BMW hatte eigentlich alles richtig gemacht. Der BMW 3200 CS verfügt über eine hochkarätige Technik, für das Design des eleganten Coupés sorgten Bertone und Giugiaro, die Stückzahl blieb mit 6xx Exemplaren überschaubar. Da müssten sich die Sammler eigentlich heute die Köpfe einschlagen, um eines der wenigen überlebenden Coupés zu ergattern. Tun sie aber nicht. Wird der 3200 CS unterschätzt?
Fortsetzung einer Tradition
Mit dem 503 Coupé hatte BMW bereits zwischen 1956 und 1960 einen eleganten Reisewagen gebaut und verkauft, insgesamt entstanden knapp über 273 dieser von Hand gebauten Fahrzeuge. Dass man aber 1961 einen Nachfolger präsentieren würde, das hatten die wenigsten erwartet.
Doch im September 1961 stand ein neuer V8-Sportwagen der obersten Preisklasse an der IAA in Frankfurt.
Beginn der Kooperation BMW-Bertone
BMW entschied sich für eine Kooperation mit Bertone, denn dort konnte der neue Wagen nicht nur gestaltet, sondern auch gebaut werden. Der Zeitplan war knapp, erst im Mai 1961 sollen drei Fahrgestelle des 3,2 Super (Nummern 72.179, 72.722 und 72.724) in Turin eingetroffen sein, um attraktiv eingekleidet zu werden.
Frühwerk Giugiaros
Giorgetto Giugiaro hatte Ende 1959 seine erste Stelle als Autodesigner bei Nuccio Bertone angetreten. Zu seinen frühen Arbeiten gehörten der Gordon Keeble, der im März 1960 seine Premiere in Genf feierte, und das Coupé Alfa Romeo 2000 Sprint, das im November 1960 in Turin erstmals präsentiert wurde.
Das Design des BMW 3200 CS entstand kurz darauf und es orientierte sich an der Linienführung der beiden früher vorgestellten Coupés. Wie gross der Anteil Giugiaros am Design war, kann heute nicht mehr zweifelsfrei gesagt werden, er selber jedenfalls hat daran keine wesentlichen Erinnerungen.
Man muss sich vorstellen, dass die Arbeitsweise damals sehr improvisiert war. Zeichner und Blechkünstler arbeiteten Hand in Hand, auf der Basis eines Fahrgestells entstand innert eines Monats ein komplettes Auto. Da konnten alle Beteiligten Ideen einbringen und Entwürfe modifizieren.
Der neue Wagen wirkte gefällig, wie die Automobil Revue anlässlich ihrer IAA-Berichterstattung beiläufig bemerkte:
“Das von Bertone entworfene Spitzenmodell 3200 Coupé Sport mit 160 PS verbreitet dann wieder eine Atmosphäre modernster Karosseriearchitektur. Es ist ein echter Viersitzer mit gut ausgebauten hintern Plätzen.”
Die Pressemitteilung von BMW anlässlich der IAA war da schon etwas verboser:
“Ein neues, luxuriöses Coupé für höchste Ansprüche - der BMW 3200 CS, erlebt zur IAA 1961 seine Premiere.
Ein Vollblut mit einem 160 PS Achtzylinder-Zweivergaser-Motor unter der langgestreckten Haube, ein Wagen, der mit 20 km/h lautlos dahingleitet, um dann mit unvergleichlicher Geschmeidigkeit dahinzustürmen, – nach knapp einer Minute pendelt die Nadel des Tachos bei 200 km/h – eine Linie mit der ganzen Eleganz romanischen Stilgefühls, von der Meisterhand Bertones entworfen, eine makellose Harmonie von Kraft und Schönheit – das ist der neue BMW 3200 CS. Ein Wagen für den verwöhntesten Geschmack, für den Autoästheten, der die Leistung eines hochwertigen Sportwagens genauso zu schätzen weiß wie die Kultur erlesenen Fahrkomforts. Die flach ansteigende Haube geht in einer fließenden Linie in die sanft gewölbte Frontscheibe mit vorbildlichen Sichtverhältnissen über und setzt sich in dem weichen Bogen des Daches fort. Der kleinere Stirnquerschnitt gegenüber der Limousine und die strömungsgünstige Form tragen zu der sicheren Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h bei. Das Innere des BMW 3200 CS entspricht in seinem Stil dem Leistungsniveau dieses Wagens, von den abgesteppten, vorbildlich geformten Ledersesseln mit Liegesitzbeschlägen bis zu den elektrischen Fensterhebern, von dem verschwenderischen Raum des echten Viersitzers bis zu der doppelten Lautsprecheranlage.
Ein Wagen der internationalen Extraklasse, gebaut für den Kenner und den Freund einer persönlichen Note - und in allem ein echter BMW: mit seinem elastischen Hochleistungs-V8 Zylinder-Motor, seinem verwindungssteifen Vollschutzrahmen, seiner kontaktsicheren und spurtreuen Lenkung und seinen Scheibenbremsen, die Sicherheit selbst.“
Bewährte, aber verbesserte Technik
Unter der Stahlblech-Karosserie verbarg sich bewährte BMW-Technik, die seit der Präsentation des 501/502/503 stetig verbessert worden war. Als tragende Basis diente ein Kastenrohrrahmen mit Längs- und Querträgern. Die vorderen Räder waren an Dreieckslenkern einzeln aufgehängt, hinten führte eine Starrachse mit Dreiecksschublenkern die Räder. Vorne und hinten waren Längsfederstäbe und Teleskopdämpfer für das Auffangen von Karosseriebewegungen verantwortlich. Die Lenkung mit Kegelradgetriebe musste ohne Servohilfe auskommen. Gebremst wurde nun mit Scheiben vorne und Trommeln hinten.
Mit 4,85 Metern Länge, 1,76 Metern Breite und 1,47 Metern Höhe war das BMW Coupé Sport ein stattliches Automobil, das Leergewicht von 1450 kg deutete nicht auf Leichtbau, sondern auf Qualität hin.
Als Motor diente der auch im 3,2 Super verbaute V8-Motor mit 90 Grad Zylinderwinkel. Aus 3168 cm3 entwickelte er 160 PS Bei 5600 Umdrehungen und 240 Nm bei 3600 Umdrehungen. Hängende Ventile, die über Stosstangen und Kipphebel von einer zentralen Nockenwelle gesteuert wurden, zeugten von damals üblicher Technik.
Geschaltet wurde mittels eines Vierganggetriebes. Während die Prototypen den Schalthebel noch am Lenkrad hatte, wurden die Serienexemplare mit einem Mittelschalthebel auf dem Kardantunnel ausgerüstet.
Im Schatten anderer Neuigkeiten
Dass der BMW an der IAA nicht für mehr Aufsehen sorgte, lag unter anderem daran, dass der Hersteller in Frankfurt die “Neue Klasse” und das BMW 700 Cabriolet gleichzeitig vorstellte. Aber auch die Konkurrenz trat mit vielen Neuheiten auf. So präsentierte Mercedes-Benz das 220 SE Cabriolet, bei Fiat gab es das deutlich günstigere 2300 Coupé mit leistungsgesteigertem Motor.
Das Schattendasein hörte aber mit dem Ende der IAA nicht auf. Auch die Automobilpresse schien den Neuankömmling kaum zu beachten, nur wenige Fahrberichte wurden publiziert.
Eine der Ausnahmen ist die Testfahrt, über welche die Zeitschrift “hobby” mit dem BMW-Rennfahrer Hans Stuck und einem Vorserienexemplar berichten konnte:
“Die Höchstgeschwindigkeit wird einem nur dann bewußt, wenn man auf den Tacho sieht oder das Rauschen der Ausstellfenster sich zum Donnern verstärkt. Sonst liegt der Wagen völlig ruhig auf der Straße. Der Achtzylinder macht keinen Lärm, nicht nur, weil er von Haus aus ruhig ist, sondern weil ein überdimensioniertes Ansauggeräusch-Dämpfsystem fast den gesamten oberen Motorraum ausfüllt.
Sehr sauber läßt sich das Vierganggetriebe mit dem kurzen Schaltknüppel schalten und noch nirgendwo fanden wir einen Rückwärtsgang, der sich so exakt einlegen läßt. Der kurze Schaltknüppel ist an der richtigen Stelle montiert. Sehr schön sind die runden Armaturen, noch schöner wären sie allerdings, wenn man die Skalen schwarz-weiß ließe und nicht modisch grau hielte.
Der 3200 CS ist also kein Rennwagen, aber auch durchaus keine 'Dolce-Vita-Damenkutsche'. Mit einem 12-Meter-Wendekreis-Radius bei einem Radstand von fast 3 Metern ist keine große Wendigkeit zu erzielen und das richtige Parken dürfte vor allem die sehr verehrten Damen am Steuer vor schwer zu bewältigende Aufgaben stellen.”
Für die USA sei er wohl hauptsächlich gedacht, vermuteten die hobby-Schreiberlinge, dies erkläre auch die elektrischen Fensterheber. Die Amerikaner waren wohl auch eher in der Lage, den stattlichen Kaufpreis (DM 29’850 oder CHF 46’500) aufzubringen, hoffte man zumindest.
Auch die Automobil Revue durfte sich anlässlich des Genfer Autosalons 1962 kurz hinter das Lenkrad des BMW 3200 CS setzen. Gelobt wurden das sorgfältig eingerichtete Interieur, die sicheren Fahreigenschaften mit fast neutralem, nur leicht untersteuerndem Eigenlenkverhalten. Auch das angenehm zu schaltende Getriebe und die gute Geräuschdämpfung wurden gelobt.
“Mit dem 3200 CS Bertone verfügt das Münchner Haus über ein Elitefahrzeug, das in jeder Beziehung den hohen Anforderungen seiner Klasse nachkommt; die Verbreitung dieses Coupés wird durch den verhältnismässig hohen Verkaufspreis natürlich beschränkt”, lautete das Fazit.
Nur gut drei Jahre lang gebaut
Gebaut wurde der BMW 3200 CS von 1962 bis September 1965. Die Karosserien wurden bei Bertone in Turin gefertigt, diese gingen dann zurück nach München, wo der Zusammenbau der Coupés erfolgte. Man unterscheidet rückwirkend zwei Serien. Die erste begann offiziell am 2. Mai 1962 mit der Erteilung der ABE, die zweite entstand ab Februar 1963 und wies im Gegensatz zur Serie 1 ein direkt am Motor angeblocktes Getriebe auf. Auch wurden die Fahrzeuge nun in München lackiert.
Geändert hatten sich bei Beginn der zweiten Serie auch der vordere Stossfänger, diverse Abdichtungen und die Einstiegsleisten. Zudem wurde der Kofferraumdeckel nun aus Alublech geformt. Riesig waren die Unterschiede also nicht.
Von der Serie 1 entstanden inklusive den Prototypen 175 Exemplare, als Serie 2 wurden weitere 428 Stück gebaut, in Summe also 602 Coupés und ein Cabriolet. Ein offener 3200 CS? Ja, der entstand 1962 als Einzelexemplar für “einen Kunden in Deutschland”. Das Interieur war komplett in Leder ausgekleidet, für das Öffnen und Schliessen des Faltdachs sorgte eine Elektro-Hydraulik.
Der Kunde war übrigens der BMW-Mehrheitsaktionär Herbert Quandt, die Chassisnummer des Cabriolets lautete auf 76.005. Es hat überlebt, wurde restauriert und u.a. am Concorso in Como gezeigt.
Einen direkten Nachfolger gab es (vorerst) nicht, die Kundschaft aber wurde ab 1965 mit dem bei Karmann gebauten deutlich günstigeren BMW 2000 Coupé beglückt.
In Würde gealtert
Dass der BMW 3200 CS aus den frühen Sechzigerjahre stammt, ist ihm sofort anzusehen. Sein Design wirkt wie schon damals klassisch ohne aufzufallen. Die Front ist typisch BMW, das Heck mit den kleinen Rückleuchten wirkt eher italienisch.
Einmal in die umfangreich gepolsterten Ledersitze gefallen, überrascht die Rundumsicht, die praktisch keine Einschränkung kennt. Die A-Säulen sind dünn, die C-Säulen noch dünner. Eine B-Säule gibt es nicht, die Türen sind rahmenlos. Alle vier Seitenscheiben können elektrisch komplett versenkt werden, damit ergibt sich schon fast ein Cabrioletgefühl.
Das Platzangebot ist dank über 2,8 Meter Radstand opulent. Auch auf den Rücksitzen fühlen sich selbst Erwachsene wohl.
Der Fahrer blickt auf konservativ gezeichnete Rundinstrumente und ein grosses Lenkrad. Im gefahrenen Exemplare war ein elegantes Nardi-Holzlenkrad montiert, die Serie verfügte über ein Kunststoff-Vierspeichenlenkrad.
Der Schalthebel ragt bis zum Lenkrad und liegt griffgünstig. Das Sortieren der vier Gänge erfordert kaum Konzentration und geht leicht von der Hand. Auch die Pedalerie erfordert keine überdurchschnittlichen Kräfte.
Gestartet wird per Zündschloss links vom Lenkrad. Sofort nimmt der V8-Motor im Bug seine Arbeit auf, ohne die Umwelt übermässig darüber zu unterrichten. Trotz seiner 1,5 Tonnen setzt sich das Coupé leichtfüssig in Bewegung und lässt sich problemlos in die gewünschte Richtung dirigieren. Das Fahrwerk lässt den Wagen geschmeidig abrollen, an Komfort mangelt es nicht.
Ein Rennwagen ist der 3200 CS sicherlich nicht, aber die Motorleistung des Alu-V8-Aggregats bietet mehr als genug Reserven für ein problemloses Mitschwimmen im Verkehr.
Die Ohren erfreuen sich am melodiösen Motorengeräusch, im Notfall sorgt die gemischte Bremsanlage für die angebrachte Verzögerung.
Der BMW 3200 CS ist ein Auto für den Connaisseur und Geniesser. Show-Effekte gehen ihm ab, er überzeugt durch innere Werte und sein schlicht-elegantes Äusseres.
Wir danken Lutziger Classic Cars , die den BMW 3200 CS von 1964 mit Schweizer Erstauslieferung und aus Langzeitbesitz im Verkauf hat, für die Gelegenheit zur Fotofahrt.
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