Im Jahr 1940 schrieb sich ein Cabriolet noch Kabriolett. Und 55 PS waren eine hohe Leistung für ein gut 1,1 Tonnen schweres Auto. Und 125 km/h waren ein sehr sportliches Tempo. Achtzig Jahre später sehen wir die Dinge etwas anders, aber der BMW 327 hat mit seinem Reihen-Sechszylinder kaum etwas von seinem Reiz verloren.
Ein eindrücklicher Stammbaum
Die Geschichte der Sechszylinder-BMW-Modelle begann 1933 mit dem Typ 303, der nicht nur den neuen Motor unter der Haube hatte, sondern auch noch eine Niere als Kühlergrill zeigte.
Noch waren es bescheidene 1,2 Liter Hubraum und 30 PS bei 3500 Umdrehungen, aber die Basis war gelegt, zumal mit dem 303 auch ein neuer fortschrittlicher Rohrrahmen eingeführt wurde.
Bereits 1935 kam der Nachfolger 315 heraus, dessen Motor dank mehr Hub und etwas grösserer Bohrung nun auf 1,5 Liter Hubraum und 34 PS Leistung bei 4250 Umdrehungen kam.
Der 319 wurde parallel zum 315 produziert, er wies einen noch grösseren Motor auf, der schliesslich im Sportmodell 319/1 dank drei Vergasern auf 55 PS bei 4600 Umdrehungen kam.
Weil die Karosserieformen von 315 und Co. doch etwas altbacken aussahen, führte man 1936 den BMW 326 ein, der mit der weiter vergrösserten Zweiliter-Version des Sechszylinders nun mit zwei Vergasern auf 50 PS bei 3750 kam. Allerdings war der Wagen mit vergrössertem Radstand von 2870 mm und opulenter aerodynamisch aussehender Karosserie auch schwerer geworden, 1100 kg Gewicht forderten den nicht gerade drehzahlfesten Motor. Nicht nur die Karosserie des Viertürers 326 war neu, auch das Chassis wurde mit einem Tiefbett-Kastenrahmen, Einzelradaufhängungen vorne und Starrachse hinten neu konstruiert. Joachim Fischer äusserte sich in der Zeitschrift “Motor Kritik” begeistert über das günstige Verhältnis von Raumangebot, Aussendimensionen und Leistungsgewicht.
Da der BMW 326 teuer geworden war, stellte man ihm 1937 den 320 mit zwei Türen und vielen Komponenten des 326 zur Seite. Bei der Motorentechnik sparte man dann, spendierte ihm nur einen Vergaser, was die Leistung auf 45 PS reduzierte.
Plattformpolitik
Mit dem 326, dem 320 und dem 329 sowie dem ab 1936 gebauten Rennsportwagen 328 hatte man eine ansehnliche Modellpalette und einen regelrechten Komponentenbausatz. Jener bildete dann auch die Basis für den eleganten BMW 327, den es zunächst als Cabriolet und bald auch als Coupé gab. Über den vom Kastenrahmen des 320 zog sich eine schwungvolle auf einem Holzgerippe aufgebaute Stahlblech-Karosserie mit langer Motorhaube. Die Windschutzscheibe zwar zweigeteilt.
Als Motor kam die 55-PS-Zweivergaserversion des BMW 326 zum Einsatz. Als Getriebe wurde die Viergangbox von Hurth genutzt. Vorne sorgten Dreiecksquerlenker mit integrierten Hebelstossdämpfern für die Radführung, hinten kam die bekannte Starrachse mit Hebelstossdämpfern und Halbelliptikfedern zum Einsatz. Gebremst wurde hydraulisch über vier Trommeln, gelenkt wie schon beim 303 per Zahnstange.
Der Radstand betrug 2750 mm, die Aussendimensionen 4,5 x 1,6 x 1,42 Meter.
Komfortsportwagen
Anders als der BMW 328, mit dem der 327 konzeptionell und auch designtechnisch verwandt war, wollte der schwerere 327 kein Rennwagen, sondern ein Reise-Sportwagen sein. Mit 1,1 Tonnen Gewicht und 125 km/h Spitze war er auch deutlich langsamer als der 328. Mit 7500 Reichsmark Anschaffungspreis war er aber sogar etwas teurer als der 328. Und wem die 55 PS der Normalausführung nicht reichten, konnte sich den 327 gegen 630 RM Aufpreis auch mit dem 80-PS-Dreivergaser-Motor aus dem 328 bestellen.
Angesichts der Strassen Ende der Dreissigerjahre war man aber sicherlich auch mit den 55 PS angemessen motorisiert.
Die Stärken des 327 waren der hohe Fahrkomfort und die überdurchschnittlich gute Strassenlage, die hohe Reisedurchschnittsgeschwindigkeiten ermöglichten.
Insgesamt wurden zwischen 1937 und 1941 1124 Cabriolets und 179 Coupés der Normalausführung und weitere 569 Wagen mit dem 328-er-Motor gebaut, dazu kamen noch zwei Chassis ohne Aufbau.
Noch in den Sechzigerjahren konkurrenzfähig
BMW hätte mit seiner Vorkriegs-Modellpalette noch viele Jahre weiter auf der Erfolgswelle reiten können, doch es folgte der Zweite Weltkrieg und nach dem Krieg war BMW nicht mehr Besitzer seiner ehemaligen Eisenacher Werke. In den Händen von EMW und Bristol wurde die in Deutschland ersonnene Technik aber noch für viele Jahre weitergenutzt und verfeinert.
Im Jahr 1965 erhielt Reinhard Seiffert von “auto motor und sport” die Gelegenheit den Vorkriegs-BMW 327 nochmals zu fahren.
Seine Erkenntnisse stellten den Fortschritten der Autoindustrie seit 1940 kein gutes Zeugnis aus:
“Daß die Faszination des 327 echt war, zeigt sich, wenn man ein Vierteljahrhundert später mit ihm Bekanntschaft macht. Noch immer ist seine äußere Form bestechend, und noch immer macht es Spaß, ihn zu fahren. Noch mehr als beim 319 zeigt sich hier, daß der Fortschritt der letzten 25 Automobilbaujahre minimal ist. Man kann den 327 fahren wie einen Sportwagen von heute. Die Sitzposition ist ausgezeichnet (das Lenkrad nur um eine Kleinigkeit näher am weit verstellbaren Sitz als heute), der Schalthebel kann gar nicht besser liegen. Zwei Notsitze und ein brauchbarer Kofferraum entsprechen dem heute üblichen Komfort. Erstaunlich sind die Leichtgängigkeit aller Bedienungsorgane und der gute Federungskomfort: dies war tat sächlich schon ein komfortabler Reisesport wagen, wie man sie heute für weit mehr Geld kaufen kann.”
Natürlich war, verglichen mit der Gegenwart der Sechzigerjahre, nicht alles besser am alten BMW, so überzeugten die Bremsen nicht mehr. Aber insgesamt musste Seiffert staunen und er wagte eine abenteuerliche Schlussfolgerung:
“Eines ist sicher: hätte BMW diesen Wagen nach dem Krieg weiterbauen können, dann wäre für Porsche eine so starke Konkurrenz vorhanden gewesen, daß es vielleicht nie einen Porsche 356 gegeben hätte. Bis in die fünfziger Jahre hinein wäre dieser BMW (der zweifellos bessere Fahreigenschaften hatte als die ersten Porsche) mit entsprechenden Verbesserungen durchaus auf der Höhe der Zeit gewesen, was nicht zuletzt der auf gleicher Basis entstandene englische Bristol-Sportwagen bewiesen hat. Und heute könnte ein Nachfolge-Typ eine dominierende Rolle spielen, den man sich leicht als Zweiliter-Sechszylinder mit kürzerem Hub als der alte Langhubmotor und mit obenliegender Nockenwelle vor stellen kann. Aber dahin kam es nicht.”
Wohlklang und Sonnenschein
Man kann die Eindrücke Seifferts sehr gut nachvollziehen, wenn man sich heute in einen gut erhaltenen BMW 327 setzt. Wenn man bedenkt dass der gefahrene Wagen exakt 80 Jahre alt ist, staunt man über die Problemlosigkeit, mit der er sich steuern lässt.
Gestartet wird per Schlüssel und Starterknopf und sofort erklingt das meldiöse Singen des Reihensechszylinders. Die 55 PS reichen für flüssiges Losfahren und problemloses Mitschwimmen im Landstrassenverkehr.
Der Ausblick nach vorne ist spektakulär, nach hinten nimmt einem das Verdeck allerdings fast die gesamte Sicht.
Die vier Gänge lassen sich anstandslos wechseln, etwas Zwischenkuppeln und Zwischengas helfen den Zahnrädern, sich geräuschlos zu verbinden. Über einem lacht die Sonne, am Strassenrand winken Passanten, die sich über die barocke Vorkriegsform freuen.
Ja, 55 PS sind nicht viel, wenn sie auf 1,1 Tonnen treffen, aber für die oldtimergerechte Fahrt reichen sie aus, vor allem wenn sie so wohlklingend produziert werden. Und dass der BMW 327 weniger als einen Drittel eines 328 kostet, macht das Auto noch interessanter!
Wir danken der Touring Garage in Niederweningen für die Gelegenheit zur Fotofahrt mit dem schönen BMW 327 von 1940.
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