Als Audi an der IAA 1983 den Sport Quattro - damals nannte man ihn übrigens Quattro Sport - vorstellte, staunte die Welt nicht nur ob der gedrungenen Form, sondern auch ob des hohen Preises. Denn der kurze Quattro kostete rund zehnmal soviel wie der billigste Audi oder doppelt soviel wie der teuerste Mercedes jener Zeit. Für die 195’000 DM (160’000 Franken im Jahr 1985 in der Schweiz) konnte man fast zwei Porsche Turbo oder alternativ einen Rolls-Royce Silver Spirit kaufen.
Heute ist es allerdings umgekehrt, denn RM schätzt den in Arizona im Januar 2015 zur Versteigerung gelangenden weissen Audi Sport Quattro mit Baujahr auf USD 350’000 bis 475’000, also Euro 280’000 bis 380’000 oder CHF 339’500 bis 460’750. Dafür kriegt man heute locker fünf bis zehn Rolls-Royce-Limousinen der Achtzigerjahre. Die Anschaffung damals hätte sich also gelohnt, aber nur wenige griffen zu, so dass Audi von den 214 gebauten Fahrzeugen sogar über 60 behalten musste.
Basis für den Rallye-Sport
Dass Audi überhaupt auf die Idee kam, den kurzen Quattro zu entwickeln, lag am Gruppe-B-Reglement, das weit von der Serie entfernte und prototypen-ähnliche Fahrzeuge zum Start an der Rallye-WM zuliess, solange sie nur 200 Mal gebaut wurden. Lancia hatte mit dem Rallye 037 ein entsprechend kompromissloses Fahrzeug ins Rennen geworfen, Peugeot zog mit dem 205 T16 nach. Mit dem seriennahen Ur-Quattro hatte Audi da kaum noch Chancen.
Also wollte man die Karten neu mischen und ein Auto bauen, das im Sport erfolgreich sein konnte. Dazu musste es leichter, kürzer und kräftiger sein.
Vom Serien-Quattro blieb da nicht mehr allzu viel übrig, auch wenn der auf der IAA präsentierte Sport Quattro optisch immer noch nahe am bekannten “langen” Quattro lag.
Schweizer Karosserie aus Kunststoff
Die Karosserie liess man bei der Schweizer Firma Seger und Hofmann bauen. Über ein Jahr tüftelten die Ingenieure der Steckborner Firma am Herstellungsverfahren und den Werkzeugen. Das Ergebnis war ein Aufbau, der vier- bis fünfmal leichter war, als die Stahlblech-Karrosserie des Serienautos. Der Kotflügel wog nur gerade 1,3 kg, das Ach mit Seitenholm-Verkleidungen 5,3 kg. Möglich wurde dies durch die Verwendung von Kevlar im Vakuum-Pressverfahren. Die Herstellung und das Material waren aber sündhaft teuer, zudem verschlang alleine das Aushärten der Teile eine Wartezeit von 20 Stunden.
Die fertige Karosserie wurde dann über ein selbsttragendes Chassis gestülpt, das rundum an Dreieckslenkern einzeln aufgehängte und natürlich allesamt angetriebene Räder mit fetten Michelin-Semi-Rennreifen der Dimension 235/45 VR 15 aufwies.
Rennmotor
Auch beim Motor setze man Massstäbe, der 2133 cm3 grosse Fünfzylinder war nämlich der erste komplette Alumotor von Audi.
Vier Ventile pro Zylinder , ein Querstromkopf, zwei über Zahnriemen angetriebene Nockenwellen und ein KKK-Abgasturbolader mit Ladeluftkühlung entlockten dem Aggregat im Serientrimm 300 PS bei 6800 U/min. Optimiert für den Rennsport durften es dann über 600 PS sein.
Bessere Rallye-Tauglichkeit dank kurzem Radstand
Ganze 32 cm kürzer war der Radstand im Sport Quattro im Vergleich zum Ur-Quattro. Ausgelöst wurde diese Kürzung durch die Rallye-Fahrer, die erkannt hatten, dass auch ein Allrad-Auto auf Schotter quer schneller durch die Kurven bewegt werden konnte als auf der Ideallinie und ohne wesentliche Drifts. Nur war der “lange” Quattro für diese Prozedur für die meist schmalen Rallye-Pfade schlicht zu gross.
Die Kürzung wirkte sich aber natürlich auch auf das Fahrzeuggewicht senkend aus, nur bei der Ästhetik funktionierte sie nicht so ganz. Norbert Haug, der für die Zeitschrift Auto Motor und Sport einer der ersten war, die den Sport Quattro fahren durften, meinte damals, dass der Wagen so aussehe, als ob er bei zu heisser Wäsche geschrumpft sei.
Richtig schnell
Ästhetik stand aber natürlich nicht hoch auf der Prioritätenskala, obschon Front und Heck einen durchaus guten und die ausgestellten Kotflügel einen kräftigen Eindruck machten. Priorität hatten Fahrleistungen und Handling und hier kündigte Audi mit 250 km/h und 5,1 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h sensationelle Werte an.
Tatsächlich konnten diese Messwerte auch von der neutralen Presse bestätigt werden. Als erste Zeitschrift durfte die Automobil Revue den Sport Quattro im Frühling 1984 mit Messinstrumenten zu Leibe rücken.
Dabei ergab sich Erstaunliches. Statt der angekündigten 990 kg wurden exakt 1300 kg gemessen. Wer nun erwartet hätte, dass damit auch die Fahrleistungen gelitten hätten, sah sich eines Besseren belehrt. Exakt 5,1 Sekunden massen die AR-Tester für die Beschleunigung von 0 bis 100 km/h, 248 km/h wurden als Höchstgeschwindigkeit - natürlich als Mittel aus beiden Richtungen eruiert - notiert. Beeindruckend war auch das Durchzugsvermögen im obersten Gang. Von 60 bis 200 km/h vergingen nur gerade 35 Sekunden. Aus dem Stand waren übrigens 200 km/h in 23,1 Sekunden erreicht. Da konnten selbst die meisten Supersportwagen der Zeit nicht mithalten.
Dass die Spitzengeschwindigkeit nicht besser ausfiel, lag am überraschend schlechten Luftwiderstandsbeiwert von 0,44. Kühlung und Kürze waren halt für den Rallye-Sport wichtiger als eine windschlüpfige Form.
Und aus Fahrerperspektive?
Für den Fahrer präsentierte sich der Sport Quattro nicht wesentlich anders als "normale" Oberklassen-Audis. Recaro-Sitze erzeugten den notwendigen Seitenhalt, Instrumente und Knöpfe aus der Audi-Serie (Audi 200) erleichterten die Bedienung.
Nur hinten sitzen wollte man nicht, denn da war schlicht kaum Platz für die Beine.
Der Grenzbereich der Fahrmaschine war hoch, auf normalen Strassen nicht zuletzt auch wegen der Semi-Rennreifen kaum erfahrbar. Spürbar kurvenwilliger als der Original-Quattro sei die kurze Version, schrieb die Automobil Revue in ihrem Testbericht, leicht untersteuernd und leicht zu dirigieren das Fahrverhalten.
Das teuerste der Gruppe-B-Strassenfahrzeuge?
Der Sport Quattro, den es nur in fünf Farben gab, ist selten und sicher angenehmer im Alltag einsetzbar als die Konkurrenzprodukte von Lancia, Peugeot, MG oder Ford, die aktuell tiefer bewertet werden als der Audi. Nur der Ferrari 288 GTO figuriert wertmässig in einer anderen Liga, aber das ist man sich bei Autos mit dem springenden Pferd ja bereits gewöhnt.
Weitere Informationen
- Auto Motor und Sport Heft 17/1983, ab Seite 8: Vorstellung Audi Quattro Sport
- Automobil Revue Nr. 36/1983 vom 1.9.1983, Seite 2: Kurzfassung - Premiere Audi Quattro Sport an der IAA
- Auto Motor und Sport Heft 8/1984, ab Seite 124: Fahrbericht Audi Sport Quattro
- Automobil Revue Nr. 15/1984, Seite 17: Geprüft und gemessen - am Lenkrad des Audi Quattro Sport
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