Als der Alfa Romeo GTV 6 (in ersten Vorstellungen stand auch GTV Sei) präsentiert wurde, hob man hervor, dass hier ein preisgünstiger Sportwagen entstanden sei, der die Lücke zwischen dem bisherigen Modellangebot von Alfa Romeo zu dem von Ferrari schliessen würde. Mit CHF 26’950.-, respektive DM 29’900.- war der Preis tatsächlich heiss, aber für uns Jungspunde, deren Erlaubnis, ein Auto zu fahren, nur wenige Jahre auf dem Buckel hatte, war er genauso unerreichbar, wie ein First Class Ticket von Pan Am nach New York. Wir fuhren einen gebrauchten Alfasud, Simca oder Opel und einen Neuwagen hatten wir bisher nur bei unseren Vätern gesehen. Der Reiz, der vom GTV 6 ausging, war aber enorm. Wir studierten den Verkaufsprospekt und die Testberichte in den Automagazinen vorwärts und rückwärts und träumten davon, irgendwann den brillianten Sechszylinder selber starten zu dürfen.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass man für den Preis eines GTV 6 damals auch fast zwei VW Scirocco oder einen BMW 528i kaufen konnte. Dass der neu erschienene Porsche 944 wesentlich teurer war, nützte da wenig.
Ein konsequenter Schritt vorwärts und Erfolg im Markt
Für Alfa Romeo war der GTV 6 ein konsequenter Schritt vorwärts gesehen. Man hatte ja bereits den neu entwickelten Sechszylindermotor aus dem schwer verkäuflichen Alfa Sei und das Coupé Alfetta GT verlangte dringend nach einer Auffrischung. Die Modellpflege war aber konsequent und erfolgreich. Aussen durch mehr Plastik und Gummi, aber vor allem einen eindruckheischenden Buckel auf der Motorhaube modifiziert, schaute der GTV 6 durchaus attraktiv aus. Innen wurde das Interieur aufgefrischt und die Armaturen endlich in einem konventionellen Layout angeordnet (die Alfetta GT hatte nur den Drehzahlmesser vor dem Lenkrad, die übrigen Instrumente aber in der Mitte des Armaturenbrettes) und damit war der GTV, der neben der Sechszylinder-Ausführung auch als Zweiliter, wenn auch ohne Buckel auf der Motorhaube, ausgeliefert wurde, bereit für seine zweite Karriere. Und diese war ziemlich erfolgreich, es wurden zwischen 1981 und 1986 immerhin 22’318 Exemplare des GTV 6 verkauft, die letzten Modelle waren auch mit Katalysator erhältlich, was eine geringe Leistungseinbusse (rund 4 PS weniger) zur Folge hatte.
Einer der ganz Schnellen damals
Anfangs der 80-er-Jahre war man mit dem GTV 6 einer der schnelleren. In gut 8 Sekunden beschleunigte der Wagen von 0 bis 100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 210 - 220 km/h hatten nur wenige zu bieten, vor einem Opel Rekord oder Mercedes Benz 230 E musste man auf jeden Fall keine Angst haben und auch zur GTI-Fraktion konnte man einen gebührenden Abstand halten. Einer der schönsten war man sowieso, denn die Form der Alfetta GT hatte sich dank der Verjüngungskur als ziemlich zeitlos erwiesen und auch heute noch sieht der GTV 6 mit seinen glatten Karosserieflanken und den grossen Fensterflächen blendend aus und hat auf jeden Fall die Zeit besser überstanden, also manche Alternative.

Zurück zum Motor, den lobten die Fachzeitschriften über den Klee (sagt da jemand Quadrifolio?) hinaus. Statt der sechs Dell’Orto-Einfachvergaser hatte man, den amerikanischen Umweltvorschriften genügend, eine Bosch-L-Jetronic verbaut. Dies raubte der Maschine zwar etwas die Wildheit und wohl auch ein bisschen von der Musik, aber mit dem was davon übrig blieb konnte man angesichts der gestiegenen Manieren und insbesondere des gesenkten Durstes gut leben. Die Geräuschentwicklung wurde trotzdem überall gelobt. Michael König beschrieb das in Auto Motor und Sport wie folgt: “Jenseits dieser Grenze (4000 U/min) offeriert das klaglos bis 6300 U/min drehende Alfa-Triebwert dann das markentypische, grollende Ansauggeräusch und einen Auspuffton, der immer wieder den Eindruck erweckt, als hätte sich ein Akustik-Ingenieur monatelang mit seiner Abstimmung beschäftigt.”
Die zeitgenössischen Testfahrten endeten mit Verbräuchen zwischen 10 und 14 Litern, bei schneller Fahrweise konnten es auch mal 15 oder 16 Liter sein, insgesamt zeigte das schnelle Coupé aber für die damalige Zeit durchaus akzeptable Trinksitten.
Technisch mit seinen Vorgängern eng verwandt
Von seinem Vorgänger, der Alfetta GT, hatte der GTV 6 das grundsätzliche Layout übernommen. Entsprechend verfügte auch das Sechszylinder-Coupé über ein nach dem Transaxle-Prinzip hinten verbautes Getriebe. Dies führte zu langen Schaltwegen und einer unexakten Schalthebel-Führung und motivierte den Fahrer dazu, die Elastizität des Motors eher mehr als weniger auszunutzen. Gerade Alfa-Fans, die mit Giulia, Bertone GTV oder Spider grossgeworden waren, vermissten das direkte Rühren im Getriebe. Aber auch markenfremde Piloten wurden von der schwierigen Schaltarbeit abgeschreckt.
Auch das Fahrwerk mit der De-Dion-Hinterachse wurde direkt vom Vorgänger übernommen. Während die AR den Wagen als “fahrsicher” bezeichnete und ihm attestierte, dass er auch gröbere Fahrfehler verzeihe, wies Auto Motor und Sport auf ein unvermitteltes Übersteuern hin, das bei schnellen Strassenkrümmungen auftreten können. Zufrieden mit Handlung und Fahrverhalten zeigten sich dahingegend Sport Auto, während die Auto-Illustrierte monierte, dass sich der Alfa nahe an der Haftgrenze nicht mehr präzise dirigieren lasse und etwas träge über alle Räder zu rutschen beginne. Die meisten Tester kritisierten die fehlende Servolenkung, doch Alfa Romeos Filippo Surace parierte das mit “ein Sportwagen ist schliesslich etwas für Männer”.
Früher ausladend, heute kompakt
Auch die Karossserie des GTV 6 stammt direkt vom Vorgänger, dem Alfetta-Coupé. Mit 4.26 m Länge 1.66 m Breite und rund 1’250 kg Gewicht war dies in den Zeiten, wo ein Golf 750 kg wog und 3.9 m lang war, ein ausladendes Auto. Aus heutiger Sicht muss man das Fahrzeug aber schon fast als kompakt und leichtgewichtig bezeichnen. Die Platzverhältnisse vorne waren, mit Ausnahme einer leicht eingeschränkten Kopffreiheit, gut, hinten für Kinder bei längeren, für Erwachsene bei kürzeren Fahrten ausreichen. Der Kofferraum fasste 280 Liter, was normalerweise für zwei Personen ausreichte, speziell mit der zusätzlichen Staukapazität auf den Rücksitzen. Die Rückbank war nicht umlegbar.
Wie fährt sich der GTV 6 heute?
Wenn man in den Alfa steigt, fällt einmal mehr die grosse Luftigkeit früherer Automobile und die guten Platzverhältnisse trotz kompakter Aussenabmessungen auf. Die Türen waren vor 30 Jahren wesentlich dünner und dieser Platzgewinn kommt Fahrer und Beifahrer zugute. Alles ist an seinem Ort und der Alfa gibt keine Fragen auf, anlassen und losfahren also. Der dominante Motor ist auch im Inneren gut zu hören - so wollen wir es ja haben. Das Getriebe ist wie erwartet etwas störrisch, aber mit zunehmender Öltemperatur wird es etwas besser.
Lenkgenauigkeit und Bremswirkung bewegen sich im erwarteten Rahmen. Man kann ohne viel Anstrengung gut im Verkehrsstrom mitschwimmen und wird nie zu den langsamen gehören. Überhaupt lässt sich mit dem übersichtlichen und angenehm zu lenkenden Fahrzeug gut leben und selbst einem Ausflug mit der kleinen Familie steht nichts im Wege.

Der Alfa Romeo GTV 6 als Sammlerfahrzeug
Schon 1985 (im Heft 9), also zu einem Zeitpunkt, als das Fahrzeug noch gebaut wurde, bezeichnete Motor Klassik den GTV 6 als Klassiker von morgen und spricht für sich. Tatsächlich sind heute gepflegte und orginale GTV 6 rar und wechseln für gutes Geld die Hand. Fünfstellige Summen sind dann sowohl in Euro wie auch Schweizer Franken an der Tagesordnung und Topexemplare (ohne Lautsprecherlöcher und 90-er-Jahre-Hifiset und mit originalem und unverbrauchtem Interieur) werden oft für mehr als 20’000 Franken angeboten. Die Ersatzteillage ist weiterhin als gut zu bezeichnen, die Preise sind akzeptabel. Angst muss man vor allem vor Rost und vor unterlassenen Wartungsleistungen (Stichwort: Wechsel des Zahnriemens) haben.
Fahrleistungen/Verbrauch im Testspiegel
Testberichte von 1981 und 1982
- Automobil Revue Nr. 19/1981, ab Seite 25: Testbericht Alfa Romeo GTV 6
- Auto Motor und Sport, Heft 20/1982, Seite 94 - Vergleich mit Porsche 944 und Renault-Alpine A310 (Die drei Muskeltiere)
- Auto Motor und Sport, Heft 4/1981, Seite 156 - Testbericht GTV 6 (Das Vollblut)
- Sport Auto, Heft 7/1981, Seite 100 - Vergleich mit Ford Capri und Opel Monza (Einfach zum Abheben)
- Auto-Illustrierte, Heft 6/1981 - Testbericht (Sportissimo)
Der rote Alfa Romeo GTV 6 (1983), der hier abgebildet ist, wurde uns freundlicherweise vom Alfa-Oldtimer-Spezialisten Stalder & Moser anvertraut.
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Ich hatte das tolle Privileg, den Alfetta GTV 6 Bj. 82 mit Anfang 20 fahren zu dürfen. Es war nämlich das Auto meines Vaters! Davor gab es einen ebenfalls in seiner Klasse beeindruckenden Wagen, einen Lancia Beta 2000 HPE Bj.80....
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