Viele Oldtimer-Freunde kennen die berühmte Alfa Romeo Giulia, die viertürige Limousine mit dem speziell geformten Heckdeckel, und natürlich auch das Coupé Giulia Sprint GT, den direkten Vorgänger des Bertone GTVs. Dass es aber auch eine offene Version dieses Giulia GT gab, GTC genannt, wissen nur wenige und bereits in den Sechzigerjahren war die offene Giulia GTC mit knapp 1’000 produzierten Exemplaren eine Rarität.
Das Beste aus zwei Welten?
Die Alfa Romeo Giulia GT hatte sich in das Herz der Alfisti gefahren und erfreute sich einer grossen Beliebtheit. Mit ihren vier Sitzen taugte sich auch für den Transport einer kleinen Familie oder den Ausflug mit Freunden. Mancher Alfa-Käufer aber schielte zum Himmel und bevorzugte offene Autos. Wer aber mehr als zwei Sitze benötigte, konnte nicht zum Giulietta Spider greifen. Mit einer offenen Version der Giulia GT, offiziell vorgestellt im Jahr 1965, wollte man genau dieses Segment abholen.
Die Giulia Sprint GT als Basis
Keinen Grund für Experimente gab die Wahl der technischen Basis. Mit dem Alfa Romeo Giulia Sprint GT waren die Ingredienzen und Leistungsdaten vorgegeben. 1’570 cm3 gross war der mit zwei Nockenwellen ausgerüstete Reihenvierzylinder-Leichtmetallmotor, 106 DIN-PS holte er aus diesem Hubraum bei 6’000 U/Min heraus.
Die Einzelradaufhängungen vorne und die Starrachse hinten entsprachen genauso der Giulia Super, wie die Vierradscheibenbremsen mit Servounterstützung von Dunlop. 4,08 Meter lang und 1,58 Meter breit war das Cabrio, das 1’040 kg (in der Verkaufsliteratur stand allerdings 950 kg Trockengewicht) auf die Waage brachte.
Gebaut bei Touring
Carrozzeria Touring baute die von Bertone gelieferten Rohkarosserien zum Cabriolet (Typenbezeichnung 105.25/105.29 für den Links- und Rechtslenker) um. Dazu musste die tragende Basis mehrfach verstärkt werden. Spezialisten wundern sich heute, über die je nach Fahrzeug unterschiedlichen Verstärkungsmassnahmen, die sie bei Restaurierungen vorfinden, ein Zeichen dafür, dass man bei Touring über die Zeit dazulernte. Tatsächlich standen die GTC-Modelle unter dem Ruf, nicht sehr verwindungssteif zu sein. Auch die Tatsache, dass die Cabrios nicht schwerer (oder gar leichter?) waren als das geschlossene Serienpendant, sind nicht das beste Indiz dafür, dass man genügend in Verstärkungsmassnahmen investierte. Dies, aber noch viel mehr die finanziellen Schwierigkeiten, unter denen Touring litt, führten zur geringen Stückzahl und zur kurzen Bauzeit (1964-1966).
Optisch aber überzeugte der GTC. Vor allem offen sah er hinreissend aus, geschlossen wirkte die (ungefütterte) Kapuze wie auch bei anderen viersitzigen Cabrios etwas plump.
Das GTC-Interieur entsprach weitgehend dem des Coupés, überhaupt waren die sichtbaren Unterschiede zwischen der offenen und der geschlossenen Variante vergleichsweise gering.
Geringer Preisaufschlag früher, heute dafür umso mehr
1966 kostete der GTC (in der Schweiz) gleich viel wie der Sprint GT Veloce, gegenüber dem Sprint GT war er mit CHF 16’900 gut CHF 1’100 teurer. In Deutschland wurden bei der Markteinführung 1965 DM 17’450 verlangt. Mit diesem Preis übertraf er auch den Duetto Spider und den zweisitzigen Giulietta Spider mit dem 1600-er-Motor deutlich.
Inzwischen haben sich die Verhältnisse allerdings gewandelt. Rund Euro 45’000 bis 50’000 (CHF 54’000 bis 60’000) werden gemäss Classic Data heute für einen sehr gut erhaltenen GTC verlangt, rund doppelt soviel wie für das Coupé oder den Duetto. Die geringe Stückzahl von (maximal) 1’000 Exemplaren (davon 99 als Rechtslenker) und die hohe Verlustrate (Totalschäden, Rostzerfall, etc.) sorgen für stetig steigende Preise. Und auch Fälschungen, also nachträglich aufgeschnittene Giulia GT sollen bereits beobachten worden sein. Also aufpassen beim Kauf!
Offenes Konzertvergnügen
Der Doppelnockenwellenmotor von Alfa Romeo ist bekannt für seine sympathische, heisere Aussprache und nirgends kann das Konzert so genossen werden, wie im offenen Auto. Im GTC können sich sogar vier Personen, einigermassen bequem untergebracht, gleichzeitig der Ansaug- und Auspuffgeräusche erfreuen. Der Einstieg nach hinten gelingt (bei offenem Dach) einfacher als bei der geschlossenen Variante, obschon dem Faltdach ein wenig Sitzraum (und etwas mehr Gepäckraum) geopfert werden musste.
Wer bereits mit irgendeinem Modell der Giulia-Baureihe gefahren ist, wird sich im GTC sofort zurechtfinden. Typisch für damals sind die stehenden Pedale, der Schalthebel bietet die direkteste Verbindung zwischen Hand und Getriebezahnrädern.
Zum sportlichen Touren ist der GTC geradezu geschaffen, nie erreicht der Wind auf den Vordersitzen Orkanstärke. Die Bedienungskräfte für Lenkung, Kupplung, Schaltung und Bremsen halten sich in Grenzen, die Rundumsicht und die Übersichtlichkeit sind perfekt. So können auch längere Strecken zum nächsten Concorso d’Eleganza problemlos auf Achse zurückgelegt werden.
Der hier gezeigte Alfa Romeo Giulia GTC wurde uns von der Firma allcarta zur Verfügung gestellt. Wir danken!.
Weitere Informationen
- Automobil Revue Nr. 10/1965 vom 11. März 1965, ab Seite 9: Drei neue Typen im Alfa Romeo Bauprogramm
- Oldtimer Markt Heft 10/1993, ab Seite 8: Alfa Romeo Giulia
- Motor Klassik Heft 9/2003, ab Seite 28: Alfa Romeo Giulia GTC
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