Im Heimatland von Daimler und Benz haben 'Amis' jeglicher Couleur nur geringe Chancen. Diese Wahrheit bekam Opel seit Jahren im Verkauf der großen Drei - Kapitän, Admiral und Diplomat - zu spüren, sie scheiterten ganz einfach an den Autos, die die Nachfahren von Daimler und Benz unter dem 'guten Stern auf allen Straßen' prestigebesessenen Käufern anbieten.
Man hat nichts gegen Opel hierzulande, das beweist die Rangfolge in der Verkaufsstatistik, nach der Opel mit dem Kadett wie dem Commodore so hoch in der Käufer Gunst steht, daß Rüsselsheim in der Gesamtproduktion seit vielen Jahren den zweiten Platz hinter dem Giganten aus Wolfsburg behauptet. Man hat auch nichts gegen die Sechszylinder; so wurde das Rekord-Geschäft neu belebt, als man den Rekord mit dem Sechszylinder in der Version des Commodore herausbrachte. Damit ist auch bewiesen, daß man generell nichts gegen höhere Marinedienstgrade hat.
In Rüsselsheim rauchten die Köpfe: Wie bringen wir die drei Großen wieder auf den Markt, wie kommen wir zu opelgerechten Verkaufsziffern, wie kommen wir gegen die Mercedes-Phalanx an? Chevrolet V8 und Hydramatic, über 200 km/h Spitze, alles das zog nicht beim Diplomat, das war alles so amerikanisch wie die Blattfederhinterachse. Also weg mit den Blattfedern und her mit einer besonders feinen Hinterachse, die sogar bei Formel-1-Rennwagen im Gespräch ist (Lotus), nämlich mit der De-Dion-Achse!
Außen Ami - innen Europäer ...
Ehrlich: Weiter kann ein Tochterwerk von General Motors nicht gehen! Wird der Käufer das honorieren? Ist der große Opel nunmehr gesellschaftsfähig? Opel ging noch einen Schritt weiter: VW machte viel Furore mit der elektronischen Bosch-Einspritzung. Nun hat der 2,8-Liter-Sechszylinder auch eine. Kann man noch mehr tun?
Man kann: Einspritzer und V8 haben nun Scheibenbremsen an allen Rädern! Wir meinen, Opel hat jetzt so viele Zugeständnisse an den europäischen Käufer gemacht, und man kann wirklich nicht mehr sagen: Na schön, so ein nachgemachter Ami. Wenn ein großes Auto überhaupt modern und europäisch ist, dann ist es heute auch der große Opel!
Was uns an den Opel-Technikern immer wieder imponiert, das ist ihr Beharrungsvermögen, sich gegen die Auffassungen der großen Mutter in den USA durchzusetzen. Wäre das den Kollegen in Köln vergönnt, so könnten sie sich viel Ärger ersparen und die Mühe, an einer Hinterachse herumzubosseln, die in Europa eben nicht mehr up to date ist.
Hinterachse wie aus dem Bilderbuch
Im Opel-Programm waren die KAD (Kapitän/Admiral/Diplomat)-Modelle die letzten Typen mit Blattfedern an der Hinterachse. Nun endlich hat Hans Mersheimer reinen Tisch gemacht und den Neuen eine Doppelgelenkachse nach dem de-Dion-Prinzip verpaßt, einem Führungsrohr mit zwei Längslenkern zur Aufnahme der Schub- und Verzögerungskräfte sowie einem Dreieckslenker zur Aufnahme der Seitenführungskräfte.
Das ist gewiß eine Hinterachse wie aus dem Bilderbuch, aber leider sieht sie der Durchschnittskäufer unter dem Karosserieblech nicht. Diese Hinterachse ist die entscheidende technische Änderung beim Fahrwerk, die andere Änderung betrifft die Motoren.
Verbesserte Motoren
Die KAD-Modelle waren bislang mit den 2,8-Liter-Sechszylindern von 125 und 140 PS, sowie mit dem 4,6-Liter-V8 von 190 PS und dem 5,4-Liter-V8 von 230 PS zu haben. Der 4,6-Liter ist nicht mehr im Programm, an seine Stelle ist ein Motor getreten, den man als '280 SE' bezeichnen könnte. Und da der Mercedes 280-SE-Motor 160 PS leistet, bringt der Opel 2,8-Liter-Einspritzmotor fünf PS mehr.
Eine weit verbesserte Straßenlage und fünf PS mehr, das sind schon Argumente für den Opel-Verkäufer. Außerdem haben Mercedes-Autos sechs bis elf Monate Lieferfrist, möglicherweise hat Opel hier mit seinen verbesserten Modellen eine weitere Marktchance.
Echter Fahrnutzen
hobby hat die Neuen im Prüfgelände von Dudenhofen probiert und dabei festgestellt, daß sich das verbesserte Fahrwerk schon sehr bemerkbar macht: Das Versetzen, das Trampeln in schnellen Kurven mit welligem Untergrund ist verschwunden. Verschwunden sind auch die 15-Zollreifen für die Modelle mit V8-Motoren, und die 6Jx14-Felgen sind für alle Modelle serienmäßig: 7.00 H 14-Reifen für die Normalausführungen, 195H 14-Reifen für Einspritzer und V8.
Die beiden Sechszylindervergasermotoren unterscheiden sich nur durch die Anzahl der Vergaser: Mit einem Zenith leistet der eine Motor 132 PS bei 5200 U/min (bisher 125 PS bei 4800 U/min), mit zwei Zenithvergasern leistet der H-Motor 145 PS bei 5200 U/min, bisher 140 PS bei 4900 U/min. Die Erhöhung der Nenndrehzahl bringt die Mehrleistungen, da die Drehmomentwerte unverändert sind.
Mit Einspritzung
Am 5,4-Liter-V8-Motor hat sich nichts geändert, also ist der Einspritzer die wahre Neuheit. In den Abmessungen und der Verdichtung gleich mit den Sechszylindern, bringt die elektronisch gesteuerte Bosch-Benzineinspritzung eine deutliche Anhebung des Drehmoments und im Verein mit einer Steigerung der Nenndrehzahl auf 5600 U/min eine Leistung von 165 PS. Wir hätten eigentlich eher einen Opel Rekord mit Dieselmotor erwartet als diesen Benzineinspritzer, den man sowohl im Admiral als auch im Diplomat haben kann.
Mit einer Spitze von 190 km/h kommen Admiral und Diplomat knapp an jene des Mercedes 280 SE heran, aber was über 180 km/h hinausgeht, das steht praktisch meist nur auf dem Papier, das geduldiger ist als eine Fahrzeugkolonne auf einer deutschen Autobahn.
Der Diplomat mit dem 5,4-liter-V8 ist nach wie vor knapp über 200 km/h schnell, während die beiden Sechszylinder in S- und H-Ausführung Geschwindigkeiten bis zu 175 und 182 km/h schaffen.
Scheinwerfer als Prestigesymbole
Rund oder eckig, so ist es bei den kleinen Ford der Brauch. Auch bei Daimler-Benz unterschieden sich einst die 'Kleinen' und die 'Großen', bis die neue Generation mit den alten Statussymbolen Schluß machte (was mancher Mercedes-Fahrer gehobenen Typs sicher sehr bedauert).
Hoch steht nunmehr der Diplomat mit seiner vertikalen Leuchteinheit über Kapitän und Admiral, die noch die Breitstrahler im Grill tragen. An Grill und Heck wurden mit stilsicherer Hand die hauptsächlichen Retuschen vorgenommen, aber nach wie vor guckt an allen Ecken der 'Ami' durch, der kompakte Straßenkreuzer.
Mit GM-V8 und GM-Getriebeautomatik ist dieser Eindruck noch verstärkt, das Fahrwerk aber ist gut europäisch!
Bonbons bei der Ausrüstung
Allerdings kommen Einspritzer und Diplomat auch in der technischen Ausrüstung zu Bonbons, die man den Grundtypen gerne wünschen würde. So die serienmäßige Ausrüstung mit Scheibenbremsen hinten (mit Extratrommel für Handbremse), die Belüftung aller Bremsscheiben und einem Bremskraftbegrenzer für die Hinterräder.
Auch die Servolenkung ist nur bei den beiden Spitzenmodellen serienmäßig wie die Ausrüstung mit Reifen der Größe 195 H 14. Der V8-Motor wird nur in Verbindung mit dem Hydramatic-Getriebeautomaten geliefert, ein Vierganggetriebe mit Mittelschaltung gibt es serienmäßig nur für den Einspritzer, ansonsten kostet es Aufpreis.
Für alle Modelle - außer mit V8-Motor - kann man auch das automatische Opel-Dreiganggetriebe bekommen.
'Paprika' aus dem Einspritzer
Auf dem Prüffeld kam es an den Tag. Wie der Einspritzer mit der Opel-Automatik Zusammenarbeit, das konnten wir auf dem Prüffeld in Dudenhofen beim Beschleunigen gut feststellen: Nach der Tachoeichung (5 Prozent Voreilung) maßen wir folgende Werte:
- 0-80 km/h 7,0 sec
- 0-100 km/h 10,4 sec
- 0-120 km/h 14,2 sec
- 0-140 km/h 20,3 sec
Das sind sehr gute Zeiten für einen Wagen mit 165 PS, der 1530 kg leer wiegt.
Reichen Technik und Temperament?
Temperamentvoll sind sie also, die Neuen aus Rüsselsheim, und auch sonst bestehen Chancen, daß sie sich besser durchsetzen werden als ihre Vorgänger.
Es fragt sich nur, aus welchen Gründen die Mehrheit der Käufer in dieser großen Klasse entscheidet: Sind es technische Überlegungen, oder ist es der Prestigewert? In der Technik haben die neuenOpel mächtig aufgeholt, an Ausstattung ist nirgendwo gespart, es gibt also eine Menge Auto für nicht wenig Geld. Ford wird in erster Linie die Neuen aus Rüsselsheim zu spüren bekommen, weniger Mercedes, ganz zuletzt BMW.
Ob die Rechnung aufgeht, darüber werden bald die Käufer entscheiden müssen. Im äußeren Erscheinungsbild - aber auch von der etwas tristen Armaturengestaltung - reißen uns Opels Neue nicht gerade vom Stuhl. Doch angesichts der technischen Verbesserungen müssen wir vor den Opel-Ingenieuren den Hut ziehen: Hervorragende Arbeit, die leider für den oberflächlichen Käufer vom Karosserieblech verdeckt wird!
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