Was für ein Geniestreich! Der Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport mit dem legendären Reihensechszylinder von Vittorio Jano gewann auf Anhieb die Mille Miglia im Jahr 1929, in der Austragung 1930 siegte er erneut, als Tazio Novolari seinen Gegner Achile Varzi niederrang. Und viele weitere Siege folgten und machten den Wagen zum fast schon quintessentiellen Sportwagen jener Zeit.
Zum Siegen geboren
Im Jahr 1925 präsentierte Alfa Romeo den Nachfolger der Merosi-Modelle RL und RM. Vittorio Jano hatte einen neuen Reihensechszylinder mit 1487 cm3 entwickelt. Gebaut wurden der 6C 1500 allerdings erst ab 1927 und bereits 1928 folgte ein Sportmodell, das statt einer zwei obenliegende Nockenwellen aufwies. Bis 1929 wurde der 6C 1500 in verschiedenen Versionen und einem Leistungsspektrum von 44 bis 84 PS gebaut, die stärksten Modelle namens “Super Sport” wiesen einen Kompressor auf.
Sechszylinder mit Kompressor
1929 folgte der 6C 1750, der zwischen 1929 und 1933 in sechs Serien gebaut wurde. Wiederum gab es Bauvarianten mit einer oder zwei über Königswellen angetriebene obenliegenden Nockenwellen und wiederum stand den schnellsten Varianten, die zuerst Super Sport und später Gran Sport genannt wurden, ein Kompressor zur Verfügung, der die Luft in den Memini-Vergaser presste. In den schnellsten Werkswagen entwickelte der Motor mit verschweissten Zylinderköpfen (“testa fissa”) eine Leistung von über 100 PS.
Dank einem auf 2745 mm verkürzten Radstand waren diese Autos noch sportlicher und wendiger. Die käuflichen Varianten leisteten 85 PS bei 4500 Umdrehungen, eine mehr als beeindruckende Leistungsausbeute für den leichtgewichtigen und kleinvolumigen Sechszylinder.
Eindrücklicher Palmares
Zu den vielen sportlichen Erfolgen des 6C 1750 gehören Siege bei der Mille Miglia (1929 und 1930), der Targa Florio, der Tourist Trophy, den Grossen Preisen von Belgien, Spanien, Tunis und Monza, sowie den 24 Stunden von Spa, um nur einige Beispiele zu nennen. Am Lenkrad sassen Leute wie Nuvolari, Campari, Marinoni oder Varzi und die liebten den leichtgewichtigen Sportwagen.
Wertvolle Rarität
Gerade einmal 257 Gran Sport Modelle, meist mit Karosserien von Zagato versehen, wurden zwischen 1930 und 1933 gebaut, insgesamt entstanden knapp über 2500 6C 1750 Modelle, viele trugen eine geschlossene Karosserie.
Die Zeiten, in denen die sportlichsten 1750 Modelle für sechsstellige Summen den Besitzer wechselten, sind schon länger vorbei, heutzutage kann auch eine “2” oder “3” vorne am siebenstelligen Preisschild nicht mehr überraschen.
Ungewohnte Pedalerie
Das Fahren im Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport erfordert nur in einem Punkt wirklich Angewöhnung. Das Gaspedal sitzt in der Mitte zwischen Kupplung und Bremse. Hier lohnt sich sorgfältiges mentales Training vor dem Start und man sollte sich immer bewusst sein, dass jahrelang eingeübte Reflexe im schlimmsten Falle nicht mehr so funktionieren wie sonst.
Hat man sich aber mit der Pedalerie angefreundet, so lässt sich ein 6C 1750 so leicht und sportlich fahren wie seine Nachkommen, die vielleicht 20 oder 30 Jahre jünger sind.
Ein besonderes Fahrzeug
Natürlich ist jeder der knapp über 250 Gran Sport besonders, aber jedes dieser Fahrzeuge hat auch seine eigenen Spezialitäten und Besonderheiten. Beim Chassis 8513042 ist es die hochaufragende Frontscheibe, die ein früher Besitzer statt der serienmässigen Varianten montieren liess. Sie bietet mehr Windschutz und schränkt die Sicht für grossgewachsene Fahrer weniger ein. Glücklicherweise ging die originale Scheibe aber nicht verloren, kann also jederzeit wieder montiert werden.
Unterwegs im Stadtverkehr
Wer sich mit dem Alfa auskennt, kommt damit gut zurecht. Der Wagen zieht dank Kompressor-Unterstützung gut von der Ampel weg und die Bremsen verzögern den nur rund 900 kg schweren Sportwagen zuverlässig. Nuvolari dürfte damals mit dem Getriebe kurzen Prozess gemacht haben und vor allem auf die Schonung der nicht unempfindlichen Kupplung konzentriert gewesen sein, heutzutage lässt man sich aber gerne etwas mehr Zeit und zieht die Gänge mit gekonntem Zwischenkuppeln und Zwischengas möglichst ohne störende Nebengeräusche durch die Kulisse. Die Rundumsicht ist im offenen Alfa Romeo natürlich perfekt, die Lenkung überraschend direkt und selbst im dichten Stadtverkehr lassen einem die anderen Fahrzeuge stets genug Platz, zumal der 6C 1750 GS ja mit wenig über vier Metern Länge kompakte Ausmasse aufweist.
Richtig in seinem Element ist der Sportwagen aber natürlich auf Landstrassen, denn dort kann er seine 85 PS und 900 kg Gewicht optimal ausspielen, zumindest solange der Fahrer nicht Bremse und Gas verwechselt. Kein Wunder reisen 6C-Fahrer des Öftern auf Achse zu Veranstaltungen an.
Wir danken der Galerie Fischer, die den portraitierten Alfa Romeo 6C 1750 GS von 1930 am 28. Mai 2016 versteigern wird.
Weitere Informationen
- Oldtimer Markt Heft 6/2007, ab Seite 23: Alfa Romeo 6C 157 GS “Flying Star”
- Motor Klassik Heft 8/1999, ab Seite 148: Alfa Romeo 6C 1750
- Motor Klassik Heft 2/2003, ab Seite 148: Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport (Rest)
- Motor Klassik Heft 2/2011: ab Seite 34: Fahrbericht Alfa Romeo 6C 1750 GS
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher
Vielen Dank für den Artikel.
Ich würde gerne einen Artikel darüber schreiben, wenn ich Gelegenheit für eine Probefahrt bekäme :-).
Leider reicht mein Oldtimer Budget nicht, um den 1750er zu ersteigern.
Mein "Alfa des armen Mannes" ist ein Ansaldo 4CS von 1923, welchen ich zur Zeit restauriere. Er hat mit 2.78 m fast den gleichen Radstand wie der 1750er.
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher
Leon Mengden, Hamburg
Dann melden Sie sich an (Login).