Eigentlich hatte man von Aston Martin in den früheren Neunzigerjahren schon lange ein neues Modell erwartet, die Produktion der bisherigen Fahrzeuge war auf gerade einmal 127 Fahrzeuge pro Jahr geschrumpft. Als dann im März 1993 der DB7 auf dem Genfer Autosalon präsentiert wurde, war sein Erscheinen trotzdem eine riesige Überraschung.
Aston Martin - Ford - Jaguar
Bereits im Jahr 1981 hatte Aston-Chef Victor Gauntlett zu verstehen gegeben, dass man an einem weniger teuren und in grösseren Zahlen produzierten Aston Martin Sportwagen arbeite. Irgendwann erhielt dieses Projekt den Namen “DP1999”. Allerdings wurde daraus nie ein fertiges Auto, auf Grund der angespannten Situation präferierte man die Verjüngung des V8-Astons, der Virage war das Ergebnis davon.
Im September 1987 wurde Aston Martin von Ford übernommen, was Hoffnungen auf ein neues Modell und eine massive Steigerung der Produktion neuen Antrieb gab. Doch es sollte noch etwas dauern, bis tatsächlich ein komplett neuer Aston Martin präsentiert werden konnte.
Gefällige Verpackung
Im November 1989 übernahm Ford auch noch Jaguar und dies ebnete den Weg für ein neues Projekt, das schliesslich den Namen “NPX” erhielt, was für “Newport Pagnell eXperimental” stand. Dahinter verbarg sich der Ansatz, auf Basis der Technik des Jaguar XJS und des nie komplett fertiggewordenen XJ41/42 (in der Presse als F-Type herumgereicht) einen neuen GT-Sportwagen für Aston Martin zu entwickeln. Die Hauptarbeit leistete TWR (Tom Walkinshaw Racing), ein bewährter Entwicklungspartner, der sich bereits beim Jaguar XJ220 verdient gemacht hatte.
Auch die geplante Fabrik für den neuen Sportwagen stammte aus der TWR-XJ220-Ära. Walter Hayes, der Aston-Chef, der auf Gauntlett gefolgt war, überzeugte die Geldgeber von Ford von der Idee und bereits im Jahr 1992 gab es erste Prototypen, die eine überaus elegante Karosserie aus der Hand des etwa 35 Jahre alten Ian Callum, den Walkinshaw von Ghia übernommen hatte, trugen. Wie von ihm erwartet, hatte Callum geschickt die Essenz der eleganten Sechzigerjahre-Astons in die Neunzigerjahre übertragen.
Vorstellung am Genfer Autosalon in Genf
Im März 1993 feierte der inzwischen Aston Martin DB7 genannte Sportwagen in Genf seine Weltpremiere und war dort die sicherlich eine der meistbeachteten Salon-Überraschungen. Und dies durfte etwas heissen, schliesslich kämpfte er dort zusammen mit den brandneuen McLaren F1 oder einem umfangreich überarbeiteten Lotus Esprit S4 um die Aufmerksamkeit des Publikums.
Obschon der neue Aston vermutlich ohne Motor auf dem Stand gezeigt wurde, gab man schon einiges preis, was seine Spezifikation anbelangte: 3,2 Liter Hubraum, zwei obenliegende Nockenwellen, 340 PS bei 5500 Umdrehungen dank Eaton-Kompressor. 1650 kg Leergewicht wurden angekündigt und eine Höchstgeschwindigkeit von 266 km/h sowie eine Zeit von 5,57 Sekunden für die Beschleunigung von 0 bis 100 km/h. Als Kraftübertragung standen ein Fünfganggetriebe und eine Vierstufenautomatik, Klimaanlage und Airbag sollten Serienausstattung sein. Und all das würde deutlich weniger kosten als die bisherigen V8-Modelle. Was für ein Einstand! Kein Wunder konnte schnell einige Hundert Bestellungen notiert werden.
Doch, bis die Käufer ihren eigenen DB7 starten konnten, sollten noch rund 1,5 Jahre vergehen.
Produktionsbeginn erst 15 Monate später
Es war noch einiges an Arbeit nötig, bis der DB7 im September 1994 in Produktion gehen konnte. Rund 800’000 Testkilometer waren, u.a. auch von Jackie Stewart, gefahren worden, 170 Ingenieure hatten mit 30 Prototypen gearbeitet. Die hintere Radaufhängung wurde massgeblich modifiziert und wies nun doppelte Dreieecksquerlenker auf, während vorne ein ähnliches Konstrukt für die Radführung sorgte.
Äusserlich waren die Unterschiede zwischen der Serienversion und dem Genfer Prototyp gering, auch im Interieur hatte sich überraschend wenig geändert. Gerade dies wurde dem Aston Martin dann allerdings bald angekreidet, denn so manches stammte aus vom Ford Scorpio und anderen Konzernmodellen. Dass Aston Martin sparen musste, zeigte sich auch an anderen Details, etwa Blinkerleuchten vom Mazda MX5 oder den Türgriffen des Mazda 323.
Einstiegs-Aston
Optisch war der schlussendlich für CHF 183’000 oder DM 211’200 angebotene Aston Martin DB7 aber eine Wucht. Eleganter wirkte keiner seiner direkten Konkurrenten, allerdings stand es mit der Verarbeitungsqualität am Anfang noch nicht zum besten.
In den ersten Testberichten wurden die Platzverhältnisse, der insgesamt gute Fahrkomfort, die sicheren Fahreigenschaften, aber auch die überzeugenden Fahrleistungen (0 bis 100 km/h in 6,3 Sekunden, 269 km/h Spitze bei AMS) gelobt. Allerdings störte die Motorakustik, die manchen Testfahrer wegen des Kompressorwimmerns an eine Strassenbahn erinnerte. Und auch ein Testverbrauch von 16,8 Litern pro 100 km störte umweltorientierte Naturen.
Klaus Westrup (AMS) jedenfalls war vom Gebotenen nicht ganz überzeugt, relativierte aber:“Traumwagen haben ihre eigenen Gesetze. Prinz Charles wird ihn bezahlen können, und die 699 anderen auch.” Ob Prinz Charles allerdings je einen Sechszylinder-DB7 kaufte, ist nicht verbürgt.
Während der Sechszylinder zwar die Kosten tief hielt, offenbarte er ein zu Anfang vermutlich nicht erwartetes Problem: Er war nicht in der Lage, die stetig strengeren US-Abgasnormen einzuhalten, während der Absatz in den Staaten allerdings von eminenter Wichtigkeit war. So musste Abhilfe geschaffen werden.
Endlich der richtige Motor
Wiederum auf dem Genfer Autosalon, sechs Jahre nach seiner Weltpremiere, erlebte der DB7 zum zweiten Mal eine grosse Vorstellung, dieses Mal in Form der Zwölfzylinder-Variante. Der Motor war zwar keine echte Überraschung, schliesslich hatte er im Projekt “Vantage 12” bereits ein Jahr zuvor für Furore gesorgt. Aber dass gerade dieser fest sechs Liter grosse V12 auch im DB7 kommen würde, das konnte man erst im März 1999 erfahren.
Vier obenliegende Nockenwellen und 48 Ventile wies der mächtige Motor auf, war dabei aber nur unwesentlich schwerer geraten als der DB7-Kompressor-Sechszylinder. Das Aggregat baute auf dem V6-Ford-Mondeo-Motor auf, doch Cosworth hatte intensiv daran gearbeitet, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass hier ein richtiger Musterknabe entstanden war. 420PS bei 6000 Umdrehungen leistete der V12, als höchstes Drehmoment wurden 540 Nm bei 5300 Umdrehungen notiert. Dabei sollte der Motor sparsam sein. Nur 12,8 Liter Superbenzin habe sich der V12 auf 120’000 Versuchskilometern genehmigt, so die damaligen Presseberichte.
Während die ersten Motorenversuche noch mit unveränderten Sechszylinder-Prototypen erfolgten, musste der V12 Vantage dann doch einige Überarbeitungschritte über sich ergehen lassen.
Als Getriebe kam nun eine Tremec-Sechszylinderschaltbox zum Einsatz, eine Automatik-Option mit fünf Stufen gab es natürlich weiterhin. Die Aufhängungen wurden umfangreich angepasst, hinten sorgte nun ein Hilfsrahmen für mehr Komfort.
Auch das Äussere wurde sanft angepasst, wirkte mit grossen Nebelscheinwerfern und einem neu geformten Kühlergrill etwas maskuliner und agressiver. Die Aussenabmessungen (4,67 m x 1,83 m x 1,24 m) waren aber weitgehend unverändert geblieben, auch wenn der Wagen grösser wirkte.
Teurer und sportlicher
Im Innern hatte sich wenig verändert, weiterhin gab es feines Leder, edles Holz und Ford-Knöpfe und Hebel zu bewundern. Und auch ans Radio kam man bei eingelegter erster Fahrstufe nur schlecht heran. Die CD konnte man nur in den Gängen 2, 4 und 6 wechseln.
Allerdings war der DB7 doch um einiges teurer geworden und diesen Mehrpreis musste er rechtfertigen. Mit DM 237’500 stand das V12-Coupé in den deutschen Preislisten. Die versprochene Sparsamkeit konnte der Wagen dabei nicht bieten: “Unter 18 L/100 km spielt sich wenig ab”, konstatierte Wolfgang König für AMS.
Immerhin bot der Aston dafür standesgemässe Fahrleistungen (0 bis 100 km/h in 5,6 Sekunden, Spitze 286 km/h), auch wenn die Werksangaben mit dem gefahrenen Exemplar nicht egalisiert werden konnten. König dazu lakonisch: “Es steht zu vermuten, daß beim Testwagen die PS nicht ganz vollzählig zur Stelle waren. Zur Beruhigung sei aber hinzugefügt: In Anbetracht des Gebotenen darf man dieses Versäumnis getrost als Schönheitsfehler betrachten”.
Nichts zu mäkeln gab es am Fahrwerk und an den Bremsen und auch die Kritik an der rauen Laufkultur im oberen Drehzahlbereich war nebensächlich, schliesslich überzeugte das “vielstimmige Crescendo, das unter die Haut geht”.
In einer eigenen Liga?
Ungefähr ein Jahr nach dem Einzeltest liess Auto Motor und Sport den DB7 Vantage auch noch im Vergleich zu anderen Elite-Sportwagen antreten. Allerdings muss die Wahl des Ferrari 360 Modena als Massstab doch eher erstaunen. Und gegen den Porsche 911 (996) Turbo hatte der DB7 in der nüchternen Punktewertung auch keine Chance, nur gerade bei der Kofferraumgrösse und beim Federungskomfort konnte sich der Aston durchsetzen, am Schluss landete er auf dem undankbaren letzten Platz.
Aber eigentlich wären sowieso eher Autos wie der BMW 850i, der Porsche 928 oder der Ferrari 550 Maranello die richtigen Gegner gewesen, aber die ersten beiden wurden zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr produziert und der Ferrari spielte preislich in einer anderen Liga. Vielleicht hatte der DB7 Vantage einfach gar keine Konkurrenten im eigenen Segment?
Erfolgsgeschichte mit unerwarteten Wendungen
Insgesamt wurde der Aston Martin DB7 eine Erfolgsgeschichte, gesamthaft wurden von 1993 bis 2004 rund 7000 Exemplare in den unterschiedlichsten Ausprägungen gebaut. Dazu gehörten neben Volante-Varianten auch die raren Zagato-Derivate.
Im Jahr 2019 kann der DB7 seinen 25. Geburtstag feiern, wenn man den Produktionsbeginn als Massstab nimmt. Als sicher gilt, dass die Aston-Martin-Geschichte ohne DB7 sicherlich ganz andere Wendungen genommen hätte, gilt das elegante Coupé doch auch als Retter der Marke.
Aber auch so lief lange nicht alles wie geplant, denn einen Zwölfzylinder hatten die Aston-Entwickler ursprünglich kaum vorgesehen. Diese Motorisierung war hauptsächlich den Amerikanern zu verdanken, bei denen der DB7 sehr populär war. Da konnte selbst seine geringe Innenhöhe und ergonomische Schwächen im Cockpit die Nachfrage nicht bremsen.
Das Werk in Bloxham, in dem der DB7 von Anfang bis Ende gebaut wurde, diente übrigens einzig diesem Zweck, solange es in den Händen von Aston Martin war. Alle Astons vor- und nachher wurden in anderen Produktionsstätten gebaut.
Selten gebliebene Sechsgänger
Es wurden etwa 1200 V12 Coupés mit 6-Gang-Handschaltung (von gemäss Aston Martin 4431 V12-Coupés insgesamt) gebaut, eines davon wird im August 2019 von RM/Sotheby’s in Monterey versteigert.
Die Farbe “Diamond Blue Silver” steht dem Wagen ausgezeichnet und die Laufleistung von gerade einmal 3200 Meilen sowie die umfangreiche Sammlung an Belegen/Rechnungen weisen auf pflegliche Behandlung hin. Man darf gespannt sein, für welche Summe dieser attraktive Aston den Besitzer wechseln wird.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 9 (Nummer 9/10) / 1993 vom 4. März 1993 - Seite 29: Tradition verpflichtet (DB7)
- AR-Zeitung Nr. 11 / 1993 vom 11. März 1993 - Seite 39: Aus England viel Neues
- AR-Zeitung Nr. 31 / 1994 vom 28. Juli 1994 - Seite 25: DB7 geht in Produktion
- AR-Zeitung Nr. 44 / 1994 vom 27. Oktober 1994 - Seite 27: Am Lenkrad des Aston Martin DB7
- auto motor und sport / Nr. 23 / 1994 - Seite 10: Nicht von schlechten Eltern (DB7)
- auto motor und sport / Nr. 2 / 1995 - Seite 29: Culture Club (Test Aston Martin DB7)
- AR-Zeitung Nr. 10 (Nummer 10/11) / 1999 vom 11. März 1999 - Seite 3: Vorstellung Aston Martin DB7 V12
- auto motor und sport / Nr. 14 / 1999 - Seite 70: Test Aston Martin DB7 Vantage
- AR-Zeitung Nr. 33 / 1999 vom 12. August 1999 - Seite 3: Aston Martin DB7 Vantage
- auto motor und sport / Nr. 10 / 2000 - Seite 18: Vergleichstest Aston Martin DB7, Ferrari 360, Porsche 911 Turbo
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