war die Begeisterung für den eleganten Sportwagen gross. Man sah sich zu einer baldigen Produktionsaufnahme gezwungen und musste in Windeseile aus dem Showcar einen Wagen für die Serienproduktion entwickeln.
Die erste 300 Corvette wurden weitgehend von Hand gebaut und waren alle weiss, die Karosserie bestand aus Kunststoff. Sie hatten einen Sechszylindermotor mit 150 PS und eine Zweigang-Automatik an Bord.
Den ersten Corvette mangelte es ein wenig an Kraft, die Fahrleistungen überzeugten nicht und die Fertigungsqualität genauso wenig. Es war Zora Arkus-Duntov, der dann mithalf, den Sportwagen neu zu positionieren, indem er 1955 den neuen V8 in den Bug verpflanzte.
1956 wurde das Design umfangreich angepasst, kleinere Scheinwerfer und ein verchromter Kühlergrill verkörperten zusammen mit neu gestalteten Flanken die neue Linie. Einen Sechszylinder gab es nicht mehr, dafür ab 1957 eine Einspritzung.
Noch mehr Chrom gab es dann ab 1958, ergänzt um Doppelscheinwerfer vorne. Auch das Interieur wurden modifiziert, der Tacho direkt vor dem Fahrer installiert.
Im Jahr 1961 erhielt die Corvette ein neues Heck mit vier Lampen, das dann auch für die spätere C2 übernommen wurde. Für das Jahr 1962 wurde schliesslich der Hubraum auf 5,3 Liter angehoben, die Leistung stieg für die eingespritzte stärkste Variante auf 360 PS.
Die letzte Starrachsen-Corvette
Alle Corvette der C1-Generation hatten ein gemeinsames Merkmal, die Starrachse hinten. Auch im letzten Baujahr blieb man dieser Aufhängungskonstruktion treu, während der Nachfolger C2 dann Einzelradaufhängungen hinten erhielt.
Auch der Kastenrahmen mit X-Verstrebungen wurde beibehalten, genauso wie die vorderen Einzelradaufhängungen an Trapez-Dreieckslenkern vorne. Vier Trommeln sorgten für die standesgemässe Verzögerung.
Die Motoren mit 5354 cm3 gab es mit Vergaser- oder Einspritzanlagen. Die Leistung begann bei 250 PS, das Spitzenmodell leistete 365 SAE-PS bei 6000 Umdrehungen und wuchtete 487 Newtonmeter auf die Kurbelwelle.
Mit einer zentralen Nockenwelle und Zylindern in V-Form entsprach der Motor damaligen amerikanischen Gewohnheiten, die hohe Leistung des stärksten Aggregat war einer Rochester-Saugrohreinspritzung, der Verdichtung von 11,25:1 und einer Hochleistungsnockenwelle zu verdanken. 230 km/h wurden der Corvette attestiert, als Verbrauch wurden 16 bis 23 Liter pro 100 km notiert.
Der Coup in Le Mans
Briggs Cunningham beschloss nach erfolgreichem Versuchsfahrten bei den Testtagen zu den 24 Stunden von Le Mans drei Corvette zu melden, ausgerüstet mit dem 4,6-Liter-V8 und Einspritzng, so dass rund 290 PS zur Verfügung standen.
Die Wagen befanden sich optisch weitgehend im Serienzustand, standardmässig wurden Hardtops montiert. Sogar eine Heizung war montiert, dafür wurde auf das Radio verzichtet und der grosse Tank geordert. Neben den drei Cunningham-C1 startete eine weitere für das Comaradi-Team.
Mit rund 1,3 Tonnen waren die Corvette die schnellsten Wagen im Feld, mit 4,49 Metern Länge und fast 1,8 Metern Breite gehörten sie auch zu den grössten Autos in der Sarthe. Die Konkurrenten erwarteten entsprechend Bremsprobleme und ein bescheidenes Abschneiden.
Doch die Corvette schnitt deutlich besser ab, als man es ihr zugetraut hatte. John Fitch und Bob Grossman fuhren trotz Überhitzungsproblemen - in den letzten Stunden musste der Wagen mit Eiswürfeln gekühlt werden - auf dem achten Gesamtrang ab. Sie errangen auch den Klassensieg in der GT-Klasse mit 4000 bis 5000 cm3. Nur die Prototypen und die Ferrari 250 GT SWB waren schneller, einer Corvette gelang sogar die dritthöchste Spitzengeschwindigkeit. Ein gelungener Einstand bei den 24 Stunden von Le Mans.
Eine von 1918
Nicht einmal ganz 2000 Exemplare wurden von der letzten und stärksten Corvette C1 des Baujahres 1962 gebaut. Der Aufpreis für den eingespritzten 360-PS-Motor betrug USD 484.20, rund 12% mehr als die Basis-Corvette, die mit USD 4038 in der Preisliste stand. Für ein Hardtop bezahlte man USD 236.75.
Sieben Farben wurden standardmässig angeboten: Tuxedo Black, Fawn Beige, Roman Red, Ermine White, Almond Beige, Saleen Silver und Honduras Maroon, kombiniert mit schwarzem Softtop. Man konnte die Corvette aber auch in Sonderfarben bestellen oder sogar nur grundiert.
Im Gegensatz zu den Vorjahresmodellen waren die Scheinwerfereinfassungen in Wagenfarbe gehalten.
Im Cockpit waren der 160-MPH-Tacho, der 7000-U/min-Drehzahlmesser und Sicherheitsgurte (Beckengurte) serienmässig. Für das Mittelwellen-Radio allerdings mussten 137.75 amerikanische Dollar Aufpreis bezahlt werden, elektrische Fenster schlugen mit USD 59.20 zu Buche, ein elektrisch schliessendes Dach kostete USD 139.90. Nochmals USD 188.30 waren für das Vierganggetriebe fällig, wenn man sich nicht mit drei Vorwärtsgängen bescheiden wollte. Eine Automatik wurde zu den eingespritzten Motoren nicht angeboten.
Mehr Leistung als die Le-Mans-Version
Mit 360 PS weist die 62-Corvette deutlich mehr Leistung auf als der Wagen, den Fitch/Grossman in Le Mans steuerten. Die Werbung beschrieb den Wagen damals mit “Out-of-this-world Travel” und verglich ihn mit Raumschiffen. Schliesslich biete man schon seit 1953 ein Gefährt an, das aus einer anderen Galaxie zu stammen scheine. Es offeriere zwei Personen Luxus-Suiten-Komfort und lege auch lange Distanzen problemlos zurück, schrieben die GM-Texter. Die Fahrt im Sportwagen mit Einspritzung und Vierganggetriebe sei nicht einfach eine Fahrt sondern eine emotionale Erfahrung. Es sei gut, dass nicht alle Autos so seien wie die Corvette, sonst müssten sich Corvette-Fahrer nämlich ein neues Hobby suchen, z.B. Sky Diving oder Vogelbeobachten. Soweit die damalige Werbung.
Auch heute noch überrascht das Leistungsvermögen der C1. Zwar fühlt sich das riesige Lenkrad wenig sportlich an, aber das Vierganggetriebe überzeugt mit klar definierten Schaltwegen, die Kupplung trennt progressiv. Bei perfekter Rundumsicht überzeugt der kräftige Schub.
Das Einsteigen klappt trotz Panorama-Frontscheibe problemlos, die Platzverhältnisse sind generös. Und der Motorsound? Zum Träumen!
Fahrwerk und Bremsen erinnern daran, dass die letzte Corvette C1 inzwischen schon über 55 Jahre alt ist und man vermutet, dass Fitch und Grossmann eine andere Abstimmung fuhren, denn sie äusserten sich damals äusserst positiv über das Fahrverhalten bei trockener wie auch nasser Strasse. Tatsächlich gelang es Fitch damals bei Nässe innert vier Stunden vom 13. auf den 7. Gesamtrang vorzufahren, eine eindrückliche Leistung.
Wir danken der Oldtimer Galerie Toffen für die Unterstützung bei der Fotosession.
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